Schlussstrich (2)

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Es brauchte ungefähr zwei Sekunden, bis ihm durch seinen Schleier aus Wut hindurch klar wurde, wie unglaublich bescheuert das war. Einmal abgesehen von all den Schwierigkeiten, in die ihn das bringen würde, war er niemand, der Menschen wehtun wollte. Nicht einmal diesem Menschen. Nicht einmal –

Der Körper unter ihm bewegte sich, und Aces Fähigkeit, klare Gedanken zu formen, setzte kurzzeitig aus.

Er stand da wie ein erstarrtes Tier im Scheinwerferlicht, lauschte dumpfen Grollen, sah zu, wie Neros Hände fahrig nach oben tasteten und sich der ganze Körper anspannte, sobald sie das Kissen erreichten. Die nächste Sekunde schien sich vor ihm zu dehnen wie zäher Kaugummi, und Ace war immer noch nicht auf den Gedanken gekommen, sich überhaupt zu bewegen, als sich die Hände unerwartet kräftig um seine Unterarme schlossen und Nero ihn mit einem Ruck nach vorne riss. Ace konnte den stechenden Schmerz spüren, als sein Schienbein im Fallen gegen den Bettrahmen krachte, und das Gebilde quietschte protestierend, während sein Kopf noch verarbeiten wollte, warum der Bettbezug auf einmal so nahe gekommen war, dass er sein ganzes Blickfeld ausblendete.

Er zappelte, versuchte sich aufzurichten, und im selben Moment wurde er auf die Matratze zurückgedrückt, während jemand seinen Arm nach oben drehte. Diesmal war Ace froh über all die Wut, die in ihm tobte. Solange er wütend war, musste er keine Angst haben vor den Gedanken, wie sehr Nero ihm diesmal wehtun würde.

Ace atmete hastig, hasserfüllt, bebend, und seine Tränen schmierten über das Laken, während sein Körper und Geist sich wie ein Schlachtfeld anfühlten. Nach einigen Sekunden lockerte sich Neros Griff. Der Junge, der gerade noch dicht über ihm geschnauft hatte, schien sich aufzurichten, ohne wirklich loszulassen. Aces Arm war immer noch den Rücken heraufgedreht, und Neros andere Hand drückte seine Schultern nach unten, aber der Schmerz drang nur am Rande zu ihm. Vielmehr wurde Ace die Wärme der fremden Haut bewusst, die gegen seine Haut brannte, und der bloße Gedanke wollte ihn unwillkürlich abstoßen.

Er versuchte sich unter dem Griff hervorzuwälzen. Das Bett ließ wenig Platz für Bewegung, und nur die Tatsache, dass Nero seine Abneigung gegen Nähe gerade zu teilen schien, gab Ace die Möglichkeit, unvermittelt zu strampeln und sich zu winden. Er kam wenige Zentimeter weit, als Nero seinen Arm wieder nach oben schob und Ace in einer Mischung aus Fluchen und Wimmern auf die Matratze zurücksackte. Soviel zu seinen Fluchtversuchen. Er schnaufte und ließ den Kopf erschöpft auf das Laken sinken, während er den Blick des größeren Jungen suchte. Wie war das gleich, Para konnte keine Gefühle wahrnehmen? Nun, Ace hatte eine ganze Menge davon, und für den Anfang hatte er nichts dagegen, ihm zu zeigen, wie Hass aussah.

Einen Moment lang begegneten sich ihre Blicke, während Aces Brustkorb sich immer noch hektisch hob und senkte. Mit einer Mischung aus Abscheu, Verzweiflung und dem Beigeschmack jahrelanger Demütigung blickte er hinauf in braune Augen, in denen sich gar nichts regte, wo hinter ein wenig Farbe und Lichtreflexen nur noch Dunkelheit zu herrschen schien. Hilflose Wut brandete bis in seine Kehle. Ace biss die Zähne zusammen, und ihre Stille schien sich unangenehm in die Länge zu ziehen, bis Nero das Schweigen brach.

„Tja, eh... fünf für die Idee, und... einen Mitleidspunkt für die Ausführung?"

Die Worte klangen trocken, aber Ace machte sich keine Illusionen, wie viel Wut dahinter gerade verborgen sein mochte. Im Klassenzimmer hatte Neros Miene schließlich auch nichts preisgegeben. Aces Mundwinkel zuckten, mehr grimmig als belustigt, und er versuchte zu blinzeln, als er wieder die Tränen an seinen Augenwinkeln aufquellen spürte. So sehr er sich auch zwingen wollte, ruhig zu sein, hing das Beben in jedem seiner Atemzüge.

Natürlich wusste er, dass er das bereuen würde. Vielleicht jetzt, vielleicht im Laufe des heutigen Tages, aber ihm war klar, dass es nicht nur bei ein paar drohenden Blicken und verdrehten Armen bleiben würde. Nicht nach dieser Aktion. Aber Ace war zu wütend für Panik, und in dieser Sekunde gefiel es ihm, Nero einen Teil von dem vermitteln zu können, was in ihm vorging.

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now