Das Wandern ist nicht der Gracie Lust

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Die einzelnen Teams splitteten sich auf, um die letzten Besprechungen durchzuführen.
„Wir teilen uns in Zweiergruppen auf, wie Gracie vorgeschlagen hat", erklärte uns Nebula nachdem wir uns in der Küche niedergelassen hatten, „Einer von euch kommt mit mir nach Morag, den Machtstein holend. Nach... Nach Vormir reist das zweite Team."
Davon überrascht zog ich die Augenbrauen hoch: „Was ist mit Vormir? Was weißt du darüber?"
Ihre dunklen Augen schimmerten, als sie den Kopf hoch: „Nichts, als dass Thanos meine Schwester dort tötete. Gamora..."

Und meine Gedanken begannen zu rasen.
Mein Hirn hatte die unangenehme Eigenschaft, auch unwichtige Nebensätze abzuspeichern – mein Gedächtnis war voll von Ramsch. Es war nicht immer einfach, wichtige Informationen herauszufiltern, aber Gamora aktivierte meine Synapsen...

Gamora, Tochter des Thanos... Schwester von Nebula und ... Corvus Glaive. „Thanos' wahre Liebe gilt seiner Perfektion, Gamora", hatte er gesagt.
Thanos liebte Gamora...
Das machte keinen Sinn. Das war schlichtweg sinnlos, und ich glaubte irgendwie nicht daran, dass Glaive gelogen hatte. Dafür war meine Gedankenmanipulation zu spontan und riskant gewesen.

In der anderen Zeitlinie, der Linie meiner Mom, mussten Natasha und Clint nach Vormir gereist sein. Und auch Natasha war gestorben, bei dem Versuch, den Seelenstein zu erobern.
Clint hatte sie geliebt.
Thanos hatte Gamora geliebt.

Ich glaubte nicht an Zufälle, überließ niemals etwas dem Schicksal.
Und für ein zufälliges Ereignis waren die Parallelismen hier zu deutlich.

Der Seelenstein... eine Seele für eine Seele.
Diesmal machte es erschreckend viel Sinn.

„Gracie?", riss Loki mich aus meinen Gedanken, „Ist... alles in Ordnung?"
„Ich muss denken", murmelte ich nur unruhig, „Lasst mich kurz..."

Jemand von uns würde sterben.
Es führte kein Weg daran vorbei... Und sie wussten nichts davon.
Ich war die einzige, die-
Oh nein. Ich würde jetzt keinen in Erwägung ziehen... Wir konnten nicht noch mehr Unschuldige opfern.

Ganz kurz glitten meine Gedanken zu Wanda, und zu Pietro. Aber Wanda liebte Vision, „ich bin dankbar für mein Leben", hatte sie gesagt.

Ich durfte mich nicht zum Richter über Leben und Tod erheben, ich würde niemanden mutwillig nach Vormir schicken.
Wenn ich allein ging, konnte ich vielleicht verhandeln... Mit wem auch immer.

„Ich werde den Seelenstein holen", sagte ich schließlich fest, „Allein. Ich möchte, dass Rhodey und Loki mit Nebula gehen."
Alle drei sahen mich erstaunt an.
„Hast du nicht eben noch gesagt, wie dämlich ein Alleingang wäre?", zog mein Onkel die Augenbrauen hoch, und auch Loki runzelte die Stirn. „Was weißt du, Gracie?"
„Etwas, was ich mit niemandem teilen kann", lächelte ich gequält, „Aber ich habe definitiv vor, lebend zurückzukommen. Wir werden alle wiederkommen."

War es naiv?
Dieses Denken, jeden retten zu können?
Aber dafür war ich doch da...

Ich erlaubte mir nur kurz die Überlegung, tatsächlich jemanden geplant zu opfern, denn nur dann würden wir den Stein mit Sicherheit bekommen. Aber das konnte ich nicht. So stark und stur ich auch war, so gezielt und planend – Derartiges verbot ich mir, auch nur zu durchdenken.

Ich würde verhandeln, wie ich es immer tat, und einen Ausweg finden...
Ich nickte meiner Vierergruppe knapp zu und machte mich bereit, wir gingen nur für wenige Minuten getrennte Wege, letzte Maßnahmen ergreifend.
Ich blieb vorsichtig, ging auf Nummer sicher. Ich aktivierte das New Kid-Programm und hinterließ eine der Oscar-Kopien auf meinem Schreibtisch, dann zog ich als Letzte meinen Anzug an.

Ich kam zu spät zu den anderen Avengers, hatte Steves Rede aber bedauerlicherweise verpasst.
Schade, er war gut in sowas. Ich hätte ein wenig Zuversicht gerade dringend gebrauchen können.
Einen Satz bekam ich allerdings noch mit, und er brannte sich in mein Gedächtnis ein - meine Mom hatte ihn schon vorher benutzt. 
„Whatever it takes."

Mein Herz begann zu rasen.
Das hier, das war Plan B. Unsere zweite Chance, aber gleichzeitig auch die letzte.
Wenn wir versagten... Und es war riskant, was ich hier spielte.
Okay, ruhig.

Ruhig bleiben und die Analyse starten... oder?
Loki neben mir drückte meine Hand und bedeutete mir damit alles, was er hätte sagen wollen.
Ich war stark, mit meinen Emotionen.
Verdammt, ja, ich hatte Angst. Angst und Hoffnung und Sehnsucht. Und genau deshalb würde nichts und niemand mich davon abhalten, für die Menschen in diesem Raum einzutreten.

Ich sah in die Runde der Zeitreisenden, fing das braune Funkeln meines Dads ein.
Ich würde alles tun, um ihn zu retten – sie alle zu retten. Was auch immer es kostete.

Und dann waren wir verschwunden, unterwegs durch die Zeit.
Noch zu viert landeten wir auf Morag, wo Nebula zuerst die Benatar, unser Raumschiff, entschrumpfte. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie sie Pym-Partikel darauf angewendet hatten, aber meine Gedanken waren auch ziemlich beschäftigt...

Jedenfalls war ich froh, den Anzug wieder los zu sein.
Superheldenkleidung war nun wirklich nicht mein Stil.

Ich nickte Nebula zu, die das Space Pod vom Raumschiff getrennt hatte, und umarmte Rhodey, bevor ich Loki in einen Kuss zog.
Es war kein emotionaler Abschied, und wir blieben auch alle stumm dabei. Verdammt noch mal, es war ja nicht einmal ein Abschied.
Die grünen Augen meines Freundes waren auch das Letzte, was ich von den dreien sah – vorerst. Es würde sicher auch nicht das Letzte sein im Sinne von... naja, dem Letzten.

Dann saß ich in der Benatar – und ich vermisste meinen Quinjet.
Klar, so groß war jetzt der Unterschied auch nicht, ich konnte sie problemlos fliegen, aber es ging hier um's Prinzip. Nun, vielleicht war es gar nicht so schlecht, dass Quinnie hier nicht mit reingezogen wurde, er war ein kleines Sensibelchen.
Ja, Quinnie. Nennt mich kreativ.

Ein großes Problem gab es allerdings an der Benatar, wortwörtlich: Sie war eben genau das, groß. Ich konnte sie nur am Fuße Vormirs landen, und der Planet bestand quasi nur aus Berg.
Einem hübschen Berg, keine Frage, aber ich hatte Wandern schon immer gehasst.

Seufzend verließ ich das Raumschiff und machte mich an den Aufstieg.
Und wusste kurz darauf wieder ganz genau, warum ich Wandern gehasst hatte.
Natürlich trat ich auf einen losen Gesteinsbrocken und strauchelte. Wenn ich jetzt fallen würde... vielleicht würde ich es sogar überleben, aber ich hatte nicht die geringste Lust, das gesamte Stück noch einmal hinaufzukraxeln. 

Die Schwerkraft jedenfalls scherte sich nicht darum – warum gab es die hier im All überhaupt? Ich würde Oscar darauf ansetzen, sobald ich wieder genug Nerv dafür hatte.
Ich fiel, gerade lang genug, um die Augen zu verdrehen – dann fing mich jemand ab.

***

Morgen löst sich das Rätsel um den Soulstone endlich auf. Ich bin gespannt, was ihr dazu sagen werdet!😉

Iron Kid ~ Plan BWhere stories live. Discover now