Oben in den Boonies (3)

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"Hast du wirklich Höhenangst?"

"Nö, ich hatte nur keine Lust auf die anderen." Katherine versuchte, nicht zu überrascht über diese glückliche Fügung auszusehen, während sie den Jungen von der Seite musterte. Im selben Moment fügte Ace hinzu: "Außerdem hatte ich den Eindruck, dass du den anderen Weg auch nicht mochtest, und so hatten wir beide eine Möglichkeit, da wegzukommen." Oh. Womöglich sah Ace mehr, als ihr bewusst war. Und sie hatte ihn bis jetzt für jemanden gehalten, der größtenteils in seiner eigenen Welt lebte. Sie warf ihm noch einen Blick aus den Augenwinkeln zu, aber er trottete so verträumt und mit abwesendem Blick vor sich her, dass die Worte auch nur dahergesagt sein konnten.

"Tja... umso besser. Jetzt haben wir das alles für uns." Katherine hob die Arme ein Stück, über den Pfad, der sich vor ihnen durch Wald und Felsen schlängelte. Sobald sie merkte, dass Ace den vorgetäuschten Enthusiasmus nicht zu teilen wusste, ließ sie die Hände auch schon wieder sinken und vergrub sie in den Taschen ihrer Strickjacke. Sie hörte Windrauschen, und Vogelgezwitscher, und dazwischen drückende Stille. Katherine seufzte innerlich und wünschte sich zurück ins Camp. Ja, ihre Familie wanderte viel – nur ohne Katherine. Sie war mit den Annehmlichkeiten der Stadt großgeworden, und ein paar unschöne Erlebnisse, die sie als kleines Kind bei einem Nationalpark-Ausflug gemacht hatte, sorgten dafür, dass sie lieber einen großen Bogen um alles Grün machte. Natur war gruselig. Und diese Schwäche zuzugeben war genauso gruselig. Selbst Imogen hatte kichern müssen, als sie erfuhr, dass ‚Rettet die Tiere und erhaltet die Wälder!'-Advokatin Katherine freiwillig selten Fuß in eben jene setzte.

"...Aber ehrlich, so schlimm sind die anderen auch nicht. Wenn du ihnen eine Chance gibst, dich kennenzulernen, dann würdest du das vielleicht auch so sehen", fügte sie als Stimme der Vernunft hinzu, als die Stille anzudauern begann.

"...Nero?"

"Okay. Außer der", gab Katherine zu. Sie konnte nicht vermeiden zu grinsen.

"Und all die Leute, die sich an Nero ranschmeißen, jetzt, wo er einmal seinen anderen Schwarm von Freunden nicht dabei hat?"

"Aber das sind auch nicht soo viele!", versuchte Katherine einzuwenden. "Ich meine, ich weiß, worauf du hinauswillst, aber man muss ja nicht immer alles so pessimistisch sehen." Sie erntete gehobene Brauen und beschloss, dass sie gerade nicht in der Stimmung war, Aces deprimierende Sicht auf die Welt im Allgemeinen und Highschool im Besonderen zu hören. Zeit für fröhlichere Themen, die nichts zu tun hatten mit bedrohlichen tiefen Wäldern. „...Sag mal, wie geht's eigentlich deinem Onlinefreund?" Ace guckte sie an, als hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt. Sie räusperte sich unbehaglich. "...Nicht so gut?"

"Einfach nicht drüber reden. Bitte." Katherine lächelte breit und starb innerlich kleine Tode. Zum einen, weil sie sich fragte, welches Thema bei Ace eigentlich kein Fettnäpfchen darstellen mochte, und zum anderen, weil sie glaubte, ein Zittern in seiner Stimme hören zu können. Was immer los war, es schien Ace wirklich mitzunehmen, und sie bezweifelte, dass sie ihm helfen konnte. Sie hatte schon oftmals durch die Blume gehört, dass ihre Fähigkeiten als Trösterin bestenfalls mangelhaft waren. In Ermangelung eines geschickten Themawechsels ließ Katherine das Gespräch absterben musterte Ace mit leiser Sorge.

Die Kapuze hatte er wieder tief ins Gesicht geschoben. Wirre weiße Strähnen stachen darunter in alle Richtungen hervor und bildeten einen unordentlichen Kranz um sein Gesicht. Seine Nase war gerötet, und er hatte diesen grimmigen, subtil schmollenden Ausdruck im Gesicht, den sie seit Beginn der Highschool von Ace kannte. Nur die Zusammentreffen außerhalb der Schule hatten den Eindruck erweckt, dass das womöglich gar nicht seine Original-Miene war und er bisweilen auch normal gucken konnte, oder gar lächeln.

The Games We Play (BoyxBoy)Where stories live. Discover now