N I N E T E E N

1.1K 31 0
                                    

Verwirrt schlug ich meine Augen auf. Umrisse eines Gesichts waren zu erkennen, doch es war zu dunkel, um zu erkennen, wer es war. „Lewis?" Stöhnte ich, für einen kurzen Moment dachte ich wirklich er wäre es. Dem war aber nicht so.

„Alles okay?" Zwei grüne Augen funkelten mich an. Wo befand ich mich? Ein Blick neben mich lieferte mir die erklärende Antwort. Ich lag auf der Rückbank eines Fahrzeugs... Schwer atmend kämpfte ich mich in eine mehr oder weniger sitzende Position, wo mir mein Gegenüber Abhilfe verschaffte. Als ich dann saß, schüttelte ich mit dem Kopf. „Ich hab solche Schmerzen..." Tränen schossen in meine Augen. Alles tat weh. Mein ganzer Körper. Mein Kopf, er surrte wie wenn er von einer Straßenwalze überrollt wurde. „Kannst du mir sagen, wo du genau Schmerzen hast?" Neben ihm tauchte nun auch wieder der andere auf. Und auch wenn ich weder wusste wer sie waren noch was sie von mir wollten, war ich froh über ihre Anwesenheit.

Die Angst sie könnten mich entführen, verwandelte sich in eine Gleichgültigkeit. Wenn so ihr Plan ist, werde ich ihn wohl kaum noch abwenden können... Um seine Frage nicht unbeantwortet zu lassen, versuchte ich meine Schmerzen zusammenzufassen. „Mein Kopf, meine Hüfte und meine Hand." Er nickte verstehend und schenkte mir dann ein hoffnungsvolles Lächeln. „Der Krankenwagen sollte jeden Moment kommen, die werden sich gut um dich kümmern..." Dann zog er seinen Kopf aus dem Wagen und wendete sich zu seinem Freund, oder was auch immer er ist. „Kannst du mal schauen, ob es eine Vermisstenanzeige gibt, die auf sie passt?" Plötzlich wurde mir so einiges klar.
Die beiden.
Die Waffe.
Ihre Neugierde.
Sie waren Polizisten.

Doch noch bevor ich mich weiter mit diesem Gedanken beschäftigen konnte, fiel sein Blick zurück auf mich. Ich kauerte verängstigt in der Ecke, drückte mich gegen die Innenwand des Wagens. Ich zuckte zusammen, als er sich plötzlich auf den Platz neben mich setzte. „Du hast gerade den Namen Lewis gesagt. Ist das dein Bruder, oder..." Er warf mir einen fragenden Blick zu und ich schüttelte den Kopf, was ich direkt wieder bereute. Die Erschütterung war stark, zu stark.

„Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht wer er ist..." Müde ließ ich meinen Kopf gegen die Sitzreihen fallen. Mein Blick ins leere gerichtet. „Ich hasse ihn, aber irgendwie auch nicht..." Überlegte ich laut, was absolut die Wahrheit war. Natürlich hasste ich ihn, mehr als alles andere. Aber irgendwie hat er eine Wirkung auf mich, die mich den Hass gegen ihn überdenken lässt... „Also ein Freund von dir?" Er sagte das Wort Freund in einem fragenden Ton, was mich weiter zum überlegen brachte. War er ein Freund von mir? Waren wir überhaupt befreundet? Waren wir mehr, weniger, gar nichts?

„Es ist kompliziert..." Seufzte ich schließlich. „Weißt du, ich habe etwas gemacht, was ich so nicht hätte tun sollen..." Ich stoppte kurz und schluckte. Mein Hals war trocken. Die Erinnerungen an dieses Wochenende verpassten mir ein komisches Magen Kribbeln. Positiv wie auch negativ. „So lange du damit kein Gesetz gebrochen hast, kannst du's uns erzählen." Witzelte der draußen stehende, der mir wohl auch zugehört hat und ich musst anfangen zu schmunzeln. „Keine sorge... Ich habe seinen im Moment größten Rivalen geküsst. Vor seinen Augen. Eigentlich wollte ich ihn nur ein bisschen eifersüchtig machen aber der konnte damit offensichtlich nicht so gut umgehen. Auf jeden Fall haben wir uns am nächsten Abend geküsst und oh mein Gott - dieser Kuss war göttlich!" Mein Herz fing an schneller zu schlagen, als sich diese Nacht wie ein Film vor meinen Augen abspielte.
Seine Lippen.
Seine Hände.
Seine reine Anwesenheit.

„Hört sich an, als wäre da jemand verliebt..." Schmunzelte der der neben mir saß, woraufhin Hitze in meine Wangen stieg. Wahrscheinlich waren sie schon knallrot angelaufen, was das dämmrige Licht aber zu verstecken schien. Tatsächlich machten seine Worte etwas mit mir. Ich konnte mich doch nicht in Lewis verliebt haben, oder doch?
Kann man eine Person mögen, die man eigentlich hasst?
So richtig Sinn ergab das nicht. Ich meine, er sieht gut aus, keine Frage, aber mehr auch nicht. Für ihn bin ich doch eh nur die Tochter seines Chefs, auf die er aufpassen soll... Sonst würde er mich nicht so behandeln, wie er es tut. Nämlich wie ein kleines Kind, wie ein dummes, kleines Kind.

„Er hasst mich genauso sehr wie ich ihn, also nein." Gab ich irgendwann zu verstehen, wobei ich versuchte mir weder meine Unsicherheit noch meinen inneren Schmerz anmerken zu lassen. Mein Gegenüber kommentierte dies mit einem skeptischen Nicken, wobei sein breites Schmunzeln nicht vergessen werden sollte.

Er glaubte mir nicht. Kein Wort. Ich mir auch nicht, denke ich. Man sagt doch, was sich liebt, das neckt sich, oder nicht?

So schnell wie es nur irgend möglich war, schob ich diese Gedanken beiseite. Das letzte was ich jetzt brauchen konnte, war,  mir Hoffnungen für irgendwas zu machen, was ich ja eigentlich selber nicht will. Schließlich will ich nichts mit ihm zu tun haben. Nie wieder.

Ehe ich mich versah, war der Krankenwagen eingetroffen. Der namenlose, grünäugige Typ, half mir dort hin zu gelangen. Er stützte mich indem er einen Arm um meine Hüfte schlang, sein Griff war fest, so konnte ich wenigstens nicht mehr hinfallen. Der andere war schon vorgegangen und erklärte den Sanitätern was passiert ist, zumindest das was er weiß, was nicht besonders viel sein dürfte.

Alles was in den Nächsten Minuten passierte, ging mehr oder weniger an mir vorbei. „Wo haben sie genau schmerzen?", „Können sie mir sagen was passiert ist?", „Haben sie irgendwelche Krankheiten die bekannt sind, oder Allergien?" Fragen über Fragen. Ich beantworte jede wahrheitsgemäß und knapp, zu mehr war ich auch nicht mehr im Stande.

Doch plötzlich wurde ich von etwas, ziemlich unsanft, zurück in die Realität gerissen. Es war eine Türe, die ins Schloss rastete. Das Geräusch durchzog meinen Kopf wie ein Blitz. Ich war hell wach. Angst mein Vater könnte nun hier stehen, machte sich in mir breit. „Wie geht's deiner Hand?" Ich seufzte erleichtert und setzte mich auf, als der Polizist auf mich zu kam. „Ganz gut, glaube ich." Antwortete ich und betrachtete den Verband, der sich um meine Hand schlängelte. Ich schwang meine Beine von der Liege und ließ sie Richtung Boden hängen. Mit den Händen krallte ich mich in die roten Polster, mein Kopf schmerzte als ich versuchte ihn zu bewegen.

So verweilten wir eine Zeit. Wir unterhielten uns über alles mögliche. Er lehnte neben mir an der Krankenhausliege und war gerade dabei, von belanglosen Dingen zu erzählen. Die kleine schwarze Katze, die zuhause auf ihn wartet wenn er nachhause kommt. Wie sehr er Abendspaziergänge liebt und sein Faible für Roboter...

Plötzlich riss jemand die Türe auf und unsere Köpfe schreckten gleichermaßen in ihre Richtung. Im Türrahmen stand kein geringerer als mein Vater. Seine Haare kraus, seine Augen trüb. Als hätte ihn jemand aus dem Tiefschlaf gerissen. Angst, Wut und Sorgen mischte sich in seinen Ausdruck. „Livia?! Was um alles in der Welt machst du hier?" Der größere kam auf mich zu gelaufen und schloss mich fest in seine Arme. So sehr, dass ich das Gefühl hatte, er dachte er würde mich nie wieder sehen. War die Angst in seinen Augen Todesangst? „Es tut Mir leid, Papa." Murmelte ich in seine Schulter. Der Stoff seines Hoodies, sog die Tränen auf, die sich in meinen Augenwinkeln gesammelt hatten.

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now