Ethan ist nicht glücklich

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„Morgen... hast du die Hill gut überlebt?" Die erste Stunde des Montags war überstanden. Ethan war aus dem Schwarm vorbeieilender Schüler aufgetaucht und begrüßte ihn ungewohnt jovial, und Nero zuckte die Schultern.

„Passt schon." Der blonde Junge schulterte seine Tasche aufs Neue und gab sein Bestes, Nero hinterherzustolpern. Der hatte nach einer halb durchzockten Nacht noch versucht, ein wenig Antrieb aus einer Hausmischung aus Kaffee und Energydrinks zu finden, aber der Tag hatte ihn schon wieder in seinen Fängen, zerrte an seinen Nerven und ließ einen Hauch von Gereiztheit in seinem Hinterkopf aufflackern. Lärmende Kinder und Ethan machten es nicht besser.

„Jaaa..." Normalerweise hielt er sich ganz gut, aber in der vergangenen Woche hatte Nero das Gefühl, dass Ethans Selbstvertrauen zunehmend Knackse bekam. Allmählich schien der Junge darauf zu kommen, dass man ihn wie ein notwendiges Übel behandelte. Und dazu musste Nero nicht einmal ein Wort sagen – es half schon, die lockere Tonlage oder Emotionalität aus seiner Stimme fernzuhalten, und schon schien Ethan sich zu fragen, ob er irgendwas falsch gemacht hatte. Wenn das so weiterging, konnte man ja in ein oder zwei Wochen endlich ein vernünftiges Gespräch führen – und er würde nicht mehr für sämtlichen brisanten ‚Und erzähl das ja nicht Nero'-Informationen auf Jessica zurückgreifen zu müssen, auch wenn die kindliche Freude an ihrer Rolle als Tratsch-Doppelagentin zu haben schien. „Ich hatte dir am Wochenende noch geschrieben. Hast dus gelesen?"

„Überflogen.", meinte Nero ehrlich und drückte die Tür zum Biologiezimmer auf.

„Naja, wie gesagt – ich hatte Ace getroffen." Ethan stellte die Aussage in den Raum, als sollte sie ausreichen, um irgendwas in Neros Kopf klingeln zu lassen. Er hob die Brauen und begann, mit Ethan im Schlepptau zu seinem Platz zu schlendern.

„Welcher war Ace nochmal?" Ethan seufzte, vermutlich auch nur, weil er ahnte, dass es keinen Zweck hatte, sich über Neros Namensgedächtnis aufzuregen.

„Man, komm schon... blaue Haare, bisschen Emo, mit Sicherheit ne Schwuchtel? ... Dir ist klar, dass sein echter Name nicht Fuckface ist, ja?"

„Das glaube ich erst, wenn ers mir schriftlich vorlegen kann." Nero ließ sich auf seinen Platz sinken und hob seinen Rucksack auf seinen Tisch. „Aber ja, sagt mir was... Dir ist klar, dass der wahrscheinlich heterosexueller ist als du?"

Ethan ließ sich am nächsten Tisch wieder und hob die Hand, als er irgendwen an der Tür erkannte. „Was? Ace? Niemals. Schau ihn dir doch nur mal an. Ich meine, der ist so..." Ethan hob die Hand und ließ sie vage in der Luft herumschwingen, in einer undeutbaren Vergestikulierung der Grenzen zwischen sexuellen Ausrichtungen und der Körperstatur, die man brauchte, um auf der einen oder der anderen Seite eingeordnet zu werden.

„Tue ich." Nero rutschte nach vorne, als Jessica sich an ihm vorbeidrängelte, um zu ihrem Freund zu huschen. Sie schenkte Nero einen kurzen, verstohlenen Blick, ehe sie sich von Ethan küssen ließ und auf ihren Stuhl setzte. „Er ist einer, der in der Umkleide halt jedes Mal so dasteht..." Nero zog die Schultern verkrampft ein und setzte einen verbissenen Gesichtsausdruck auf, zu kurzen Demonstrationszwecken, ehe er sich schon wieder zurücksinken ließ. Es war nicht ganz leicht, einen Ace-Tonfall zu treffen, weil der ja nach Situation zwischen kühl und desinteressiert oder kühl und jämmerlich schwankte, aber er gab sein Bestes. „Ew. Ewww. Augen zu und durch. Da sind fremde Leute mit Penissen, aber wenn du sie nicht sehen kannst, dann sehen sie dich auch nicht. Es ist solange no homo, wie du ihre Existenz ignorierst... Und du läufst vorbei und fragst dich, was bei dem Jungen schiefgelaufen ist."

„Manchmal frage ich mich das bei dir auch.", tönte zu seiner Seite, und er sah auf, während Angel sich setzte und selbstbewusst in die Runde grinste. Nero lehnte sich zurück.

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now