Ich bin der 'Devil in Disguise'... Ohne Devil und ohne Disguise

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„Wenn sie irgendwo sind, dann dort", setzte ich mich auf Berlin fest, „Zuerst einmal ist es umgekehrte Psychologie, weil ich als Deutsche zuletzt daran denken müsste. Und dort lauert eine weitere Gefahr, die wir nicht unterschätzen dürfen."
Natashas Augen blitzten, dann nickte sie knapp. „Kannst du uns Gewissheit verschaffen?"
„Das FBI arbeitet eng mit dem BND zusammen. Sie haben keine normalen Kameras dort unten, sonst hätte ich Zemo längst unter Überwachung. Vom Zentrum komme ich rein, aber nicht von außen. JFK Airport Reprise." Ich schauderte. Als ich das letzte Mal eine derartige Hack-Situation hatte, war meine beste Freundin gestorben... Aber heute würde sich das nicht wiederholen. „Ich muss da hin. Du holst Clint."

Ich konnte beobachten, wie Natashas Muskeln zuckten, aber sie zwang sich zur Ruhe. „Woher wissen wir, dass sie in einem Gefängnis festgehalten werden? Warum nicht irgendwo, wo wir sie nur schwer finden können?"
Ich zögerte, schloss kurz die Augen. „Ross... will, dass wir sie finden. Ich weiß noch nicht, warum... Aber ich finde es heraus. Und ich lege mir eine Notlösung zurecht."
Die Frau vor mir suchte nach irgendetwas in meinem Blick, und fand es wohl auch: „Dann los."

Ich öffnete hastig die Schreibtischschublade und kramte darin nach einer alten Uhr, die sich irgendwann hier wiedergefunden hatte. Mit ein paar schnellen Klicks hatte ich Clints Tracker darauf geladen und übergab sie an Natasha: „Vorsicht – Eile – Misstrauen."
Mehr brauchte es nicht.
Wir drehten beinahe synchron auf den Fersen um und stürmten Richtung Hangar.

„Oscar, aktiviere das New Kid-Programm und hinterlasse eine Aufnahme der Geschehnisse ab Ross' Anruf im Gemeinschaftsraum", befahl ich knapp, nachdem ich Quinnies Rampe hinaufgeeilt war und rasch die entsprechenden Hebel im Cockpit umlegte.

Mitsamt Jet – ohne wäre auch komisch gewesen – hob ich ab und drehte Richtung Ostküste ab.
Und meine Gedanken rasten.
Ohne einen Plan B würde ich die Aktion sofort abblasen und eher einen weltweiten Internet-crash verursachen oder eine Ablenk-Attacke auf das Weiße Haus. Es war wieder Leben in mich gekommen, den Schrecken über Ross' plötzlichen Ausbruch hatte ich überwunden.
Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und versuchte nebenbei, Natasha zu lokalisieren – mein Scheitern sah ich als Erfolg an, der Stealth-Mode funktionierte – und sagte dann wie nebenbei: „Gib mir nochmal Zemos Akte, Oscar."

Und als ich durch die holographischen Dateien blätterte, formte sich tatsächlich ein Plan B in meinem Kopf...
„Öffne zwei neue Ordner im Schnellzugriff. Ich brauche zuerst die Außenaufnahmen des Hauptgebäudes von vor drei Tagen. Der Haupteingang, bitte, vormittags. Zusätzlich die Kamerabilder aus dem Gemeinschaftsraum einige Stunden später. Im zweiten Ordner legst du bitte Bilder von Zemos Familie an. Vater, Frau und Sohn... Zeig sie mir mal."
S.H.I.E.L.D. hatte natürlich Akten der Zemos, und wegen des Verbrecherstatus' waren auch einige Bilder verfügbar. Es tat mir beinahe leid, als ich die glücklichsten und schrecklichsten heraussuchte, aber auf Zemos Geisteszustand konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

Dann schloss ich einen Stick ans Cockpit an und speicherte eine Firewall darauf, die hoffentlich jegliches Signal über meine Ankunft, das Berlin in die USA schickte, abfangen würde. Ich achtete darauf, ein Call-and-Response-Prinzip einzubauen, um auch keinen Verdacht zu wecken.
Mein nächstes Problem: Ich konnte den BND, der das Gefängnis überwachte, nicht hacken. Also, natürlich würde ich hineinkommen, aber schwerlich unbemerkt. Nach meinem Hack vor sieben Jahren hatten sie die Sicherheitsmaßnahmen stark erhöht...
Ich musste also mehr oder weniger legal hineinkommen.

Ich suchte in meinen Dateien das alte Formular zum Inhaftieren von Psychopathen – das war Deutschland, die hatten Formulare für alles! – und feilte ein bisschen daran herum; die Berechtigung für das Staatsgefängnis in Berlin galt ja noch. Soweit ich wusste, war ‚Stark' als zulässiger Besucher für Zemo eingetragen... Mittlerweile gab es allerdings mehr als einen Stark. Glück für mich.

Dann landete ich Quinnie endlich auf einem stillgelegten Terminal auf dem Berlin-Tegel-Flughafen und fuhr die kurze Strecke zum abgelegenen Gefängnis mit meinem Motorrad. Ja, ohne Helm... Ich war mit dem Gott des Unheils zusammen, das war schon in Ordnung so. Verratet es meinem Dad trotzdem besser nicht...

*

Ich verhielt mich ganz und gar nicht unauffällig.
Sonnenbrille, einen typischen Hoodie, Stark-Grinsen... Man erkannte mich sofort.
Das Gebäude, das ich ansteuerte, war in einem sterilen Hellgrau gehalten, und wären nicht die hohen, mit Stacheldraht bewehrten Außenmauern gewesen, hätte es beinahe einem Krankenhaus geähnelt.
Trotz meines auffälligen Aussehens zeigte ich am Eingang sowohl meinen Ausweis als auch das Formular vor, und die beiden Schränke vor der Tür beäugten mich misstrauisch – zumindest nahm ich das an. Selbstverständlich trugen sie Sonnenbrillen und waren auch sonst ganz in schwarz gekleidet – sogar der militärische Kurzhaarschnitt war bei beiden dunkel. Das stand wohl in der Jobbeschreibung.

„Du kommst hier nicht durch, Kleine", knurrte einer der beiden mich auf Deutsch an.
„Ich bin zum erneuten Verhör Helmut Zemos hier", ignorierte ich ihn, „Die Wiedervereinigung der Avengers hat uns neue Informationen gebracht, die weitere Aussagen des Verbrechers benötigen. Schauen Sie in seine Akte, ich bin dort aufgezeichnet."
Er stierte mich stumm an, aber sein Kollege murmelte etwas in das – selbstverständlich schwarze – Funkgerät.
Während wir auf die Antwort warteten, schob der Unfreundliche seine Sonnenbrille hoch und versuchte augenscheinlich, mir Angst einzujagen mit seinem bloßen Blick... Wurde dabei allerdings nur immer krötenähnlicher. Ich kam nicht umhin, ihn mit Umbridge zu vergleichen – bis auf die Größe und die Farbe bestand eine nicht von der Hand zu weisende Ähnlichkeit.
Ich zog meine Augenbrauen hoch und lächelte spöttisch.

Natürlich kam kurz darauf der erwartete Funkspruch, der mich hereinließ.
Ich warf meinem neuen Lieblingsbodyguard eine Kusshand zu und stolzierte in die Eingangshalle, wo ein genauso bewaffneter – und genauso schwarz gekleideter – Mann mich schon erwartete. Er nickte mir kurz zu und führte mich dann die Gänge hinunter.

Die Atmosphäre im Gefängnisgebäude war furchtbar angespannt.
Jeder Schritt erzeugte ein Echo, jegliches Handgemenge würde sofort die Aufmerksamkeit des Sicherheitspersonals auf sich ziehen. Die Neonröhren, die die Gänge in ein unnatürliches Licht tauchten, verhinderten auch in den Ecken eine Schattenbildung. Hier waren fähige Architekten am Werk gewesen...

***

Und da wären wir wieder... Ross hat sich mit seinem Anruf keine Freunde gemacht, und auch mit seinen folgenden Aktionen nicht, so viel kann ich schonmal versprechen.😉

Iron Kid ~ Plan BWhere stories live. Discover now