Verrat im Fieberwahn

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Geschockt hielt Clint sich die Hände vor den Mund.
Er sah seiner Freundin dabei zu, wie sie drauf und dran war, ihren Zievater regelrecht abzuschlachten. Wie bei einer Psychopathin zierte dabei ein zufriedenes Lächeln ihre Lippen.
Als wäre das noch nicht genug, konnte er bizarrerweise in ihren feuchten Augen Hass und Zufriedenheit auf einmal erkennen.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt wollte er in das Geschehen eingreifen.
Wahrscheinlich hatte Ivan ein Leid wie dieses verdient, aber Clint wusste, dass Natasha sich seit damals geändert hatte.
Sie war keine herzlose Auftragsmörderin mehr...
Selbst wenn es ihr momentan Genugtuung verschaffte, dem Mann Schmerzen zuzufügen, der sie bereits in ihrer Kindheit gefoltert hatte... Sie würde ihre jetzige Tat vielleicht irgendwann bereuen.

Er versuchte nach kurzem Zögern, Nat davon abzuhalten, den Russen auf diese Art und Weise umzubringen. Jedoch erhielt er bei dem Versuch einen starken Tritt in seinen Bauch, der ihm sämtlichen Sauerstoff aus den Lungen presste.
Er taumelte ein paar Meter zurück und schnappte nach Luft.

Von einem Moment auf den anderen ertönte ein Knall. Der geräuschvolle Laut einer Schusswaffe.
Der Blick des Falken schoss nach oben und er sah seine Freundin leicht zusammen zucken.

Die Agentin ließ von Petrovitch ab und drehte sich in Richtung des Blonden um. Während sie aufstand bemerkte er ihre zitternden Beine.
"Clint?"
Angstvoll blickte sie ihm in die Augen. Ihr Atem ging schnell und ungleichmäßig. Sie hatte Angst.

Der Angesprochene lief augenblicklich auf die Rothaarige zu und stützte sie, indem er ihren Arm um seine Schultern legte. Er nahm sie im Brautstile hoch und suchte nach der Einschussstelle. Das Einzige, was er fand, war ein filigraner Betäubungspfeil, der etwas oberhalb ihrer Hüfte steckte.
Er zog den Pfeil aus ihrer Haut heraus. Sie keuchte hierbei unter Schmerzen auf, ließ ihn aber das tun, was nötig war.

Barton erhaschte einen schnellen Blick auf den Pfeil.
Das hauptsächlich verwendete Material war durchsichtig, wahrscheinlich Glas, und war wie eine kleine Phiole geformt. Diese enthielt eine bläulich schimmernde Flüssigkeit, die sich nun anscheinend schon zur Hälfte in Natasha's Blutbahnen befand.
"Nat? Hörst du mich?"
Sie hatte die Augen geschlossen und nickte schwach.
"Ich bringe dich weg von hier. Wehe, du stirbst vor meinen Augen. Hast du verstanden?"
Mit diesen Worten trat er die Tür des Ausganges ein.

Ein letzter Blick über die Schulter zeigte ihm, dass wohl eine Gruppe von Söldnern ihren Auftraggeber entdeckt hatte und seine Verletzungen untersuchte.
In dem bitteren Wissen, dass Ivan vielleicht Natashas Angriff überleben könnte, verschwand er im dunklen Schutz der Nacht.

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"Ist es toxisch?" Ungeduldig tippte Clint mit dem Fuß auf das graue Laminat des Bodens.
Ein paar Stunden waren seit dem Vorfall in der Lagerhalle vergangen. Er hatte Natasha in ein Krankenzimmer der Budapester Shield-basis gebracht.
Sie wurde augenblicklich allen möglichen Tests unterzogen, trotzdem konnten die Ärzte keine Abnormalitäten in ihrem Immunsystem oder Blut feststellen.
Ihr Zustand war instabil. Sie konnte quasi jeden Moment vor ihren Schöpfer treten und niemand schien dazu in der Lage zu sein, es zu verhindern.

Clint hatte den Pfeil mit der blauen Tinktur schnell zur Untersuchung in das Labor gebracht. Nun versuchte er, während eines Telefonates Klarheit darüber zu erlangen, mit welcher Flüssigkeit man es hier zu tun hatte.

Etwas ungeduldiger als zuvor rief er ein zweites Mal in den Lautsprecher seines Handys: "Ist es toxisch?!"
Seine Frage wurde verneint. Es handelte sich anscheinend um ein Serum der Klasse C. Ihm wurden die Inhaltsstoffe aufgezählt, aber selbst die Laboranten wussten noch nicht, weshalb Ivan Natasha gerade dieses Serum verabreicht hatte. Es machte einfach keinen Sinn.

