Oben in den Boonies (4)

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Gott, ich habe keine Ahnung, ob du existierst, und so viel mit Religion anfangen kann ich auch nicht wirklich, aber wenn es dich gibt, dann ... bitte hol mich hier raus?

Warum Nero? Warum Nero, von allen Leuten, immer dann, wenn Ace sich einredete, dass er es schaffte, auf Abstand zu gehen und etwas Ordnung in sein Gefühlschaos zu bringen? Er hielt seine Beine umklammert, ertrug das Nass, dass ihm den Nacken herunterrann, und tat sein Bestes, die kalte Wut in seinem Bauch zu ignorieren. Warum Nero, in dem einen Moment, in dem er sich öffnen und sich jemandem anvertrauen wollte, nur damit die Welt wieder auf ihn aufmerksam wurde und sich noch einmal ein bisschen schwerer auf ihn senkte, bis er das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können?

„-und das hat sie erlaubt?"

„Sie hat uns gesagt, wir sollen mal einen Teil der Strecke abwandern, nicht, das was passiert ist und ihr irgendwo ohne Netz festhängt. Wir sind bis zum Rucksack gekommen, also ist Richard zurück, um Bescheid zu geben, und ich hab gedacht, ich guck nochmal kurz, ob ich eure Überreste in der Umgebung finde-"

„Ha-ha", brummte Katherine. „...Willst du mir damit sagen, du bist einfach auf gut Glück durch den Wald gelaufen und giltst jetzt auch als verschollen?"

„Dir ist klar, dass ihr ne Spur aus Müll und Ganzkörperabdrücken hinterlassen habt, oder? War jetzt nicht schwer." Nero sprach mit Grinsen in der Stimme, komplett Herr der Lage, und Ace konnte nicht anders, als ihn dafür zu hassen. Er selbst hatte den Kopf gesenkt, als würde es ihm helfen, sich von der Situation zu entfernen. Körperlicher Abstand schien ja nicht zu funktionieren. Ace saß eingesunken in einer Ecke ihres Unterstands, Katherine und Nero hockten in der anderen, und doch fühlte es sich so nahe an, dass Neros Worte auf Aces Haut brennen wollten. Sein Blick war hochkonzentriert auf die kleinen Rinnsale gesenkt, die der Regen in den Boden ihres Unterstands grub, als könnte ihn das von hier fortbringen. „Was die Frage von unserem Verbleib angeht... damit werden sie erstmal leben müssen. Ich hab nachgeschaut, und etwa zehn Meilen von hier ist ein Rasthof, der sich anfahren lässt. Je nachdem, wie lange ihr hier noch bleiben wollt, sollte man irgendwann mal dahin wandern und unterwegs hoffen, dass wir wieder Mobilnetz reinkriegen." Nero sprach inzwischen wieder ernster, hielt einen Moment inne, und seine nächsten Worte machten es sehr schwer für Ace, an seinen Prinzipien festzuhalten und nicht in Richtung der beiden zu schauen. „Sag mal, was für ne Art von Tuchfühlung wird das eigentlich gerade?"

„Hm? ...Rutsch mal noch etwas nach links."

„...Versuchst du gerade ernsthaft, mich als Windschutz zu nutzen?" Ace begann sich zu entspannen. Windschutz war okay. Alles andere wäre natürlich auch okay gewesen – denn warum sollte es das nicht sein, die beiden konnten tun, was immer sie wollten, mit wem sie wollten, es war nicht, als würde er da auch nur einen Gedanken daran verschwenden. Wenn er eifersüchtig war, dann höchstens auf Katherines Unverfrorenheit, oder die Tatsache, dass es ihr nichts ausmachte, fremde Körper als platonische Wärmequelle zu nutzen, während er hier saß, dem stillen Klappern seiner Zähne lauschte und ungezielten Zorn auf die ganze Welt spürte.

Er beobachtete gerade noch, wie zwei Waldameisen versuchten, sich in ihrer persönlichen Apokalypse zu behaupten, als sich ein Gewicht auf seinen Kopf und Dunkelheit über seine Augen senkte. Ace blinzelte. Ungelenk zerrte er sich den Stoff vom Gesicht und blickte auf, nur um es im selben Moment wieder zu bereuen, als er Neros Blick auf sich ruhen sah.

„Zieh dir was an." Inzwischen war Ace soweit, dass er den schweren Stoff als Jacke identifizieren konnte, aber dennoch...

„...Nein?"

„Ich hab nicht vor, darüber zu verhandeln. Zieh dir was an, oder du schläfst heute Abend draußen, weil ich keinen Bock habe, mir die ganze Nacht dein Gehuste zu geben, wenn du dir ne Erkältung einfängst." Ace zog die Brauen zusammen. Katherine erwies sich als äußerst unhilfreich, denn statt sich rettend auf seine Seite zu schlagen, schienen ihre Augen nur neugierig zwischen ihnen beiden umherzuwandern. Und so, wie er Nero kannte, würde der seine Drohung wahrscheinlich wahrmachen.

The Games We Play (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt