Man trifft sich immer 2 mal

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Seit genau einer Woche befand sich Natasha nun schon im Verhörsaal. Clint versuchte immer wieder, normal mit ihr zu reden, aber sie wies ihn jedes Mal ab. Er begann, sich immer miserabler zu fühlen, weil er Natasha nicht wirklich helfen konnte...
Mittlerweile unterhielt sie sich schon mit ihm. Solche Gespräche waren dann aber fast immer gefüllt mit manipulativen Kommentaren und Anschuldigungen ihrerseits.

Er spürte, dass er bald einknicken und seine Psyche in sich zusammenfallen würde, war aber noch nicht dazu bereit, aufzugeben. Der Falke war überzeugt davon, die seelischen Schmerzen so lange er noch konnte zu ertragen, wenn er so vielleicht seine Freundin wieder zurück bringen konnte.

Dennoch tüftelte er schon seit Tagen an einem Plan B. Nat hatte ihn mit ihren Kommentaren darauf gebracht. Es war riskant und würde sich vielleicht nicht auszahlen, aber er war nun bereit, das Risiko auf sich zu nehmen.

Ein letztes Mal öffnete er leise die Tür zum Verhörsaal und setzte sich neben die schlafende Schönheit. Im Schlaf sah sie immer noch so wunderschön und friedlich aus, wie vor dem Vorfall.
Vorsichtig nahm er ihre Hand und sah ihr in das Gesicht. Er hatte vorher extra sicher gestellt, dass die Wachen hinter dem Venezianischen Spiegel gerade Pause machten und er privat mit ihr reden konnte.

"Ich werde eine Weile weg sein, Nat. Halt' bitte so lange durch, ja? Ich kann auf Dauer keine Freundin ertragen, die mich immer hasserfüllt anschaut und meine Ängste für ihre Manipulation ausnutzt. Das wäre mein Ende, Nat." Erschöpft seufzte er und ließ den Kopf hängen.
"Mein Plan würde dir absolut nicht gefallen, darum beichte ich dir lieber von meinem Verschwinden, während du schläfst." Er lehnte sich zögerlich nach vorn und küsste sie vorsichtig auf die Lippen.
"Du wirst durchhalten, bis ich wieder zurück bin, klar? Ich liebe dich, Nat." Er lächelte traurig und wischte sich die aufkommenden Tränen aus den Augen.

Wieso fühlte es sich so schrecklich an, sie nun zu verlassen? Wieso hatte er so plötzlich einen Kloß im Hals und das flaue Gefühl von Abschied im Bauch? Würde er sie jemals wieder sehen? Würde er bei dem Versuch sterben, ihr ein Gegenmittel zu beschaffen?

Er schüttelte entschlossen den Kopf. Er musste zurück kommen. Er musste es einfach. Für seine Freundin.

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Clint brauchte nicht lange suchen, bis er seinen Zielort gefunden hatte.
Die Hintertür war behelfsmäßig wieder in die Angeln gehoben und mit einem Schloss gesichert wurden. Er hätte es knacken können, was aber viel zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte. Das Schlösserknacken übernam sonst immer Natasha.

Da er im Dunkeln keine Wachposten erkennen konnte, kletterte er an der Hauswand nach oben. Das funktionierte sogar recht gut. - Der Stahlbau der Lagerhalle war sehr stabil und es ragten an manchen Stellen Stahlpfeiler aus der Wand heraus, an welchen er sich weiter nach oben ziehen konnte.

Im Obergeschoss angelangt, spähte er durch ein angekipptes Fenster.
Jackpot.
Dort lag, angeschlossen an ein paar technische Geräte, auf einer Krankenliege seine Zielperson. Kein Geringerer, als Ivan Petrovitch.
Die Tür war geschlossen und es befand sich keine weitere Person im Raum.

Er kletterte hinauf auf das baufällige Dach und schlüpfte durch eines der Löcher in die Fabrik. Er befand sich auf einer Art von Weg aus Stahl oberhalb des großen Raumes, wo er Ivan das erste mal gesehen hatte. Von dort unten schallten laute Stimmen bis zu ihm nach oben.

Auf dem metallenen Weg befanden sich wieder keine Wachen, also begann er sich lautlos auf den Abgrund hinzu zu bewegen und linste leicht über das Geländer.
Wie durch die Lautstärke erwartet, saßen im großen Innenraum der Halle eine große Anzahl von Söldnern. Sie tranken Bier, spielten Karten und unterhielten sich sehr ausgelassen. Vielleicht hatten sie etwas zu feiern?
Das war nun aber mehr als nur irrelevant. Sie waren unaufmerksam und das musste Clint ausnutzen.

Er verriegelte die Türen, die zu dem Gang hinauf führten, provisorisch mit ein paar herumliegenden Eisendrähten. Dann schlich er schnellen Schrittes den Gang entlang. Er hatte sich genau gemerkt, in welchem Zimmer Petrovitch lag und zählte bis dahin konzentriert die Räume ab.

An seinem Ziel angekommen, zog er ein Messer aus dem Stiefel heraus und schlüpfte in das Krankenzimmer.
Durch den kurzen Lichtstrahl, der auf sein Gesicht geschienen hatte, blinzelte der Russe leicht verschlafen. Als er dann aber aufwachte, hatte er bereits Hawkeyes Messer an der Kehle.
"Ruf deine Männer und du bist tot.", zischte Clint und übte entschlossen Druck auf den Griff des Messers aus. Wenn Ivan das Gegengift nicht hatte, würde er sich wenigstens rächen.

Der Mann nickte stumm, weshalb der Bogenschütze die Klinge ein wenig von der Pulsschlagader entfernte. Petrovitch musterte Clint eine Weile und seufzte dann, was aber am Ende in einem leichten Hustenanfall endete.

Kurz blickte Clint zu dem bandagierten Oberkörper des Älteren und erkannte, dass viele der Einstichstellen immer noch zu bluten oder immer wieder auf gegangen zu sein schienen.
Er hatte dennoch kein Mitleid mit dem Mann, der Natashas Seele vielleicht für immer aus ihrem Körper gerissen hatte.

"Du bist wegen Natalia hier, nicht wahr?", flüsterte er. "Ist sie nun endlich gehorsam mir gegenüber? Oder greift das Serum noch ihre Gehirnzellen an?" Sadistisch begann er zu grinsen.
Clints Geduldsfaden war bis auf das Äußerste gespannt und er spannte seinen Kiefer an.

"Wieso tun Sie das? Nat ist Eure Adoptivtochter!", knurrte er mit unterdrückter Wut. Er wusste, dass Ivan nur Zeit schinden wollte, musste es aber wissen.
Der Angesprochene sah ihm leicht verblüfft in die Augen. "Steht ihr euch denn nicht nah? Ich hätte damit gerechnet, dass sie dir alles erzählen würde... Nun, dann werde ich es wohl an ihrer Stelle tun müssen..."
Clint schluckte. Indirekt hatte der Russe gerade ihre Freundschaft und Beziehung in Frage gestellt.

"Natalia hatte schon immer ein Talent zum Töten und Schauspielern. Bereits mit zehn Jahren brachte sie eigenhändig ihren ersten ausgebildeten Agenten um. Es gab da nur ein Problem... Meine Tochter hatte schon immer ein starkes Verlangen nach Freiheit. Früher habe ich es ihr noch austreiben können, bis zu dem Tag, als sie die Flucht vor Hydra begann. Mein Ziel ist es seit diesem Tag, ihr dieses Bedürfniss zu nehmen. Sie darf sich nicht von irrelevanten Dingen ablenken lassen, die ihr nicht zustehen. Freiheit ist ein Luxus, den sie sich mit ihren Fähigkeiten nicht leisten kann."

Das ist doch krank, schoss es Clint durch den Kopf. Jeder Mensch hatte das Recht auf Freiheit!
Auch wenn er innerlich kochte, ignorierte er die Erklärung Ivans einfach und lehnte sich wieder bedrohlich zu ihm herunter. Sicherlich war in seinen Augen nur noch absolute Kälte zu sehen.

"Ich will Nat retten. Geben Sie mir das Gegenmittel."
Der Russe lachte spöttisch.
"Sie retten? Natalia ist schon längst verloren. Wenn du die Droge in diesem Stadium der Zellausbreitung neutralisiert, wird sie an Gedächtnisschwund leiden. In allen mir bekannten Fällen beobachtete ich die Symptome der Amnesie."

Clint zögerte nicht lange. Wenn sie sich nicht an ihn erinnern sollte, war ihm das lieber, als den Rest seines Lebens gegen sie kämpfen zu müssen. Natasha sollte sie selbst sein, nicht irgend eine beeinflusste Version von ihr.

"Gib. Mir. Das. Gegenmittel.", gab er in einer bedrohlichen Stimmlage von sich.
"Wo ist es?!"
Er drückte das Messer so nah an den Hals des Mannes, das dieser zu röcheln begann.
"In der Schublade.", hustete der Mann und deutete kraftlos neben das Bett, auf eine kleine Kommode.

Clint ließ von Petrovitch ab und nahm eine kleine Phiole mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus dem Fach.
"Solltest du lügen, werde ich dich höchstpersönlich umbringen."

Shit. Leute, ich glaube, es wird kein Happy Ending geben... Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass ich das auch nicht will, aber es passt einfach am besten in die Timeline. 😢💔
Ich hatte gerade eine so gute Idee für ein Sad Ending. Natürlich leben dann beide noch, aber es wird sehr traurig werden. Ich entschuldige mich also schon einmal im Voraus. 🙇😿

Clintasha- Mission BudapestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt