Emotionen - ja, nein, vielleicht?

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Ich hatte den Jet auf ‚Autopilot' gestellt und hielt den Brief zwischen meinen bebenden Fingern. Seit sieben Jahren hatte ich die Schrift meiner Mom nicht gesehen... Und hatte eigentlich auch nicht vorgehabt, das jemals wieder zu tun.
Ich war nicht begeistert von ‚allen Registern'.
Aber hier ging es nicht um mich, sondern um die Hälfte der Weltbevölkerung, und seufzend senkte ich meinen Blick schließlich auf die leicht verblasste Tinte.

‚Gracie, hier ist Cilia Duncan aus dem Jahr 2023.'

Das fing ja abgesehen von der liebevollen Begrüßung schon mal gut an.

‚Diese Informationen sollen dir helfen, wenn Thanos gewonnen hat.'
Danke, hatte er.

‚In meiner Zeitlinie haben die Avengers durch Zeitreisen die Infinity-Steine zurückgeholt, um die andere Hälfte zurückzubringen. Es kam erneut zum Kampf, und wir haben gewonnen, indem dein Vater sich geopfert hat.'

Plötzlich saß ich kerzengerade da.
Nicht Dad, bitte...
Nicht. Dad.

Ich würde das nicht zulassen.
Emotionen aussperren, das Problem analysieren, Dad retten.

‚Du existierst hier nicht. Ich habe dich abgetrieben. Nun bin ich zurückgereist und verändere meine Entscheidung, damit du deinen Vater rettest.'

Ich atmete tief durch. Ich verstand sie. Vielleicht hätte ich ähnlich gehandelt, an ihrer Stelle.
Er war die oberste Priorität, war es immer schon gewesen.
Dad retten.
Der Grund, warum ich lebte.
Ich war Plan B...

‚Hier alle Informationen, die dir helfen könnten und von denen ich weiß:

Beim Snap getötet wurden Scarlet Witch, Winter Soldier, Black Panther, Spiderman, Ant-Man, Falcon und Doctor Strange.

Von Thanos getötet wurde Vision in Wakanda. Black Widow überlebte den Trip in die Vergangenheit nicht. Thanos kam durch irgendeinen Fehler aus der Vergangenheit mitsamt Armee in die Gegenwart. Es kam zur finalen Schlacht, die dein Vater für sich entschied. Die Steine mussten danach wieder an ihren Ursprungsort gebracht werden.

Viel ist es nicht, aber du bist Tony Starks Tochter.

Rette ihn.
Whatever it takes.'

Ich starrte noch mehrere Sekunden auf die Schrift, dann ließ ich den Brief langsam sinken.
Und zwei Worte kamen über meine Lippen, die ich so noch nie gesagt hatte, und die ich auch nie hatte sagen wollen: „Danke, Mom."

***

Dieser Tag machte mich einfach nur fertig.
Ich kletterte aus dem Quinjet und lief wie ferngesteuert in den Gemeinschaftsraum, förmlich in Lokis Arme fallend.
Sofort umschloss er mich beruhigend und brachte uns zu einem der Sessel, mich auf seinen Schoß ziehend.
„Meine Mom hat mir Informationen hinterlassen", erklärte ich monoton.

Der Gott fragte nicht weiter nach, aber er hob mein Kinn und sah mir in die Augen.
Fast sofort fokussierte ich mich wieder, meine wirren Gedanken stoppten. Dieses unglaublich tiefe Grün...

„Deine Emotionen machen dich stark, Gracie", sagte er sanft, „Sperre sie nicht weg. Sie machen dich aus."
Meine Stimme zitterte, als ich ihm widersprach: „Sie hindern mein logisches Denken. Und das ist das einzige, womit ich helfen kann."

Loki gab mir zärtlich einen Kuss auf die Stirn. „Du hältst uns zusammen, Gracie, mit deinen Emotionen. Und deinem unglaublichen Willen... Du hast einen Dickkopf, aber wir brauchen das."
Ich atmete betont tief ein und aus, die bloße Anwesenheit des Gottes beruhigte mich schon. „Okay...", gab ich dann zögernd nach und lehnte mich in seine Finger, die über meine Schläfen getänzelt waren.
Loki war aber noch nicht fertig: „Du bist so unglaublich wichtig. Glaubst du, ohne dich wäre ich jetzt hier? Niemand hätte auch nur daran gedacht, mich bei den Avengers aufzunehmen."

„Du siehst dich noch immer als Verräter, Loki", erkannte ich.
„Und das sollten die Avengers auch", beharrte er, doch ich blickte ihn nur verärgert an. „Das ist vorbei, Loki. Du gehörst zu uns, ob du willst oder nicht – und du willst. Auf eine verquere Art und Weise hast du die Avengers sogar zusammengebracht... Ohne dich gäbe es uns als Team nicht."
Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter, und die nächsten Worte waren nicht ganz einfach für mich: „Wir sind beide wichtig, und wir sind beide gut. Es fühlt sich richtig an so, wie es gekommen ist."
Wir schwiegen kurz einvernehmlich, beide einfach nur die Anwesenheit des anderen genießend.

„Vielleicht hast du recht", räumte Loki schließlich zögernd ein, „Vielleicht habe ich meinen Platz endlich gefunden, und vielleicht kann ich auch hierbleiben. Aber dieses Team... diese Familie funktioniert nur, wenn alle vereint sind."
Ich nickte langsam, seinen Punkt endlich einsehend. „Rhodey hat mir Clints Position zugeschickt. Ich mache mich gleich wieder los."
Ich spürte, wie der Gott unter mir sich leicht anspannte und legte ihm eine Hand auf die Wange, genau wissend, was ihn bewegte. „Du musst auch diesmal hierbleiben. Clint ist nicht gut auf dich zu sprechen, meine Erfolgschancen sind so höher."
Ich war besorgt, ob er jetzt wieder in das alte ‚ich bin böse, vertraut mir nicht'-Muster zurückfiel, aber Loki nickte das nur ab. „Dann versammle ich den Rest. Es kann Wochen dauern, bis Rocket und Nebula wieder hier sind."
Und das war erstaunlich okay. Wir hatten Zeit, in dieser Hinsicht lastete gar kein Druck auf uns. So hatten wir das auch noch nicht erlebt...

Seufzend erhob ich mich, aber Lokis linker Arm an meiner Taille zog mich zurück.
„Denkst du, ich lasse dich ohne Abschied gehen?", zog er die Brauen hoch.
Augenverdrehend drückte ich rasch meinen Mund auf seinen, aber Lokis rechte Hand war an meinen Hinterkopf gewandert und hielt mich nah bei ihm.
„Plan B, Kleines, so viel habe ich schon mitbekommen", murmelte er gegen meine Lippen. Ich grinste kurz und biss frech auf seine Unterlippe, dann bewegten sie sich in friedlichem Einklang miteinander.

Ich seufzte in den Kuss und spürte auch Loki lächeln, dann lösten wir uns voneinander.
„Ich liebe dich", sagten wir unison, dann grinste der Gott und streifte mit seinen Lippen ein letztes Mal meine. „Na komm schon, Kleines, wir haben zu tun. Bist du zum Abendessen wieder da?"
Ich schmunzelte über die Banalität dieser letzten Frage und griff nach meinem Schlüsselbund auf dem Couchtisch. „Ich versuch's. Ich gebe dir zwischendrin Bescheid."

Ich würde also mit Clint Barton ein Gespräch über grüne Augen führen...

***

Morgen taucht dann Clint also endlich auf. Was meint ihr, wie könnte Gracie ihn zum Mithelfen bewegen? Nat ist schließlich tot...😉

Iron Kid ~ Plan BWhere stories live. Discover now