Kapitel 8

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Die nächsten Tage versuchte Chan wieder dem Jungen mit dem Einkaufszettel anzutreffen, doch er war nicht da. Vielleicht war es nur ein Zufall gewesen, dass er dieses eine Mal im Supermarkt war. Hatte bestimmt nur ausgeholfen. Am vierten Tag, es war ein Samstag, sah er ihn aber wieder und Chan musste kurzerhand nervös lächeln, als er das Gesicht des Jungens sah. Eigentlich sollte er sich fragen, wieso der Junge an einem Samstag arbeitete doch da war nur eine Sache, die er unbedingt von ihm wissen wollte: Wie er herausgefunden hatte, dass Chan sich umbringen wollte. Um nicht leer an die Kasse zu stehen, denn das würde dumm aussehen, nahm Chan irgendeinen Schokoriegel aus dem Regal und stellte sich an. Am Wochenende waren viel mehr Leute im Supermarkt und so musste Chan länger warten als damals, wo er den Jungen zum ersten Mal gesehen hatte.

Als der Junge mit der Narbe Chan erkannte, glitzerten seine Augen. Er war froh, dass der Junge seinen Rat befolgt hatte und sich nicht umgebracht hatte, dass er jetzt vor ihm stand, auch wenn er sehr nervös aussah und am liebsten abhauen wollte. Er war noch am Leben und das zählte. „Hallo", begrüßte ihn der Junge. Chan legte den Schokoriegel auf die Theke und schaute den Jungen in die Augen. „Kann ich...dich was fragen?", kam es schon fast schüchtern von Chan. Er biss sich auf die Unterlippe, war nervös. „Ja, klar, Schieß' los." Der Junge scannte den Schokoriegel ein. Chan schaute sich um, die Leute warten sicher schon, dass er selber mit seinem mickrigen Einkauf fertig wurde. Er beugte sich etwas nach vorne, damit er besser seine Frage zu dem Jungen zuflüstern konnte. „Wieso wusstest du.....das sich....du weißt schon....deine Nachricht auf dem Zettel." Der Junge verstand es sofort, was der Fremde meinte. „Das habe ich an deinen Augen und an deinem Fakelächeln gesehen". Er reichte Chan den Schokoriegel. Chan machte die Augen groß, sodass er aussah, wie ein Reh. Ernst blickte er den Jungen drein. „ Wirklich?". Der Junge lächelte„Und wie ich sehe, brauchst du jemanden zum Reden, oder? Sonst würdest du nicht zu mir zurückkommen". Der Junge kann es nicht ertragen, wenn es jemanden schlecht geht, deswegen hatte er die Nachricht erst erfasst. Heutzutage sind nicht viele Leute offen für solche Sachen, Selbstmord wird nach wie vor unter dem Teppich gekehrt und lieber ignoriert, was ein fataler Fehler für die Betroffenen ist und Chan ist so jemand. Eine kaputte Seele, die sich vor der Menschheit und deren Aussage versteckt.

Hyunjin kannte es so gut.

Chan gab ihm schweigend das Geld. Er wusste nicht, was er erwidern konnte, denn der Junge konnte seine Gedanken lesen. Chan brauchte wirklich jemanden, den er anvertrauen kann, dass er jeden Tag sterben wollte und an nichts anderes mehr denken konnte. Dass dieses Thema sein drecks Leben eingenommen hatte und Chan fertig machte. Jemand der ihn am besten nicht kannte, der nicht traurig sein würde, wenn er sich umbringen wollte. Die Leute hinter Chan fingen an zu Grummeln und stupsten Chan an, weil sie langsam ungeduldig wurden. Sicher mussten sie schnell ihren Einkauf erledigen. „Ich bin Hyunjin und ich arbeite oft am Wochenende hier. Komm doch um 17.00, da hab ich Feierabend. Ich werde da sein,wenn du jemanden zum Reden brauchst". Chan packte den Schokoriegel ein und sagte nichts. Es war zwar sehr unhöflich aber ihm fehlten die Worte. Er wusste einfach nicht, ob er dem Jungen Glauben schenken oder einfach als Lügner abstempeln sollte. Er verabschiedete sich und ging.

Da heute Samstag war, musste er auch nicht in die Schule und das machte Chan froh. Das bedeutete, dass er das ganze Wochenende nicht verletzt wird. Den Selbsthass würde er nicht abstellen können aber dafür konnte er eine Auszeit von dem Hass seiner Mitschüler machen. Vor allem konnte er endlich den ganzen Tag im Bett liegen und Musik hören. Etwas, dass er jedes Wochenende machte. Eigentlich etwas total schönes, während da diese Gedanken nicht, die die Aktivität zu etwas Traurigen machte. Sobald Chan zuhause war, ging er hoch in sein Zimmer und legte sich ins Bett, holte sein Handy und lies Musik abspielen. „Du bist lächerlich, weißt du das?", fragte er sich selber. Er wusste es, wieso stellte er sich dann die Frage? Wollte er die Klang seiner Stimme hören, die nur die Wahrheit aussprach? Wollte er einfach nur bestätigt bekommen, dass er ein Freak ist? Gitarrenklänge an Chans Ohr, braune Augen, die an die Decke starrte. Chan dachte an das Bleichmittel nach, das immer noch in seinem Rucksack versteckt war. Er würde es bald benutzen, das fühlte er tief in sich drinnen. Bald würde er die ganze Last nicht mehr aushalten können. Er gab dem ganzen noch eine Woche, dann würde er sich das Leben nehmen.

„Chan?". Ein Klopfen an der Tür. Sein Bruder Lucas. „Kannst ruhig rein kommen", sagte Chan und stellte die Musik ab. Sein kleiner Bruder kam rein. „Was machst du so?", während er den Stuhl in Chans Zimmer anvisierte. Er wollte sich hin sitzen. „Siehst du doch...chillen". Chan lächelte.„Ist das nicht langweilig?" Der blonde Australier richtete sich auf. „Nein, ist es nicht". In anderen Augen würde es langweilig sein, nichts zu tun und einfach nur Musik zu hören, aber nicht wenn man diese dunklen Gedanken hat. Dann ist es nie langweilig, denn das Gehirn muss alles verarbeiten und Fragen beantworten, die man sich stellte. Fragen, auf die man eigentlich keine Antworten hat. „Es ist Wochenenden. Da hängt man doch mit Freunden hab aber du bist immer nur in deinem Zimmer". Lucas setzte sich auf Chans Schreibtischstuhl. „Ach, weißt du? Ich verbringe gerne meine Zeit Zuhause." Lucas musterte seinen großen Bruder. „Hast du überhaupt Freunde?". Chans Lächeln erstarb,aber nur für eine Weile. Er darf seinem Bruder nicht zeigen, dass er gerade die Wahrheit aussprach.

Cry for me, Chan (Hyunchan FF)Where stories live. Discover now