Die Schlange unter ihrem Pantoffel

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Es hatte einmal eine Zeit in Hermines Leben gegeben, da war sie überzeugt davon gewesen, dass sie die Moralvorstellung fest im Griff hatte. Sie hatte Schwarz und Weiß unterscheiden können und sie hatte keine Probleme gehabt die verschiedenen Grautöne auf der entsprechenden Seite zusetzen, die als richtig oder falsch bezeichnet wurde. Kurz gesagt sie war immer in der Lage gewesen das Gute oder das Schlechte zuerkennen. Sie hatte niemals gezögert den Preis und den Aufwand einer Handlung vorher abzuwiegen und zu überlegen ob es sich überhaupt lohnen würde, ehe sie eine Entscheidung traf.

Hermine hatte nie zuvor darüber nachgedacht, dass jede böse Tat in erster Linie am meisten den Täter selbst schadete und dass es einfach selbstsüchtige Gründe dafür gab, niemals etwas Schlechtes zu tun, denn am Ende würde alles nur auf einen selbst zurückfallen und man selbst wäre dann derjenige der am meisten verletzt wurde.

Langsam kam sie zu der Erkenntnis, dass sie im Grunde sehr dumm gewesen war und es war unnötig dabei zu erwähnen, dass sie eine Menge Zeit verbracht hatte, um über Severus nachzudenken.
Es wäre erniedrigend, wenn man versuchen würde die Dinge, die er getan hatte mit einer moralischen Erklärung zu überblenden. In welche Spalte gehörten nach ethischen Vorstellungen Mord und Vergewaltigung, wenn sie dazu beigetragen hatten, zu den Bemühungen einen so furchtbaren Zauberer wie Voldemort für immer zu vernichten?

Hermine wusste, dass man ihn nicht für alles verantwortlich machen konnte, aber es wäre auch nicht richtig so zu tun, als wäre nichts passiert.

War es richtig, jemanden wie ihn zu lieben? War es sicher? War es falsch ihm Liebe zu schenken? Wäre es falsch ihm diese Liebe zu verwehren? War es anmaßend zu hinterfragen, ob überhaupt irgendetwas, was sie tat für ihn von Bedeutung war?

Es störte sie insgeheim, dass sie nicht in der Lage war, ihre Gefühle für ihren Mann einzuordnen, geschweige denn sie überhaupt zu kontrollieren.

Hatten seine Taten die Zärtlichkeiten, die er ihr entgegenbrachte, für sie wertlos oder sogar wertvoller gemacht?

Und nur weil er liebevoll mit ihr umging, war das noch lange kein Grund, sich darüber selbst zu belügen was vor sich ging, wenn sie miteinander alleine waren.

Liebte sie ihren Mann? Konnte sie aufhören ihn zu lieben, wenn sie feststellen würde, dass er nicht der Richtige war?

Manchmal schien es ihr, als wäre Severus nicht wirklich lebendig, eher wie ein Schatten im Raum, der von einer Person geworfen wurde, die überhaupt nicht da war. Und dann plötzlich war er plötzlich unsagbar lustig, mit einem lebhaften Witz und intelligentem Charme. Manchmal, ja manchmal, da war er sogar richtig nett.

War Severus Snape in sie verliebt? Aber wenn er es nicht war, warum behandelte er sie dann so, wie er es tat?

Warum dachte sie überhaupt über Liebe nach? Es war doch viel zu früh, alles war noch so neu und unbekannt. Es war wirklich albern von ihr, sich jetzt schon Gedanken über Liebe zu machen.
Was sie im Augenblick wirklich brauchte war Ablenkung.

Die meiste Zeit verbrachte Hermine ihre Tage damit, auf dem Sofa zu sitzen und zu lesen oder damit Arithmantik–Aufgaben zu lösen, die sie sich selbst gestellt hatte. Außerdem kümmerte sie sich darum, die kleineren Schüler der Slytherins im Auge zu behalten.

Obwohl objektiv betrachtet waren diese Dinge nicht so sehr von Bedeutung, wie das, dass wenn sie Abends gemeinsam mit Severus auf dem Sofa saß und beide in ihre Bücher vertieft waren, es immer häufiger vorkam, dass sein warmer dunkler Kopf an ihrer Schulter zum liegen kam. Es war eine kleine Geste, doch für Hermine bedeutete sie sehr viel.

Mein Leben an seiner SeiteWhere stories live. Discover now