Chapter 30

6K 315 36
                                    

Meine Hand glitt langsam über Aiden's nackte Brust und er fuhr mit seinen Fingern durch meine Haare.

Seit guten 10 Minuten langen wir im Schweigen auf meinem Bett, umhüllt von meiner Bettdecke. Vermutlich hing er seinen Gedanken nach, so wie ich es tat.

Meine Hand strich rauf zu seinem Gesicht und ich drehte seinen Kopf etwas zu mir, um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Er erwiderte den Kuss und auch wenn unsere beiden Lippen ausgetrocknet waren, war es ein schöner Moment. Diese zärtliche Berührung spendete Trost.

Ihm und mir. Mein Gefühl hatte mir schon längst verraten, dass Aiden genauso krank und kaputt war wie ich und dennoch hatte ich mich nie getraut zu fragen warum.

Keine Ahnung was mich davon abhielt, vielleicht weil ich wusste wie es ist, wenn man nicht darüber reden will. Doch so mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto neugieriger wurde ich. Das war gut, denn diese Neugier war das erste, was ich seit Tagen mal wieder fühlte.

"Worüber denkst du nach?", hauchte er leise und ließ seinen Daumen über meine Unterlippe gleiten. Ich lächelte leicht, "über dich".

Er lachte kurz auf, "Ich hoffe nur Gutes". Ich musste mehr lächeln und setzte mich etwas auf, jetzt oder nie. "Ich möchte mehr von dir erfahren...", setzte ich an, "...von deiner Vergangenheit".

Aiden's Muskeln spannten sich automatisch an und bestätigten meine Vermutung: Das war ein wunder Punkt. Er setzte sich ebenfalls auf und fuhr sich durchs Haar: "Da gibt es nichts zu erfahren".

"Das glaube ich dir nicht, aber... Ich werde dich nicht dazu drängen, davon zu erzählen". Er nickte nur und beugte sich zum Bettrand, um seine Hose vom Boden zu angeln. Ich beobachtete ihn dabei, wie er eine Zigarettenschachtel aus einer der Taschen zog und sich zurücklehnte.

"Darf ich hier drin rauchen?", fragte er und hatte sich schon eine Zigarette zwischen die Lippen geschoben. Ich schüttelte den Kopf und murmelte nur ein 'Sorry', welches er mit einem Kopfnicken quittierte. Dann stand er auf und zog sich seine Boxershorts über.

Ich hingegen blieb auf meinem Bett und musterte ihn bei jeden seiner Bewegungen. Er sah unglaublich heiß aus, wie er das Fenster öffnete und sich etwas rauslehnte. Dieser Anblick und das Klicken des Feuerzeuges beruhigte mich vermutlich mehr als es sollte.

"Es tut mir leid, wenn ich schlechte Erinnerungen wach gerufen habe...", murmelte ich und rückte näher an den Rand meines Bettes. Aiden zuckte mit den Schulter und warf mir einen Blick über die Schulter zu: "Nicht doch... Es ist verständlich, dass du mehr über mich wissen willst, wenn ich doch so viel über dich weiß.".

Mir blieb nichtmal Zeit etwas zu erwidern, denn er fuhr fort: "Gut... Ich erzähle dir eine Story von mir, als ich 17 war.". Er hatte seinen Blick wieder nach draußen gewandt und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, bevor er anfing zu erzählen.

"Ich hatte gerade die Schule gewechselt, um das mit dem Abi zu probieren... Du weißt schon: Neue Leute, neue Lehrer, höheres Niveau.

Naja und ich hatte es nie leicht mit neuen Kontakten. Ich muss zugeben, dass ich auch nicht sonderlich sozial war. Mit 17 dachte ich noch, dass man seinen Frust am besten mit Alkohol und Prügeleien auf den Partys los wird. Ich dachte, dass sie sich nicht mit mir anlegen, wenn sie Angst vor mir haben.

Jedoch hatte ich nicht begriffen, wie einsam mich das gemacht hatte. Irgendwie waren all diese asozialen Aktionen ein stiller Schrei nach Hilfe... Frag bitte nicht warum", er endete kurz und zog erneut an seiner Zigarette.

In meinem Hals breitete sich ein Kloß aus, denn seine belegte Stimme versuchte deutlich all den Schmerz zusammenzuhalten. Doch ich wollte ihn erst zu Ende erzählen lassen, bevor ich mich dazu äußere.

"Weißt du, ich habe nicht begriffen... Das man nach dem, was ich erlebt hatte, eigentlich eher den Ansporn haben sollte, besser als das zu sein. Eben nicht so wie diese Menschen mit den Leuten in deiner Umgeben umzugehen. Doch ich wurde genau das, was ich so sehr hasste.

Bis ich sie traf.

Sie war neu auf der Schule, ein bildschönes Mädchen. Ich rede nicht von Brüsten oder Arsch, ich rede von... Ihrer Ausstrahlung.

Immer wenn sie gelacht hat, musste ich lächeln. Ihre Augen funkelten wie Sterne, wenn sie von ihren kleinen Leidenschaften erzählte, wenn sie über Kunst debattierte und der Klasse neue Zaubertricks mit ihrem Kartedeck zeigte. Doch neben ihren klaren Augen und den kurzen,gelockten Haaren hatte sie eines: Ein Herz.

Ihr Herz war so unendlich groß und sie hatte keiner ihrer kindlichen Naivitäten abgelegt, glaubte immer an das Gute. Doch wie so viele Menschen wurde auch sie enttäuscht.

Wir hatten nie eine Beziehung, denn ich konnte sie nicht fragen. In ihrer Anwesenheit war ich immer viel zu schüchtern und dennoch ließ sie mich jeden Morgen mit einem Lächeln auf den Lippen aufstehen."

Wie von alleine zogen meine Hände die Decke enger um meinen Körper und ich erhob mich langsam, um zu ihn zu gehen: "Was ist dann passiert?".

Er lachte bitter auf und schnippte die Kippe weg, "Sie traf diesen Typen. Er hatte einen schlechten Einfluss auf sie.

Sie fing an zu trinken und hing nur noch mit diesen möchtegern Machos ab. Ja, ich war auch einer von ihnen, doch gerade sie war es, die mir die andere Seite gezeigt hatte.

Und so fing alles an: Sie schwänzte Schule, stahl hier und da mal Kleinigkeiten. Ihr MakeUp war meistens verschmiert und auf ihrer Haut zeichneten sich die langen Nächte, die Kippen, die Wodkaflaschen und der Konsum anderer Drogen ab. Es zerstörte sie jeden Tag ein Stückchen mehr.

Ihre Augen waren oft glasig oder gerötet, ihre Haare hatten jeglichen Glanz verloren. Doch sie wollte nicht auf mich hören, meinte, sie würde doch nur ihre Jugend ausleben und ich dürfte mich nicht beschweren.

Nach einem weiteren Streit ließ ich sie ziehen und am nächsten Morgen erreichte mich die Nachricht: In der Nacht hatte sie sich mit diesem Kerl ein Auto geklaut und sie seien betrunken gefahren. Es gab einen Unfall und sie kam dabei ums Leben.", er atmete tief durch: "Ich hatte mir geschworen nie wieder zu trinken, zu rauchen oder unüberlegtes zu tun. Aber das Leben sollte nicht nur spießig sein, solange ich mich unter Kontrolle habe, ist alles gut... Aber ich bitte dich um etwas:

Lass dir das Leben nicht von diesem Arschloch zerstören. Steh auf und genieße es: Rauche, aber nicht in Kette, trinke, aber nicht bis zum Koma und habe Sex, aber verliebt dich nicht. Für alle Vernunft ist später noch Zeit genug, für alle depressiven Phasen, die dein Leben zerstören, war nie Zeit. Wir haben alle unsere Geschichte und manches kann man nicht beeinflussen... Aber du hast noch die Chance dazu, also nimm dein Leben selbst in die Hand und bestimme, wie es weitergehen soll.".

Daddy's  Home 2 *pausiert*Where stories live. Discover now