Ace ist ein mieser Geheimniswahrer (2)

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Brendas Atem flog in Stößen. Die Luft war klar und kühl, und schwacher Tau lag auf dem Laub zu ihren Füßen und drohte, sie ein paar Mal straucheln zu lassen. Durchhalten, beschwor sie sich. Du hast dir das vorgenommen, also zieh es jetzt auch durch! Es hätte sie nicht gewundert, wenn ihr Atem in Dampfwolken aus ihrem Mund gestoben wäre, aber dafür war es wohl noch nicht kalt genug.

Es war schwer, sich zu konzentrieren, weil in etwas Abstand vor ihr – mal kürzer und mal länger, je nachdem, wie sehr er auf ihr Tempo zurückfiel – ihr Trainingspartner joggte. Brenda war, als würde es sie geradezu physische Anstrengung kosten, ihm nicht zu unverhohlen auf Rücken oder Hintern zu starren. Sportliche, gutaussehende Kerle waren doch einfach nur unfair. Als sie gerade noch versuchte, sich wieder zur Ruhe zu rufen, machte ihr der Waldboden einen Strich durch die Rechnung. Die Wurzel war halb unter dem Laub verborgen, und Brenda wurde sich ihrer Existenz erst bewusst, als ihr Fuß dagegen stieß und die Schwerkraft sie nach vorne riss. Sie quietschte, schlitterte über Waldweg und Laub und konnte von Glück reden, dass sie ihre Arme schützend um den Kopf geschlungen hatte. Als Brenda blinzelte, sah sie nicht weit vor sich einen umgeknickten Baumstamm, an dem sie sich mindestens eine hübsche Beule hätte holen können.

„Brenda? Alles okay?" Es brauchte einen Moment, bis sie sich der Geräusche bewusst wurde, die auf sie einströmten, und der Schritte, die sich rasch näherten. Ihre Finger bebten, als sie sich ein paar nasse Blätter von der Wange pflückt. Dann setzte sie sich vorsichtig auf. Am linken Knie bis zum Fuß hin zog sich eine Schmutzspur über ihre Jogginghosen, und sie hatte das Gefühl, dass das Gelenk protestierte, als sie aufstehen wollte.

„Ich bin nur hingefallen. Gib mir ne Sekunde." Brenda hatte Schwierigkeiten, Devon beim Sprechen direkt ins Gesicht zu sehen. Es war immer noch ein Gesicht, in das sie seit der sechsten Klasse verschossen war, unabhängig der Tatsache, dass es sich so dermaßen weit außerhalb ihrer Liga befand, dass ihr immer noch nicht ganz klar war, warum Devon freiwillig mit ihr redete, und mit Zügen, die ihrer Meinung nach nicht perfekter sein könnten. Sie konnte Grübchen sehen, wenn Devon lachte, und Superman-Ähnlichkeit, wenn er ernst oder konzentriert wirkte, und ihr war, als hätte sie genauso gut versuchen können, über längere Zeit hinweg in die Sonne zu starren.

Brenda war sich nicht sicher, was sie hier tat. Immer noch nicht. Auf dem Papier sah die Sache so einfach aus: Sie half Devon mit dem Englischunterricht, er unterstützte sie in ihrem Ziel, ihren Körper darauf vorzubereiten, mal mehr als drei Minuten Sport hintereinander zu erleben. Aber auf dem Papier war eines, und die Realität sagte immer noch, dass Brenda nunmal sie selbst war. Das peinliche Mädchen. Das hässliche Mädchen, offiziell gewählt in einer YU.Space-Umfrage, die erst geschlossen wurde, als mehrere Lehrer drohten, dass es sonst einen Eintrag für die Verantwortlichen geben würde. Das nervige Mädchen, das keinen richtigen Anschluss fand und zuletzt in einer Gruppe von Freunden gelandet war, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, den Rest der Welt aktiv scheiße zu finden, damit sie sich nicht mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten beschäftigen mussten. Das Mädchen, dass einen Donnerstag in die Schule gekommen war, um auf dem Smartboard im Informatikraum irgendein oberflächliches sexistisches Listen-Fragespiel zu sehen, in dem man erörterte, was an welchem Mädchen sexy sein mochte. In Brendas Spalte stand ‚ihre Abwesenheit'.

Und nun war sie hier, mit Devon, der als der Trophäenfreund von Flathead High gehandelt wurde und von dem sie wusste, wie oft er mit ihrer einseitig erklärten Erzfeindin zusammenhing, und machte ihm schöne Augen? Wenn er wüsste, dass sie in ihm nicht nur den neuen Bekannten sah, mit dem man mal eben einen Lernpakt geschlossen hatte, er würde vermutlich schneller weg sein, als sie gucken könnte. In den wachen Momenten kam sie sich so dumm vor.

Noch dümmer war, wie sehr sie es mochte, in Devons Nähe zu sein.

Brenda war sich gar nicht mehr sicher, ob das nur an ihren Hormonen lag. Sicher, ein Teil von ihr wollte durchdrehen, weil sie jetzt gerade hier war, mit dem Jungen, dem sie ansonsten nur in Träumen nachgejagt hatte, der es auf perfide Weise geschafft hatte, sich einen Platz in ihrem Kopf zu sichern, nur weil er vor etlichen Jahren mal ein paar nette Worte gesagt hatte, als es kein anderer tat... aber sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass es mehr war als diese Oberflächlichkeiten. So unsinnig das auch klang, aber Devon sorgte dafür, dass sie sich sicher fühlte.

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now