Kapitel 31

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Bloß keine Zeit verlieren. Hyunjin musste jetzt zu Chan. Es war schon früher Abend. Er schrieb schnell eine Nachricht an seine Tante, die wie Hyunjin am Samstag arbeitete. Hyunjin rannte zur Bushaltestelle und verfluchte dem Bus, weil er so spät kam. Sekunden können zählen. Vor allem wenn sein Herz am zerbrechen ist. Er war immer noch traurig, weil Chan nichts mehr von ihm hören wollte, obwohl alles so schön war, doch er durfte sich nicht deswegen verunsichern lassen.

Später erreichte er endlich Chans Haus und klingelte. Es war so ruhig hier. Chans kleine Schwester machte die Tür auf. „Hallo Hyunjin. Willst du zu Chan?".„Ja, darf ich?". Hannas Miene wurde ernst. „Chan hat mir gesagt, ich soll dir nicht aufmachen. Sorry, Hyunjin. Ich verstehe nicht, wieso mein Bruder das will." Chan will ihn wirklich nicht mehr sehen. Hyunjins Herz zerbrach weiter. Nein, es darf hier nicht aufhören. Er musste unbedingt zu Chan. „Bitte, Hannah. Lass mich rein", flehte er das kleine Mädchen an. „Ich muss zu ihm". Hannah sah, wie der schwarzhaarige Junge bettelte, um zu ihrem großen Bruder zu kommen. Hyunjin sah so traurig aus, wie Chan damals bevor er den 'Schwächeanfall' hatte. Das konnte sie doch nicht einfach ignorieren. Wer weiß. Vielleicht ging es Hyunjin auch nicht so gut? Vielleicht hat er sich mit Chan gestritten und will sich bei ihm entschuldigen? „Okay, ich lasse dich rein." „Danke, Hannah".

Während er zu Chans Zimmer lief, bemerkte er, dass es richtig still hier ist. Sogar Berry bellte nicht, als er an Hyunjin schnupperte. Hyunjin hat bisher nur Hannah gesehen. Chans Eltern mussten sicherlich irgendwo hingegangen sein. Samstagabend ist eine Zeit, in der Leute ausgehen und Chan kann ja auf seine Geschwister aufpassen. Hyunjin stand vor der Tür seines Exfreundes. Exfreund. Wie weh das tut. Als würde es kein Zurück geben, keine Zeit mehr zusammen. „Chan?", fragte er sanft und klopfte, bevor er rein ging. Chan hat ihn zwar nicht erlaubt zu ihm zu kommen, aber Hyunjin konnte es nicht akzeptieren. Er muss Chan doch helfen. Er schafft es nicht alleine. Alleine würde er sterben. Er sah den hübschen Jungen an seinem Schreibtisch, wie er lernte. „Geh, Hyunjin. Bitte". Hyunjin blieb stehen. Chans Stimme war kalt. Eisig. „Jagiya.....". Hyunjin verstummte. Sein Kopf war voller Sätze, die er Chan erzählen wollte aber waren sie richtig? Hyunjin konnte mit jedem Wort, das er aussprach etwas in Chan auslösen, Chans Selbsthass nur noch mehr anstacheln. „Willst du wissen, wieso ich diese Narbe am Hals hab?" Chan hat nie so richtig darüber nach gedacht. Bestimmt war das ein Unfall oder so gewesen. Die Narbe war groß. Es musste ein schlimmer Unfall gewesen sein. Hyunjin lief zu Chan und legte seine Hand auf seine Schulter.

„Ich hab versucht mich umzubringen".

Chan wurde hellhörig. Hyunjin wollte sterben? Nein, das kann nicht sein. Nicht Hyunjin. Nicht Hyunjin, der immer wie die Sonne selbst strahlte. Nicht mit diesem Lächeln. Nicht mit diesem Optimismus. Das passte nicht zusammen. „Ich hab versucht mir die Kehle durchzuschneiden und hab es fast geschafft....am Ende hab ich es doch überlebt." Chan drehte den Kopf zu ihm. „Wieso?". „Weil mich niemand geliebt hat. Weißt du, ich hab keine so wundervolle Familie wie du. Mein Vater hat sich nach meiner Geburt verpisst und meine Mutter....sie ist psychisch krank. Immer wenn sie einen Anfall hatte musste ich es aushalten....ich hab immer gedacht, es würde irgendwann aufhören aber es hörte nie auf. Ich liebe sie aber ob sie mich je geliebt hat....ich weiß nicht. Ich frage mich was aus ihr geworden ist...und ich hab immer nur Daehwi gehabt aber er konnte die Trauer und die Selbstmordgedanken nicht aus mir raus treiben....naja, jetzt kennst du die Wahrheit." Chan hat mit sowas nicht gerechnet. Er dachte Hyunjin war beliebt und verstand sich mit allen richtig gut. In Wahrheit war er alleine und hatte nicht mal Eltern, die ihn wirklich liebten. Man sollte das Buch nie nach den Cover beurteilen, doch Menschen machen das trotzdem. Sie wollen nie das Innere sehen, wenn das Äußere schon Bände spricht. Sie haben nicht mal Angst, sie handeln aus reiner Arroganz und Stolz. Niemand will die Menschen so kennen lernen, wie sie sind, das bedeutet doch nur Arbeit und Vertrauen. Chan hat es tatsächlich gemacht. Er wollte nicht einsehen, dass Huynjin ein anderer Mensch war, als er dachte. Eigentlich hat er es sich auch nicht vorstellen können,dass Hyunjin, mal selbstmordgefährdet war. Hyunjin hat auch nie darüber geredet. Wieso hat er dieses kleine Detail von ihm verheimlicht? Es war wichtig und doch wollte Hyunjin nie, dass Chan es erfährt.

„Und ich hab mich geritzt. Nicht so leicht wie du am Schlüsselbein sondern richtig.... schlimm". Er zupfte an seinem hellblauen, weiten Hemd, dass sich locker um sein Körper schmiegte. Langsam zog Hyunjin das Kleidungsstück nach oben und entblößte große Narben, die sich um seine beiden Hüften schlängelten. Hyunjin hat sich dort richtig tief geschnitten, denn die Narben fielen sofort auf. Dicke, hässliche Narben, für die sich Hyunjin bis heute hasste. Doch er war auch ein wenig stolz, er hat es alleine raus geschafft und die Narben eine Erinnerung an eine dunkle Zeit, die er erfolgreich hinter sich gelassen hatte. Hyunjin vermied wegen den Narben jedes Schwimmbad. Auch wenn Daehwi ihn Mut zusprach und sagte, dass es nicht schlimm ist, wollte Hyunjin nicht, dass irgendjemand die Narben sieht.

Cry for me, Chan (Hyunchan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt