64.Kapitel

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,,Wer bin ich?"

Sonntag, 09:08 Uhr

,,Ich weiß, dass Emirhan Abi unser älterer Bruder ist."

Bleibe stocksteif stehen und von alleine öffnet sich geschockt mein Mund. Was hat er gerade gesagt? Was hat Bolat gerade gesagt? Ich schlucke kräftig und drehe mich nach paar Sekunden zu ihm um. Mein Herz hämmert schnell gegen meine Brust.
Mit großen Augen schaue ich in seine, die mich anschauen. Ich geschockt, er gelassen. ,,Was...was sagst du da Bolat?" Er atmet einmal aus, bevor er sich vor mich stellt und eine Hand auf meine linke Schulter legt. ,,Ich weiß es, Abla. Ich erinnere mich." sagt er seufzend. Erneut schlucke ich und finde keine Wörter zum Reden. ,,Ich weiß nicht warum du es einfach nicht gesagt hast. Deshalb frage ich dich jetzt. Wieso hast du mir nichts über Emirhan Abi gesagt?" Oh man...

Nach paar Minuten in denen wir uns nur angestarrt haben, setze ich mich langsam auf sein gemachtes Bett und senke den Blick auf meinen Oberschenkel.
Spiele unruhig mit meinen Fingern und weiß nicht, ob ich ihm antworten sollte. Was soll ich denn sagen? Ich weiß nicht genau was ich sagen soll. Ich bin unvorbereitet. Das kam so plötzlich. Dieser Satz von Bolat kam so plötzlich. Ich dachte nachdem ich ihn geweckt habe, das wir zusammen runter zum Frühstück gehen würden und mit allen zusammen frühstücken werden, die schon auf uns warten. Aber...aber mit sowas habe ich gar nicht gerechnet.
Spüre wie Bolat sich neben mich setzt und mich anschaut. Räuspere mich einmal. ,,Bolat...es ist schwierig zu erklären. Ich...ich war selber schockiert als ich ihn zum ersten Mal vor dem Krankenhaus sah und erfahren habe, dass er einer der Männer von Atakan ist." sage ich und atme laut aus. Erinnere mich an den Moment zurück und schüttele vor mich hin mit dem Kopf. Das war wirklich einer der größten Schock Momente meines Lebens. ,,Hast du mit Abi gesprochen?" fragt Bolat interessiert und ich nicke. Wie neugierig er doch ist. ,,Über was habt ihr geredet?" Zucke mit meinen Schultern. ,,Wir haben nicht viel miteinander gesprochen. Nur bisschen."
Er bleibt für paar Sekunden still. ,,Hat er dir gesagt warum er gegangen ist?" Schließe meine Augen, als ich die Traurigkeit in seiner Stimme höre. Wie gut sich Emirhan und Bolat früher verstanden haben...

Emirhan's Verschwinden hatte uns alle schockiert und traurig gemacht. Er ist nur paar Tage später nach meinem Vater gegangen. Um genauer zu sein zwei Tage. Erst ist Mama wegen Krebs gestorben, paar Jahre später ist Baba gegangen, danach der älteste Bruder, der doch eigentlich die ganze Verantwortung übernehmen wollte. 'Ich werde auf euch aufpassen! Mach dir keine Sorge, Efo!' Eine stumme Träne verlässt mein linkes Auge, als ich in seine Worte denke. Ich streiche sie sofort weg. Emirhan hatte einen sehr falschen Weg getroffen.
Er hatte uns allein gelassen. Er hatte mich alleine gelassen. Er hatte Hakan alleine gelassen. Er hatte Bolat alleine gelassen. Er hatte Halil alleine gelassen, er hatte Muso alleine gelassen. So ein Verschwinden, ist kein einfaches Verschwinden. Es ist etwas wie ein Verrat. Es ist etwas wie Untreue. Etwas, was du einmal begehen kannst und damit alles zerbrechen kannst. Wie ein Glas voll mit Wasser. Du hältst ein Glas in der Hand und darfst es nicht auf den Boden schmeißen, sonst zerbricht es und das Wasser verteilt sich überall. -Was hat Emirhan getan? Er hat dieses Glas fallen lassen. Absichtlich oder unabsichtlich, er hat's getan. Er hat das Glas fallen lassen und das Wasser hat sich überall verteilt.

Das Glas war unsere Geschwisterliebe.

Das Wasser die Tränen von meinen Brüdern und mir.

Unsere Geschwisterliebe ist zerbrochen und unsere Tränen haben sich überall verteilt, weil Abi gegangen ist. Abi war gegangen und Abla war auf sich alleine gestellt. Abla hatte sich wie ein verlassenes Kätzchen gefühlt, dass auf der Straße lebte. Das Kätzchen war alleine. Im Winter, im Frühling, im Sommer, im Herbst. In allen Jahreszeiten. Vor allem im Winter, wo es am meisten kalt war. An den kalten Tagen war Abi mit der kuscheligen Decke nicht da. Abi hatte sie nicht erwärmt. Abi war nicht da. 'Abi?! Abi wo bist du? Ich brauche dich doch! Du bist doch mein großer Bruder! Wo bist du? Ich vermisse dich!' Das kleine Kätzchen ist an diesen kalten Tagen erfroren. Aber nicht nur im Winter. In allen vier Jahreszeiten. Im Winter, im Frühling, im Sommer, im Herbst. Das kleine Kätzchen war auf allen Straßen. Sie hatte überall nach ihm gesucht. In den dunkelsten Ecken der Straße. Obwohl das Kätzchen große Angst vor den Löwen auf der Straße hatte, hatte sie weiter gesucht. Hatte sie ihn gefunden? Nein. Abi war weg. Abi war verschwunden. Abi war untergetaucht.

TURKISH MAFIAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt