Kato & Lindsay

Teil 1

Lindsay Evans:

„Ach, komm schon! Musste das jetzt wirklich sein!", stöhnte ich entnervt. Ich seufzte ergeben auf. Der Typ vor mir hatte mir doch gerade wirklich den letzten freien Parkplatz direkt vor der Nase weggeschnappt und das, obwohl ich schon geblinkt hatte.

Nun stieg besagter Mann grinsend aus dem Auto. Sein Blick sagte eindeutig: „Tja Pech gehabt!" Mit arroganter Miene wirbelte er den Schlüsselbund um einen Finger seiner tätowierten Hand. Wut stieg in mir auf. Manche Menschen waren einfach unbeschreiblich! Wie konnte man nur so hochmütig sein?

Zu allem Überfluss begann er dann auch noch zu winken. „Wer besser Auto fahren kann gewinnt, du inkompetente Laie!", hörte ich ihn sogar durch die geschlossenen Fensterscheiben rufen.

Ich ballte frustriert meine Fäuste. Warum mochte ich noch mal Menschen? Vielleicht sollte ich das Ganze noch einmal überdenken. Wenn ich nicht so verdammt gutmütig wäre, würde ich auf der Stelle aussteigen und ihm gehörig meine Meinung geigen. Allerdings hätte dies sowieso absolut keinen Sinn. Ich kannte Leute wie ihn gut genug. Mit ihren schwarzen, aufgerissenen Jeans und dunklen Lederjacken fühlten sie sich, als wären sie die Könige der Welt. Dazu noch die Mütze, die sichtbaren Tattoos und Piercings..., ja, der Typ vor mir gehörte definitiv zu dieser Sorte Menschen. Ich seufzte noch einmal. Er würde sowieso nicht auf mich hören, egal was ich sagen würde. Also war es besser ich blieb einfach ruhig und tat gar nichts. Darum ignorierte ich ihn, als er mir lachend einen Stinkefinger zeigte.

Entnervt rollte ich mit den Augen und fuhr einfach weiter. Ich würde schon noch irgendwo auf diesem gottverdammten Universitätsgelände einen Parkplatz finden.

Müde und gereizt kaute ich auf meiner Lippe herum. Meine Laune war nun definitiv im Keller. Den ganzen Vormittag hatte ich schon Klamotten, Bücher und sonstige Sachen zusammengesucht und sie in verschiedene Koffer und Kisten gestopft, nur um schließlich wohl oder übel bemerken zu müssen, dass ich viel zu wenig Utensilien für die Uni hatte. Kurzerhand war ich also auch noch in einem Secondhandladen einkaufen gewesen, bevor ich zwei Stunden lang im Auto saß, um von Dawhill, meiner ländlichen Heimatstadt, nach Fairtown zu fahren.

Ich hatte mir Fairtown im Internet angesehen. Es war eine kleine Studentenstadt, umgeben von Wäldern und ein paar nicht allzu hohen Bergen. Das Zentrum war ziemlich groß, aber dadurch, dass das College, an dem ich mich für dieses Wintersemester eingeschrieben hatte, am Rand der Stadt lag, hatte ich sowohl die Möglichkeit die Natur zu genießen, als auch das Stadtleben. Es war perfekt! Zumindest hatte ich das gedacht...

Morgen war die erste Einführungsveranstaltung, daher hatte ich vor, heute schon mein Zimmer zu beziehen. Allerdings war es später geworden, als gedacht.

Dunkelheit brach langsam herein und ich war einfach nur noch müde und erledigt. Außerdem hatte ich immer noch keinen Parkplatz! Im Schritttempo fuhr ich an einem Auto nach dem anderen vorbei. Langsam kam es mir so vor, als würde ich im Kreis fahren. Ich war einfach viel zu spät dran!

Das lag aber nicht nur an meinem kurzfristig eingefügtem Shoppingtrip, sondern vollem auch daran, dass es eine Ewigkeit gedauert hatte mich von meiner kleinen Schwester Anna zu verabschieden. Sie wollte mich gar nicht mehr loslassen und konnte auch nicht wirklich verstehen, warum ich ab nun unter der Woche nicht mehr bei ihr sein konnte. Zugegebenermaßen war es auch sehr schwer einer vierjährigen dies verständlich beizubringen. Doch nicht nur Anna war der Abschied schwergefallen, mir auch, mehr als ich zugeben wollte. Anni war mein ein und alles. Ich hatte sie quasi großgezogen, weil meine Mutter wegen ihrer vielen Jobs einfach zu wenig Zeit hatte. Auch darum war meine Laune nicht gerade die beste. Ich vermisste sie schon jetzt.

Endlich entdeckte ich eine freie Parklücke. Innerlich jubelte ich auf. Allerdings verging meine Freude Sekunden später wieder, als ich sah, wie klein die Lücke eigentlich war. Ich biss mir auf die Lippen. Toll...