T W E N T Y S I X

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Bleib ganz ruhig. Lass dir bloß nichts anmerken. Lauf einfach ganz normal... Und atmen nicht vergessen.
Einatmen, ausatmen. Und wieder einatmen, jetzt ausatmen. Einatm-

Ich hielt die Luft an. Mir stieg unwillkürlich der Geruch seines Parfums in die Nase. Auf der Stelle war jedes Wort, was ich gerade noch in meinem Kopf wiederholt habe, weg. An deren Stelle rückten nun Erinnerungen. Seine Lippen, seine Berührungen, wie er meinen Namen aussprach. Aus Lewis' Mund klang er anders, weicher. Einfach wunderschön. Sie waren schön und schmerzhaft zugleich, die Erinnerungen. Wie gerne ich sie auch wieder zur Realität machen würde, ich muss diese Wette einfach gewinnen! Ich darf auf keinen Fall zulassen, dass ich verliere, nur weil ich mich kein einziges Mal zusammenreißen kann.

Er warf mir ein begrüßendes Lächeln zu, während er an mir vorbei lief. Es verlangte mir viel Kraft und Mühe ab, nicht in mitten auf dem Rollfeld stehen zu bleiben, aber ich schaffe es. Ich rang mir ebenfalls ein Lächeln ab, tat so als wäre nichts passiert, als mein Vater seine Hand auf meine Schulter legte. „Ach ich seh's schon vor mir. Sonne, Urlaub, Meer. Das wird klasse!" Er strahlte wie die Sonne selbst, als er diese Worte aussprach. Mit der anderen Hand gestikulierte er groß, was seine Freude nur unterstrich. Ich hingegen war noch nicht so ganz im Urlaubs Fieber...
Ich bedankte mich bei dem Mann, der mir den Koffer abnahm um ihn sicher zu verfrachten. Der meines Vaters folgte.

„Erstmal haben die Jungs ein Rennen zu gewinnen..." Erinnerte ich ihn, was er leichtfertig abtat. „Ach ja das Rennen..." Er machte eine wegwerfende Handbewegung, während er die Treppe des Fliegers bestieg. „Das gewinnen die mit links. Außerdem ist das ja nur in der ersten Woche. Danach haben wir Zeit fürs Entspannen..." Es war mir unmöglich meinem Vater weiter zuzuhören und so rückte seine Stimme immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen lenkte ich meine Aufmerksamkeit zurück auf Lewis. Der Brite hatte es sich schon auf einem der Sitze gemütlich gemacht und war so vertieft in seinem Tun, dass er mich gar nicht bemerkte. Er blickte starr auf sein Handydisplay, während er darauf herum tippte.

Schlussendlich setzte ich mich gegenüber von meinen Vater. Am liebsten hätte ich den Mercedes Teamchef, der im übrigen immer noch von Monacos Natur schwärmt, gefragt, warum in aller Welt Lewis mit uns fliegt. Er wird ja wohl genug Geld haben, um sein eigenes Flugzeug zu bezahlen, oder nicht? Jedoch behielt ich diese Frage für mich, schließlich tat es nichts zur Sache. Es macht mir nichts aus, dass er auf der anderen Seite des Gangs sitzt, sich mit seinem Manager unterhält und mich trotzdem immer wieder anschaut. Es ist mir schlicht und ergreifend egal. Das muss es einfach.

Eine gute halbe Stunde später, befanden wir uns in der Luft. Wir durchbrachen die Wolkendecke und die Sonne kam zum Vorschein. Die hatte sich zuvor auf dem Boden Englands, nicht ein einziges Mal in den letzten drei Tagen blicken lassen. Das Wetter war regnerisch, kalt und trüb. Umso besser jetzt endlich mal hier wegzukommen und die letzten zwei Maiwochen zu genießen...

Vor uns lag ein zwei Stunden Flug, also zögerte ich nicht, als ich mir die Kopfhörer in die Ohren steckte. Ich startete meine Playlist an einer willkürlichen Stelle und war froh, als es ein Lied von Chase Atlantic war, was über Schallwellen in mein Ohr drang. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück. Die Stimmen meines Vaters und seines Managers drangen immer mehr in den Hintergrund meiner Wahrnehmung, bis es irgendwann nur noch die Musik war, die ich hörte.

In diesem Moment wurde mir erstmal bewusst, wie sehr ich das brauchte. Zurücklehnen, entspannen und Musik hören. Die ganze Welt für einen Augenblick Stummschalten. Wie schön das doch wäre... Aber auch das ist, wie so vieles, eben nur eine unrealistische Fantasie. Genauso unrealistisch wie die Möglichkeit, das mit Lewis und mir könnte jemals was werden. - Um Himmels Willen, nicht schon wieder! Ich ermahnte mich selbst, diese Gedanken ein für alle mal sein zu lassen und widmete mich stattdessen Instagram. Gedankenverloren wischte ich über den Bildschirm. Likte Posts die mir gefielen, aber schaute keinen mehr als fünf Sekunden an. Zu sehr war ich gefangen in dem Wahn, alles wegzuwischen. Im Hintergrund lief immer noch Musik, die ich aber schon gar nicht mehr richtig wahrnahm.

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now