Kapitel 12

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Chan lächelte trotzdem. Lächelte, weil er nichts anderes kannte, als seine Emotionen auszutricksen. Er hatte seit Jahren nicht mehr geweint, hatte es immer verhindern können, indem er lächelte. Chan war gut darin. Lächeln, während alles in ihm zerbrach. So tun als würde es ihm gut gehen, obwohl er am liebsten tot sein wollte. „Chan...bitte", sagte Hyunjin sanft. „Es ist okay, du musst nicht mehr so tun. Lass es raus." Chans Lächeln verstummte, er horchte in sich rein, spürte das Brennen in den Augen, Hyunjins sanfte Berührungen, wie er sein blondes Haar streichelte. Es war so surreal für ihn. Da umarmte ihn ein völlig Fremder inmitten von Leuten, die er ebenfalls alle nicht kannte in einer Gegend, die nicht sein vertrautes Zuhause war. Er sollte weiterhin Angst haben, denn Hyunjin hatte ihn schon zweimal in den Arm genommen, obwohl er ihn gefühlt erst ein paar Tagen kannte und kaum mit ihm Wörter ausgetauscht hatte und trotzdem beruhigte ihn Hyunjin. Er nahm ihm die Angst und wärmte ihn mit Zuneigung, die er noch nie in der Form gespürt hatte. Hyunjin legte Chans Arme um ihn.

Die erste Träne rann ihn über die Wange. Er wollte nicht mehr lächeln, würde auf Hyunjin hören und für ihn weinen. Als Hyunjin sah, dass Chan endlich weinte, lächelte er sanft während er sich weiter an ihn schmiegte. Immer mehr Tränen verließen Chans braune Augen und sein Körper bebte langsam. „So ist es gut, Chan", redete Hyunjin sanft auf ihn ein. Chan konnte jetzt nichts mehr aufhalten. Er weinte alles raus, was er so viele Jahre in sich aufgestaut hatte. Sein ganzer Körper bebte und er schluchzte an Hyunjins Schulter. Seine Tränen machten Hyunjins Pulli ganz nass aber das störte den schwarzhaarigen gar nicht. Er war glücklich. Glücklich, weil Chan endlich weinte. Sanft strich er über Chans zitternden Körper und wartete, bis sein Weinen langsam weniger wurde und dann komplett aufhörte. Nur noch die angeschwollenen roten Augen verrieten ihn, dass er geweint hatte.

„Und geht es dir besser?", fragte ihn Hyunjin, während Chan sich an Hyunjin klammerte. Chan nickte leicht. „Danke...Hyunjin".Er war froh, dass es Chan besser geht. Langsam löste Chan sich aus der Umarmung,weil er schon viel zu lange in Hyunjins Armen lag. Zu lange wäre ein bisschen zu viel.Chan wischte sich über die verweinten Augen und versuchte zu lächeln, doch es klappte nicht. Zum ersten Mal wollte sein Herz nicht das machen, was sein Gehirn von ihm verlangte. Sein Herz hatte genug von Chans Spielen. Vor allem nicht, nachdem Chan seine Gefühle raus gelassen hatte. „Also, sollen wir jetzt ein bisschen herumlaufen?", fragte Hyunjin ihn, nachdem sich Chan beruhigt hatte. „Mir...egal...", kam es von den blonden Australier. „Dann komm". Hyunjin war extrem anhänglich, denn er berührte immerwieder Chans Arm, als würde er gerne seine Hand um Chans Hand schließen würden. Einerseits dachte er, dass sich Chan dadurch mehr beruhigen konnte. Anderseits dachte er, so eine Geste wäre viel zu viel. Was Chan  nicht wusste war, dass Hyunjin schwul war und etwas spürte, als er Chan umarmte. Etwas was nicht sein darf.

Chan würde es niemals verstehen können. Vor allem nicht, weil sie sich erst seit ein paar Tagen kannten doch Hyunjin hatte das starke Gefühl, dass Chan ihn brauchte und das wiederrum fand Hyunjin schön. Er fing an Chan wirklich zu mögen. Musterte ihn, während er neben ihn her lief. Die fluffigen blonden gefärbten Haare. Die sanften, aber traurigen Augen. Die Narben an seinen Schlüsselbein. Ja, er hatte sie gesehen, als er Chan an sich gedrückt hatte. Die Ordnung in den einzelnen Schnitten können nicht von einem Unfall stammen. Sie müssen gewollt sein. Chan hatte sich dort geritzt. Bestimmt hatte er sich woanders auch geritzt und Hyunjin wollte einfach nur wissen, wo sich der hübsche Junge sonst noch verletzt hatte. „Hast du das Bleichmittel weggeschmissen?", erkundigte sich Hyunjin bei Chan. „Nein", sagte er ehrlich. Er wollte Hyunjin nicht nochmal anlügen, erschien es auch zu merken, wenn er ihn anlog. „Wieso nicht?", fragte Hyunjin traurig. Er wusste, dass Chan sich auf jeden Fall nochmal umbringen wollte. „Du weißt...wieso". Hyunjin nahm jetzt einfach Chans Hand in seine. "Und das werde ich nicht zulassen,Chan". Sanft streichelte er Chans Handrücken mit seinem Daumen. „Du kannst mich aber nicht aufhalten...", sagte Chan leise. „Aber ich hab dich gestern aufgehalten",erinnerte Hyunjin ihn. Chan schüttelte den Kopf. „Ich hab daran gedacht, aber nicht versucht".Das ist ja noch besser! Hyunjin strahlte Chan an. Er war mehr als stolz auf ihn. „Aber trotzdem....hab ich was böses gemacht", gestand Chan und ihm war egal, ob Hyunjin seine Hand hielt und sie dabei wie ein schwules Pärchen aussah. Hauptsache er bekam etwas Zuneigung.

Er kannte Hyunjin zu wenig, deswegen traute er sich auch von seine selbstverletzendem Verhalten zu erzählen. „Ich hab mich......". „Geritzt?" Chan schüttelte den Kopf. „Geschlagen?". Langsam nickte der Australier. Sofort hörte das Strahlen in Hyunjins Augen auf. „Bitte mach das nicht.Dein Körper kann nichts dafür." „Doch". Hyunjin schmiegte sich an Chan. Stellte sich vor, wo er sich über alle verprügelt hatte. Hyunjin tat es weh, daran zu denken. „Nein...seit wann machst du das?" Chan zuckte mit den Schultern. „Schon lange denke ich". Das machte Hyunjin noch trauriger. Hyunjin drückte Chans Hand fester. „Kannst du mir was versprechen, Chan?" Chan schaute ihn an. „Was denn?". „Wenn du den Wunsch hast, dich selber zu schlagen, dann ruf mich an. Egal wann." So nett Hyunjin war,wollte Chan das nicht. Er liebte das Taubheitsgefühl, nachdem er sich blau geschlagen hatte, das Blut, dass aus seiner Nase floss, der pochende Schmerz über seinen ganzen Körper. Chan würde nicht einfach so aufhören können.

Cry for me, Chan (Hyunchan FF)Where stories live. Discover now