27.Kapitel

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13:54

,,Boah das schmeckt so geil. Darf ich auch ein zweites haben, Abla?" höre ich meinen kleinen Bruder fragen, während er weiter an seinem Eis leckt. Im Moment sitzen wir auf der Terasse am runden, großen Tisch und reden etwas. Ich will die ganze Zeit bis sie gehen werden, mit ihnen verbringen. Jede einzelne Sekunde will ich sie bei mir haben. ,,Kannst du haben." antworte ich und fahre mit meiner Hand durch meine getrockneten Haare. Rechts von mir sitzen Muso und Halil. Links von mir nur Hakan. Bolat meinte, dass er müde sei und hat sich nochmal schlafen gelegt. Immernoch nicht habe ich mit ihm geredet. Das müsste ich noch machen. Ich muss ihm deutlich klar machen, dass sein Aussehen nicht das Wichtigste ist worüber er denken soll. Den sein Inneres ist wichtiger. Das muss er endlich verstehen. Ach Bolat Ach.

Unbewusst knabbere ich an der Fingerhaut von meinem Daumen. Atakan habe ich, nachdem ich raus gegangen bin, nicht mehr gesehen. Will ich auch nicht. Labbert der mich voll, was ich zu tun habe. Pff. Wer ist er bitte? Ich mache das, was ich will. Niemand gibt mir Befehle, die ich befolgen soll. Bin ich sein Hündchen? Nein. Ich bin seine Frau. Seine Ehefrau. Die er besser behandeln sollte. So wie er mich behandelt, könnte man meinen, dass ich ein fremder Mensch bin, der ihn nervt. Er nervt mich. Und nicht anders herum. Mistkerl. Ich will ihn sowieso nicht sehen, also ist es mir zurecht, dass er mir nicht begegnet. Aber an Atakan kann ich nicht mehr nachdenken, denn die Gedanken an Bolat hören nicht auf. Schläft er wirklich? Oder hat er das nur gesagt, um allein zu sein? Er erzählt mir seine Probleme nicht. Aber wahrscheinlich, weil er keine Zeit gefunden hat. Normalerweise macht er das immer. Wenn es ihm nicht gut geht, würde er zu mir kommen, weil er weiß, dass ich immer ein ein offenes Ohr für ihn habe. Und für die anderen auch. Sie sollen mir ihre Ängste und Probleme anvertrauen.- Denn ich bin die Person, die sie verstehen und helfen würde. Ich bin ihre ältere Schwester, die gleichzeitig auch die Mutter für sie gespielt hat und es immernoch macht. Ich war immer für sie da gewesen und werde es für immer sein. -Ein Versprechen, das ich meiner verstorbenen Mama versprochen habe. Ich muss zu Bolat. Ich muss wissen, wie es ihm geht. Ich muss mich selber beruhigen, in dem ich sehe, dass es ihm gut geht.

Ich stehe auf und gebe meinen Brüdern Bescheid, dass ich zu Bolat gehen werde. Etwas zu schnell verlasse ich die Terrasse und laufe in das Innere vom Palast. Genauso schnell laufe ich Treppen hoch und stoße gegen etwas hartes, so dass ich erschrocken nach hinten falle, aber zwei große Hände mich noch rechtzeitig vor dem Sturz bewahren. Reflexartig greifen meine Hände an die breiten Schultern und halten sich daran fest. Keuchend kommt mir Atakan's Parfüm von gestern Abend zur Nase. Natürlich auch er. Wer sonst? ,,Yavaş."
(Langsam.) flüstert er nah an meinem Ohr und verpasst mir eine Gänsehaut. Langsam blicke ich in seine dunklen Augen, die mich beobachten. Seine rechte Augenbraue fragend gehoben und seine Lippen zusammen. Der warme Atem von ihm, trifft mein Gesicht. Seine dichten Haare wieder nach hinten gekämmt worden, doch eine Strähne fällt auf seine Stirn. Ein Muttermal neben seinem rechten Auge kann ich erkennen. Wieso habe ich das denn nie gesehen? Naja, kann daran liegen, dass ich ihn kaum ins Gesicht geschaut habe. Nur in seine Augen, während dem Reden. Mehr nicht. Seine geschwungenen Wimpern, die vielleicht sogar schöner als meine sind, bemerke ich auch erst jetzt. Und da ist noch ein Muttermal. Nur kleiner und an seiner linken Wange. Meine Augen gleiten runter, an seine vollen Lippen. -Doch schnell raffe ich mich ein und gucke wieder in seine Augen, aber sehe noch wie sein Mundwinkel hoch zuckt. Wie lange haben wir uns jetzt angestarrt? 20 Sekunden? 40? Oder doch eine Minute?

Schluckend lasse ich ihn los und entferne mich von ihm. Ohne etwas zu sagen, laufe ich schnell an ihn vorbei und sage innerlich Danke, dass er mich nicht aufgehalten hat. Paar mal habe ich mich verlaufen, doch habe es geschafft, das Zimmer zu finden, in dem sich Bolat befindet. Nachdem ich tief Luft geholt habe, öffne ich die Tür, gehe rein und schliesse sie wieder. Bolat liegt auf dem Bett, das ganz außen steht. Er liegt seitlich, hat eine Hand unter dem Kopf. Ob er wach ist kann ich von hier aus nicht sehen. Also laufe ich zu ihm rüber und sehe tatsächlich, dass er die Augen offen hat. Sein Gesicht wieder mit diesen ganzen Verbänden, dass man nur seine Augen, Nase und seinen Mund sehen kann. Gedankenverloren guckt er sich die Wand vor ihm an und hat nicht bemerkt, dass ich drinnen bin. Er sieht nicht glücklich aus. Auch nicht traurig. Für paar Sekunden betrachte ich meinen dritt jüngsten Bruder und kann schwören, dass es ihm nicht gut geht. Vorsichtig setze ich mich zu ihm und kriege endlich seine Aufmerksamkeit. Er will aufstehen, doch ich lege meine Hand an seinen Arm. ,,Bleib liegen." sage ich nur und lege mich neben ihm. Ich nehme seine, mit Verband umhüllte Hand, lege sie auf meinen Bauch und streichel mit meinen Daumen drüber. Stumm betrachte ich die Decke und überlege, wie ich anfangen soll. Ich will wissen was genau los ist. Aber wenn ich jetzt einfach so frage, kriege ich mit einer hoher Wahrscheinlichkeit keine Antwort. Sollte ich warten bis er den Anfang macht? Vielleicht sammelt er ja gerade seine Mut zusammen, um seinen Mund zu öffnen? Los Bolat. Mach es dir und mir nicht noch schwieriger, Bruderherz.

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