Kapitel 34

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Der Sommer wurde langsam vom Herbst abgelöst, als Lyra und Levi zu einer Besprechung im Hauptquartier des Aufklärungstrupps waren. Erwin informierte die Soldaten über eine neue Mission nach außerhalb der Mauern, bei der zuerst in westlicher Richtung ein neuer Stützpunkt errichtet werden sollte, bevor man nach Titanenaktivitäten Ausschau hielt.
Als die beiden zurück flogen, merkte Lyra schon, dass ihr Gefährte ziemlich abwesend war und mit den Gedanken wo vollkommen anders. Woran denkst du?, wollte sie von ihm wissen und flog etwas langsamer. Sie wollte noch etwas Zeit mit ihm verbringen, bevor es ans Training ging und sie sich erst zum Mittagessen wieder sehen würden.
Was ist, wenn wir keinen Titanen mehr begegnen? Haben wir sie dann wirklich besiegt?, sprach er seine Gedanken aus. Da steckte noch weitaus mehr dahinter, soviel war sicher.
Levi, ich weiß es nicht. Irgendetwas sagt mir, dass es noch nicht vorbei ist. Nenn es Instinkt oder weibliche Intuition. Vielleicht sind es wesentlich weniger Titanen, aber ich glaube da draußen sind noch sehr viele von ihnen. Und wenn doch keine mehr da sind, dann ist es doch durchaus möglich, dass die Menschheit hier endlich Frieden hat. Zu wünschen wäre es euch, meinte Lyra und zog dann ober dem alten Hauptquartier ihre Kreise.
Und du suchst dann nach einem Weg in deine Heimat, richtig?, wollte er dann wissen. Er klang ziemlich nachdenklich.
Ja, zumindest werde ich es versuchen. Aber ich weiß nicht, ob ich überhaupt dort hin zurück kehren kann. Dieser rote Drache hat mich in diese Welt geholt und ich habe ihn getötet. Ob ich jemals nach Hause komme und dir zeigen kann, wo ich groß geworden bin...? Man weiß es nicht. Genug dieser Was-wäre-wenns, wir müssen trainieren, sagte Lyra und landete vor der Festung. Die Mitglieder ihrer beiden Einheiten kamen gerade raus, als die mitternachtsblaue Halbdrachin ihr menschliches Äußeres annahm. "Dann bis zum Mittagessen, Levi" sagte sie und wandte sich ihrer Einheit zu. "So, heute wird noch etwas am Nahkampf gefeilt und anschließend noch der Schwertkampf." Sie gingen zum Trainingsfeld hinter dem alten Hauptquartier. Dabei kämpfte Lyra gegen jeden für zehn Minuten, nachdem sich alle aufgewärmt hatten. Zuerst war Gareth an der Reihe, mit dem sie sich dann ein Duell der Aufgabegriffe lieferte und ihm weiter sein herumhoppeln austrieb. Jason hatte es sich heute zur Aufgabe gemacht Lyra aus dem Gleichgewicht zu bringen, was ihm einmal auch gelungen war. Elisabeth hing im Nahkampf noch etwas hinterher, aber sie gab nicht auf und das förderte Lyra auch aktiv.

Es war eine der darauffolgenden Herbstnächte, als Lyra mitten in der Nacht wach wurde. Levi schlief ruhig neben ihr und hielt sie sanft im Arm, während seine Hand auf dem Ei vor ihr lag. Alles war ruhig, bis auf der Sturm, der draußen tobte. Warum war sie also wach geworden? Sie schickte ihren Geist auf Wanderschaft und suchte nach einem Grund.
"Levi, wach auf!" weckte sie dann ihren Gefährten nicht gerade sanft. Dieser schreckte auf und sah sie verschlafen und fragend zugleich an. "Im Stall sind die Pferde unruhig. Bevor ich einfach so verschwinde, wollte ich dich wissen lassen, dass ich nachsehen gehe" erklärte sie ihm, während sie aufstand und sich schnell umzog.
"Ich komme mit" bestimmte Levi und schälte sich ebenfalls aus dem Bett.
"Wie du meinst" erwiderte Lyra und band sich die Haare zu einem Pferdeschwanz, bevor sie sich zur Sicherheit Norellio schnappte und über die Schulter hing. Sie hatte zwar niemanden Verdächtiges dort bemerkt, aber man wusste ja nie. Beinahe lautlos ging sie durch die Flure des alten Hauptquartiers und ging hinaus. Der Sturm bog die Bäume gefährlich zur Seite und in der Ferne hörte sie, wie Äste dem heftigen Wind nachgaben und brachen. Zielstrebig ging es dann zum Stall, wo Lyra erstmal mit etwas Feuer in den Lampen für Licht sorgte.
Die Pferde waren allgemein sehr unruhig und scharrten mit den Hufen in ihren Boxen. Lyra ging zu jeder auf der linken Seite, Levi sah auf der rechten Seite nach. Alles war in Ordnung, Lyra fand nichts, was nicht in Ordnung war und das bei jedem Pferd. Auch Sunset war ruhig. Sie streckte ihr ihren Kopf entgegen und schob sie in die Richtung der Box, wo Levis Rappstute war. "Lyra?" kam es von Levi, der vor eben jener Box stand und hinein sah.
"Was gibt's?" fragte sie und warf selbst einen Blick hinein. "Hey Süße, was ist los?" fragte sie und betrat die Box. Sie kraulte ihr kurz den Kopf und ging dann weiter zu ihrem Bauch. "Daher die Unruhe, sie bekommt ihr Fohlen."
"Jetzt?"
"Natürlich jetzt Levi. Egal ob es sich um Menschen, Drachen, Halbdrachen oder eben auch Pferde handelt, alle bekommen ihre Küken immer genau in den ungünstigsten Situationen oder bei den größten Unwettern" erwiderte Lyra leise lachend. "Bleib bei ihr. Dir vertraut sie mehr als mir. Ich bin gleich wieder da."
"Hey warte mal. Was ist wenn...?" fing Levi an.
"Du beobachtest nur. In der Regel schafft sie es ohne Hilfe, wenn nicht, sind wir ja da." Die Halbdrachin sah ihn schmunzelnd an und verließ die Box, um kurz in der Kammer nebenan nachzusehen, ob im Falle eines Falles alles notwendige da war. Levis Reaktion fand sie schon niedlich. In der Hinsicht war sie froh, dass sie ihr Küken nicht wie ein Mensch auf die Welt brachte. So stark er auch war, er wäre bei ihr wohl in Panik ausgebrochen und hätte nach Hanji gebrüllt, die mehr Vertrauen von ihnen beiden hatte, als die Ärzte des Aufklärungstrupps. Und anschließend wäre er dann wohl voller Unruhe hin und her getingelt.
Levi stand nun am Rand der Box und beobachtete hilflos seine Stute, die gerade eine bequeme Stelle im Heu suchte. Lyra stellte sich zu ihm, sie konnte seine Nervosität riechen. "Entspann dich Süßer. Sie macht das schon" beruhigte die Halbdrachin ihren Gefährten und strahlte dabei auch die Ruhe aus, die sein Pferd brauchte. "Außerdem machst du sie damit nur nervös und es braucht Stunden, bis es auf der Welt ist."
Die Geburt an sich ging dann ganz schnell. Lyra nahm etwas trockenes Heu und rubbelte das Kleine trocken zusammen mit der glücklichen Mama. "Woher weißt du das alles?"
"Instinkt. Ich verlasse mich auf meinen Instinkt und mein Gespür. Vielleicht handle ich deswegen nicht so, wie man es erwarten würde, aber es liegt einfach in meiner Natur" erwiderte Lyra. "So und du kommst jetzt auf die Beine." Sie zog sich zurück und nahm auch Levi beiseite, der das ganze beobachtete.
"Nicht alles kann man mit Instinkt lösen" meinte Levi und folgte mit den Augen den ersten Versuchen des Fohlens aufzustehen.
"Mag sein, dennoch macht es manches einfacher" sagte Lyra und kicherte leicht, als das Fohlen wieder ins Heu fiel. Seine Mutter ermutigte es weiter und leckte es weiter trocken, als es dann bei ihr stand und etwas trank. "Beobachte einfach mal die Natur, dann weißt du, was ich meine. Alle Tiere handeln größtenteils nach ihrem Instinkt und kommen so auch gut durchs Leben. Besonders Menschen machen sich ihr Leben unglaublich schwer" sagte sie. "Komm, die beiden kommen jetzt auch super allein klar."
"Willst du nicht nachsehen, was es ist?"
"Das weiß ich doch schon seit Monaten. Sie hat ein Hengstfohlen" erwiderte Lyra grinsend und machte nach und nach die Laternen aus, bevor sie raus ging und ihre Drachengestalt annahm. "Bei so einem Sturm bin ich geflogen, als ich in diese Welt geholt wurde." Das Wetter war richtig ungemütlich geworden und es regnete gleichzeitig auch noch.
"Was bringt dich dazu bei so einem Unwetter dazu zu fliegen?"
"Ich habe gern gegen die Elemente in ihrer Urform gekämpft. Es war mal eine andere Art des Trainings" antwortete Lyra und lächelte leicht dabei. Sie breitete einen Flügel über ihrem Gefährten aus und ging mit ihm zur Festung, wo sich sie sich dann auch schon wieder schlafen legten.

Attack on Titan - Blue-Eyed ScalesWhere stories live. Discover now