Chapter 27

6.6K 292 11
                                    

Ein leises "Wow" verließ die Lippen meiner Mutter und ich schaute sie einige Sekunden lang stumm an. Es schien, als sei ich von meinen eigenen Worten geschockt. Vermutlich war es auch so, aber ich war lange nicht so geschockt wie meine Mutter.

Sie ist in der Zwischenzeit leichenblass geworden und brachte kein weiteres Wort raus.

"Ja, finde ich auch", fauchte ich dann, als sich mein Schock in Wut umwandelte. Dann stürmet ich in mein Zimmer und schlug die Tür zu. Hinter der Tür kamen mir dann erneut die Tränen, doch ich zwang mich dazu weiterhin alles als egal zu befinden.

Also ließ ich mich aufs Bett fallen und meine Augen huschten rüber zu meinem Schreibtisch, auf dem sich Schulsachen stapelten. Mein Gewissen wäre dafür, etwas für die Schule zu tun, doch der Rest meines Körper war mit etwas anderem beschäftigt.

Teils war ich traurig, teils wütend und teils war es mir- Gott sei dank- egal. Ich lag gefühlte Stunden einfach so da und sah an die Decke. Mein Kopf war wie leergefegt und ich hatte alles erfolgreich verdrängt. Da kann man sich schonmal für loben.

Vor meinem Fenster wurde es langsam immer dunkler und ich döste nach wie vor einfach vor mich hin. Das tat so erstaunlich gut, ich hatte gar keine Worte dafür. Nichts tun. Nichts denken. Das ist das Beste, was es auf dieser Welt gibt.

Am Abend wurde aber mein persönlicher Frieden erneut gestört. Ich hörte ein leises Klopfen an meiner Tür. Genervt setzte ich mich auf und brummte ein "Herein".

Meiner Mutter den Einlass zu verwehren hätte eh keinen Sinn.

Meine Mutter kam zögernd herein und setzte sich distanziert auf meinen Schreibtisch-Stuhl. Ihr Blick sah mich lange an und ich hob nur fragend eine Augenbraue.

"Ich möchte mit dir darüber sprechen...", setzte sie an, doch ich unterbrach sie: "Ich weiß. Komm zum Punkt".

Sie schien erstmal zu schlucken, da meine Worte härter klangen als beabsichtigt. Dann wischte sie sich eine ihrer Haarsträhnen hinters Ohr und sie fing erneut an zu reden: "Okay... Ich formuliere mich anders: Ich möchte, dass du mit mir darüber sprichst. Ich bin doch für dich da.".

Das entlockte mir ein Lachen, Humor hat sie ja. Ich setzte mich noch weiter auf und grinste meine Mutter ironisch an: "Du bist für mich da? Ich dachte, das wird ein ernstes Gespräch. Aber gut: Mit Fremden redet es sich eh meistens besser, also...".

Meine Worte trafen meine Mutter und ich wollte, dass sie das tun. Teils, weil sie nie da war und mir auch nie Liebe entgegen gebracht hat, andererseits weil ich meinen allgemeinen Frust loswerden wollte.

"Also?", hakte sie jedoch nach und ließ meine Aussage unkommentiert.

"Jaden hat mich verlassen", brachte ich raus und sah sie abwartend an. "Über ihn wollte ich eh mit dir reden, dieser Mann hat nur-" ich unterbrach sie erneut:

"Nein, Mom. Ja... Vieles ist mir passiert und du willst ihn verantwortlich machen. Ich würde dir sogar zu trauen ihn wegen irgendwas anzuzeigen. Und ja, er ist oft Schuld für vieles. Aber hier geht es nicht um ihn und mich. Hier geht es um dich und mich.

Du hättest meinen Schmerz bemerkten sollen. Meine Stimmungen. Meine Trauer. Meine Wut. Jeder wusste es, jeder hatte so seine Informationen. Aber du hast nur was gemerkt, wenn der Direktor mal was gesagt hat.

Siehst du nicht, was los ist? Dein kleines Mädchen ist lange nicht mehr so klein. Doch auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden ist sie ganz schön hart auf die Fresse gefallen. Und sie hat mit mehreren Leuten geschlafen und sie hat geraucht und wollte zwischenzeitlich einfach alles beenden. Dein kleines Mädchen geht feiern und schwänzt die Schule viel zu häufig. Dein kleines Mädchen verschanzt sich aber auch tagelang auf dem Sofa. Dein kleines Mädchen schreit einfach nur nach Liebe und Hilfe. Denn auch wenn sie langsam erwachsen wird, ist sie immer noch dein kleines Mädchen.", hörte ich mich selbst sagen.

Und erst, als ich meine eigenen Worte hörte, stellte ich fest, wie sehr mich die fehlende Liebe kaputt macht. Ihre fehlende Liebe.

Es hat alles damit angefangen, dass ich mich mit meinen Eltern zerstritten habe... Und jetzt, wo es zu Ende ist, rede ich mal mit meiner Mum Klartext?

Was wäre passiert, wenn ich mich nie zerstritten hätten? Ich seufzte. Vielleicht wird ja jetzt alles besser. Doch meine Mum erwiderte nach wie vor nichts. Doch als ich in ihre Augen sah, sah ich ihre Tränen.

Daddy's  Home 2 *pausiert*Where stories live. Discover now