69. Kapitel

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Sonntag, 11:02 Uhr

Menschen sind enttäuscht von einem, wenn man etwas begeht, was nicht ihren Erwartungen entsprechen und ihnen nicht gefallen. Menschen sind überrascht darüber, wenn man mal etwas macht, was sie von einem nicht erwartet haben. Menschen sind aber auch darüber sauer, wenn man das schon zum zweiten Mal macht. Genauso wie mein Atakan. Ich habe ihn enttäuscht. Ich habe ihn sauer gemacht. Sehr sauer. Er hat jedes Recht sauer zu sein. Ich bin doch auch selber auf mich sauer. Am liebsten will ich mir selber mehrere Backpfeifen verpassen. In einen Ring steigen und geschlagen werden. Ich habe es verdient. Und wie verdient ich es habe. Das zweite Mal habe ich Hand auf Drogen gelegt. Das zweite Mal. Aus dem ersten Mal habe ich nichts gelernt und musste es nochmal probieren. Ich will es positiv sehen, weil es ja nur ein kleiner Zug war. Aber...aber es macht mich sprachlos. Rauchen? Drogen? Ich? Rauchen?! Die Art von Rauchen mit dem ich meinen eigenen Vater verbinde, der für meine meisten Traumas zuständig ist. Schäme mich. Schäme mich gewaltig über mich. Schäme mich über das Verhalten von mir das ich gestern abgelegt habe.
Damit meine ich nur das Verhalten das ich bei dieser Jungsgruppe gezeigt habe. Für das Verhalten Hakan gegenüber schäme ich mich nicht. Nein. Und bereuen tue ich es auch nicht. Hart, aber wahr.

Jedes Mal als Baba geraucht hat, jedes Mal als ich es gesehen habe, habe ich geschworen, dass ich niemals rauchen werde und es nicht anfassen werde. Was habe ich getan? Es angefasst und einen Zug geraucht. Wäre Atakan nicht gekommen, hätte ich vielleicht weiter gemacht. Den Abschluss dieses Abends kann mir schon vorstellen. Zugedröhnt zwischen einer Jungssgruppe. Ich hätte mich nicht richtig wehren können, wenn sie mich falsch angefasst hätten. Was...was wenn sie mich vergewaltigt hätten? Oh Gott. Schüttele vor mich hin mit dem Kopf. Oh Gott. Nein, Nein. Nein. Atakan ist im perfekten Zeitpunkt gekommen. Dank ihm habe ich nicht weiter geraucht. Dank ihm wurde ich vielleicht vor einer Vergewaltigung gerettet. Oh man.
Streiche über meine Stirn. Es ist vorbei. Ich bin nicht mehr dort. Ich sitze nicht zwischen den Jungs. Ich halte keinen Joint in meiner Hand. Aber meine jetzige Situation ist nicht viel besser. Befinde mich in einem fremden Zimmer und traue mich nicht raus zu gehen. Gestern habe ich ihm Halbschlaf mitbekommen, wie Atakan mich aus dem Auto raus getragen hat und mich auf das große Bett, das vor mir steht, hingelegt hat. Wo sind wir hier? Ist Atakan noch da? Er hat zum Glück das Licht angelassen. Sehr aufmerksam von ihm. Er weiß, dass ich die Dunkelheit nicht ertragen kann. Ich habe dann einfach weiter geschlafen und bin vor zwanzig Minuten aufgestanden. Durch mein Handy habe ich erfahren, dass wir schon elf Uhr haben.

Ich habe Hunger und Durst, aber finde nicht den Mut rauszugehen. Im Zimmer ist ein Mini-Kühlschrank, aber dieses Zimmer gehört mir nicht. Durch die Farben und Einrichtungen kann ich sagen, dass es wahrscheinlich das Zimmer von Atakan ist. Was dann auch heißt, dass dieses Haus ihm gehört. Er hat ein weiteres Haus von dem ich nichts wusste, aber mir eigentlich schon hätte denken können. Schlucke einmal und mache mehrere Schritte auf die Tür zu. Los jetzt, Efsane. Ich kann von dem Gespräch mit Atakan nicht abhauen, so gern ich es auch will. Hoffentlich zeigt er mir keinen enttäuschten Blick. Hoffentlich greift er nicht zur Gewalt. Wie komisch ich bin. Ich will, dass ich in einem Ring geschlagen werde, aber nicht von Atakan. Nicht von dem Mann, der mein Held ist.
Nicht von dem Mann, der mich heilt. Nicht von ihm.
Wenn er sauer wird während dem Gespräch ist das okay. Er kann es werden, was auch super verständlich wäre. Atakan weiß, dass ich Traumas besitze. Er weiß es. Würde er trotzdem die Grenzen überschreiten?

Leise und langsam wird von mir die Tür aufgemacht und ich blicke hinaus. Niemand da. Gehe raus und überlege kurz, ob ich nach links oder nach rechts soll. Rechts. Laufe still los und gelange nach paar Sekunden an eine kleine Treppe. Diese laufe ich runter und sehe schon den großen Wohnbereich und die offene Küche. Alles wieder dunkel gehalten. Alles wieder so luxuriös. Ich sehe eine große Glaswand aus der ich nur eine schön gepflegte, grüne Wiese sehen kann. Was...was mach ich hier? Wo ist Atakan? Es gibt hier weitere Türen, aber ich kann die doch nicht einfach aufmachen. Ich kann ihn doch eigentlich anrufen. Greife aus meiner hinteren Hosentasche nach meinem Handy und sehe, dass ich noch etwas Akku habe. 21%. Rufe Atakan an und halte das Handy an meinem Ohr. Es klingelt, aber es wird nicht abgehoben. Geh doch bitte ran, Atakan. Wo bist du denn nur? Bevor ich das Handy wieder runter nehmen kann, höre ich plötzlich wie sich eine Tür öffnet. Drehe mich schnell um und sehe, dass es Atakan höchstpersönlich ist, der die Haustür mit einem Schlüssel aufmacht. Atme leise erleichtert aus und streiche mir eine Strähne hinters Ohr. Gut. Hätte ich doch lieber im Zimmer sein sollen? Oh man.

TURKISH MAFIAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt