Alles verläuft nach Wunsch? Kann man so sagen...

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„Brauchen Sie einen Verhörraum, Stark?", fragte der Agent mit kühler Stimme, „Sie haben sich nicht angekündigt. Zemo befindet sich noch in seiner Zelle."
Ich legte kurz meinen Kopf schief, wank dann aber ab. „Das passt schon, machen Sie sich keine Umstände. Lieber den Weg ohne ausbruchgefährdeten Gefangenen gehen als ihn aus dem Gewahrsam herauszuholen, nicht wahr?"
„Sehr wohl wahr", bestätigte mich der Deutsche und deutete dann auf eine Tür. „In diesem Gang liegt Zemos Zelle. Sie erkennen ihn doch? Ich bleibe hier am Engpass für Notfälle."

„Natürlich." Ich lächelte ihm wohlwollend zu, hielt dann aber inne, als mein Blick auf den Zellentrakt fiel. „Sie verstehen doch, wenn ich Vorsicht vor Nachsicht walten lasse? Haben Sie eine kugelsichere Weste für mich?"
Er musterte mich kurz mit klarem Unwohlsein und schüttelte langsam den Kopf. „Nur die, die ich trage."
Ich biss kurz auf meine Unterlippe und verschränkte meine Finger ineinander. „Okay..."
Er betrachtete meine Hände, die ohne den gegenseitigen Halt sicher gezittert hätten – sicher? – und seufzte dann. „Meinetwegen, ziehen Sie sie an."
Er schlüpfte aus dem Kleidungsstück und hielt es mir hin, und obwohl es absolut unbequem war – der hochgeschlossene Kragen war der Übergröße nicht zuträglich – lächelte ich dankbar.

Kaum war die Tür hinter mir wieder ins Schloss gefallen, gab ich leise Befehle an Oscar: „Die üblichen Scans. Ich will alles sehen", und eilte prompt zu Zemo, der mir auf der rechten Seite des Flures angezeigt wurde.
Es war still hier im Gang, die Gefangenen rührten sich nicht, als ich an ihnen vorbeiging. Auch meine Schuhe machten kaum Geräusche auf dem Kunststoffboden, einzig das Klirren der Schlüssel an meinem Gürtel zerbrach die Ruhe.

Helmut Zemo war ein gebrochener Mann.
Kauerte auf der Pritsche, die Hände gefaltet, sah mir nicht einmal entgegen.
Seine brünetten Haare wiesen die ersten grauen Strähnen auf, und als ich mich leise räusperte und er aufschreckte, konnte ich Falten an Augen und Mundwinkeln erkennen.
„Mein Name ist Gracie Stark", erklärte ich leise. „Ich bin die, die meinem Vater die Informationen über dich zugespielt hat, damals im Civil War."

Ich hatte erwartet, er würde mich stumm sprechen lassen, doch Zemo schwieg nicht lang: „Dann danke ich dir für deine Kooperation." Seine blutleeren Lippen zogen sich über seine Zähne, doch lächeln konnte man das nicht mehr nennen.
„Dein Plan war exzellent", gab ich zu, „Und dennoch ist er gescheitert. Du hast keine Möglichkeit mehr, ihn zu verfolgen."
Er sah von seinen Händen auf, um Blickkontakt zwischen uns herzustellen, und lachte leise mit einer furchtbar rauen Stimme. „Und wenn ich dich erschieße, Kid? Reißen sie dann wieder auseinander?"

Ich schnippte mit den Fingern und ließ ein Hologramm aufploppen, eine kurze Videosequenz, in der mein Vater Steve das Schild wiedergab.
„Unwahrscheinlich."
Bilder erschienen, kurz nach Hulks Snap aufgenommen, die die Avengers zeigten: Mit vor Glück funkelnden Augen, einander im Arm liegend, euphorisch über den Sieg. Mein Dad mit Pepper und Morgan im Arm, Scott mit den Pyms und Cassie, Steve, der eine Hand auf Sharons Bauch gelegt hatte. „Unsere Familien sind heil. Wiedervereint. Glücklich. Es gibt zu viele Stricke, als dass alle reißen könnten."
Diesmal schwieg Zemo tatsächlich, wartete, dass ich fortfuhr.

Ein weiteres Hologramm erschien: „Auch deine Familie war einmal glücklich." Doch die fröhlichen Bilder ersetzten sich durch Schauspiele von Tod und Verzweiflung, und Zemo konnte den Blick nicht abwenden. „Sie sind es nicht mehr. Sie sind fort, getrennt, gebrochen. Es gibt keine Hoffnung mehr."
Ich lehnte mich jetzt etwas weiter vor, kam in Reichweite des fensterartigen Gitters, das die einzige Unterbrechung des Panzerglases war. Ich wusste, dass so Briefe und Nahrung an den Gefangenen kamen, der dann normalerweise durch Waffenbedrohung an die hintere Wand beordert wurde.
Nun, ich hatte keine Pistole bei mir...
„Solltest du hier rauskommen", zischte ich dennoch furchtlos, „Sorge ich persönlich dafür, dass du stirbst."

Ich sah Zemo in die Augen, doch in dessen Miene ließ sich keine Regung erkennen.
Ein leichtes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht auf, als ich mich abwandte.
Der Verbrecher sprang plötzlich auf und griff nach mir, doch ich hatte so etwas schon erwartet und wich aus. Durch die plötzliche Bewegung löste sich der Schlüsselbund von meinem Gürtel, und augenverdrehend befestigte ich ihn wieder.
„Mission fehlgeschlagen, Zemo", blickte ich ihn an, „Déjà-vu, kann das sein?"

Als keine weitere Reaktion kam, machte ich kehrt und ging mit raschen, selbstbewussten Schritten den Gang zurück.
Noch bevor ich in Reichweite war, öffnete der FBI-Angestellte die Tür, eine Pistole auf Anschlag. Als er mich erkannte, nickte er knapp und steckte sie in den Holster zurück. „Alles nach Wunsch verlaufen?"
„Selbstverständlich", lächelte ich und verpasste ihm einen seitlichen Haken auf die Kinnspitze.

Ich sah nicht mehr zu, wie er zu Boden ging, war mir aber nur zu bewusst, dass er ohnmächtig war.
Ich sprintete sofort los, zum nächsten Computerraum, der nur zwei Flure entfernt lag. Es gab kein richtiges Technikzentrum hier, die Obrigkeiten hatten mehrere kleine Räume für sicherer gehalten. Glück für mich, so war ich schnell vor Ort.
Dieser hier war auch mehr eine Notversorgung, leerstehend bis auf drei Monitore, die in Stand-by liefen.

Eilig stieß ich die richtige Tür auf und verband mein Starkphone mit dem nächstbesten Computer, die Kameras in diesem Trakt auf Schleife stellend.
Dann kehrte ich wieder um und zog den Agenten die fünfzig Meter in den Kontrollraum, band die Knöchel seiner Daumen zusammen und knebelte ihn ganz unkonventionell.

Und dann... dann hatte Gracie Stark ihre Kameras wieder.
Beinahe musste ich lächeln, als ich gleich alle Computer hochfuhr und freudig ein paar Tasten drückte. Dann war mein Fokus wieder aktiv, ich hatte eine Mission – und die war nicht gerade lachhaft.
Normalerweise zeigten die Kameras hier nur Zemos Trakt, aber durch einen schnellen Hack hatte ich alle Bilder zur Verfügung.
Oscar pickte mir die richtige Kamera heraus: In einem der oberen Flure wurden die vier Bartons festgehalten.

Und wir befanden uns im Jahr 2023 in Berlin... Hier war alles automatisiert.
Lächelnd ließ ich deren Zellentür herunterfahren, schön langsam, und ergänzte sie durch ein Hologramm.
Nicht einmal die Insassen durften es bemerken, aber mein Fingerspitzengefühl in dieser Hinsicht war außerordentlich gut trainiert.
Wunderbar...
Mir kam zugute, dass die meisten Insassen hier depressiv waren – kein Wunder, schwarz war ja auch eine tolle fröhliche Farbe – und sich demnach ruhig verhielten. Nach ein paar Jahren knickte jeder ein, und Zemo war noch der Neueste hier. So würde keiner die Schleife bemerken, die ich jetzt auch über alle anderen Kameras zog... Wenn Plan A funktionierte, zumindest.
Plan B war zwar schon gestartet und würde sogar ziemlich unschön werden, wenn Plan A tatsächlich gut lief, aber das Risiko ging ich gerne ein. Ohne Hintertürchen tat ich gar nichts.

***

Soo, hat denn jemand Vermutungen, wie Gracies Plan B aussieht? Dessen Phase 1 ist bereits am Laufen...😉

Iron Kid ~ Plan BWhere stories live. Discover now