Der Agent schnaubte frustriert. "Informieren Sie mich sofort, wenn sie etwas brauchbares herausfinden." Mit diesen Worten legte er auf und ging wieder in Natashas Zimmer.

Die Agentin lag in unveränderter Position auf dem Krankenbett. Als er die Tür öffnete und über die Schwelle trat, wanderte ihr Blick in Richtung ihres Freundes. Romanoff war dankbar für seine Bemühungen, aber sie wagte zu behaupten, dass es am Ende nichts bringen würde.

Der Bogenschütze ging auf ihr Bett zu und setzte sich auf einen Stuhl, den er zuvor daneben gestellt hatte.
Er lehnte sich zu ihr vor und versuchte, zu lächeln.
"Wie fühlst du dich, Nat? Kann ich etwas für dich tun? Oder brauchst du irgend etwas?"

Natasha schmunzelte leicht. "Ist das alles nicht offensichtlich?" Kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet. Was auch immer in diesem Serum war, ihr Körper schien dagegen anzukämpfen.

Sie hustete leise und hielt sich stöhnend ihren schmerzenden Kopf.

"Clint...? Kannst du bitte meine Hand halten?" Natürlich kam er ihrem Wunsch sofort nach und nahm die Finger ihrer freien Hand in die seinen. Er drückte sie sanft, um ihr Halt geben zu können.
"Nat... Du darfst mich nicht verlassen. Du...- Ich brauche dich doch..." Gedankenverloren sah sie zu ihm hoch. "Weißt du... Ich bin stark. Ich schaffe das schon irgendwie, Clint."
"Versprich es mir."
Mit festem Blick sah sie ihn an. Sie verfestigte ihren Griff um seine Hand und antwortete ohne zu zögern: "Ich verspreche es.".

Der Rest der Nacht verlief ziemlich unruhig. Natasha plagten immer wieder schüttelfrostähnliche Anfälle. Sie behauptete auf Clints Nachfrage dann immer, dass es nicht nötig sei, die Ärzte zu rufen.

Irgendwann in den frühen Morgenstunden begann sie dann aber, im Fieberwahn um sich zu schlagen.
"Hey Nat... Nat!"
Ängstlich drückte Hawkeye auf den Knopf, um die Sanitäter zu ihnen zu rufen. Er wollte nicht riskieren, dass dies die letzten Momente mit Natasha wären.

Plötzlich stoppte die Agentin in ihren Bewegungen. Reglos lag sie auf dem Krankenbett und bewegte keinen Muskel.
Clint legte augenblicklich zwei Finger an ihren Hals, um ihren Puls zu suchen.
Zu seinem Verblüffen fand er diesen noch im selben Augenblick.
Natasha lebte... und ihr Herz schlug abnormal schnell. Was das wohl zu bedeuten hatte?

Sekunden später öffnete die Rothaarige die Augen. Erleichtert drückte der Bogenschütze seine Freundin an sich.
"Verdammt Tasha, ich habe mir solche Sorgen gema-"

Natashas Hand schnitt ihm seine Worte ab, indem sie sich um seine Kehle legte und zusammen drückte.
Schnell fand er sich auf dem Krankenbett wieder. Seine Freundin- über ihm- ließ nach wie vor nicht von seiner Kehle ab. Sein Körper weigerte sich vor lauter Schock zu wehren.

Er dachte, dass ihre Augen ihm vielleicht mehr verraten konnten, aber als er in ihre Seelenspiegel blickte, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
Ihr Blick war leer.
Er konnte sie nicht mehr lesen.

Sofort läuteten bei ihm alle Alarmglocken. Das war nicht seine Natasha.
Sein Überlebensinstinkt setzte an dieser Stelle endlich ein. Ein Kick gegen ihr Schienbein lockerte ihren Griff um seinen Hals und er schubste sie von sich, um sich zu befreien.
Er röchelte und spuckte kleine Mengen an Blut auf das weiße Laken des Bettes. Bei ihrer Aktion waren anscheinend ein paar Adern geplatzt...

Als die Russin wieder auf ihn losgehen wollte, kamen die Ärzte in den Raum gestürzt und hielten sie davon ab.
Eine Spritze- gefüllt mit einem Schlafmittel- wurde ihr in den Arm gejagt.
Etwa eine Minute danach hörte sie auf sich zu wehren und sank bewusstlos neben ihm auf das Bett.

Ehm... ups? ^^'

Clintasha- Mission BudapestWhere stories live. Discover now