T W E N T Y F I V E

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Die Tage vergingen. Schwer, langsam. Ich fühlte mich wie die leere Hülle meiner selbst, als ich mich in mein Bett legte und an die Decke starrte. Ich war müde, ausgelaugt und kraftlos. Die letzten Monate hätten nicht intensiver und anstrengender sein können. Es war einfach zu viel. Zu viel Streit, zu viel Hass, zu viel Neues. Einfach zu viel von allem. Umso besser, dass ich nun drei Wochen Ferien habe, von denen ich mir einiges versprach.

Pfingsten ist eine Zeit in der die meisten mit der Familie verreisen. Nach Kroatien, Griechenland, Frankreich oder auch in die USA. So ist es immer, auch dieses Jahr. Nur ist es trotzdem anders. Vor drei Jahren verbrachten wir einen schönen Sommer in Spanien. Als Familie. Nur wussten wir da noch nicht, dass es unser letzter Urlaub zu dritt sein wird. Der nächste und die darauffolgenden, sollten schon nie wieder wie früher werden. Hoffnung, dass es je wird wie früher, habe ich schon lange nicht mehr. Um ehrlich zu sein, hatte ich sie noch nie. Es waren nur die leeren Versprechen von meinem Vater, die mich das glauben ließen. Dass es je wieder wird wie früher, irgendwie.

Es wird schon alles wieder gut.
Wunden brauchen ihre Zeit zum heilen und irgendwann ist alles wieder beim alten.

Worte die immer noch in mir nachhallen. Ja, Wunden brauchen Zeit zum heilen, aber es wird nie wieder wie früher. Ich habe lange gebraucht um das zu begreifen. Dass man lernen muss mit der neuen Realität zu leben, egal wie schwer es ist. Aber die Erinnerungen an die vergangene Zeit, machen diesen Vorgang zu begreifen nur schwerer als er eh schon ist. Es gibt Tage an denen ich es einfach nicht zulassen kann, die Wahrheit. Alles in mir hält daran fest, wie es einmal war, wie ich wünschte, dass es noch wäre.

Es ist also nicht die Hoffnung einen schönen Urlaub mit meinem Vater zu haben, die mir Freude bereitet hat. Es war das Wissen, dass meine Ferien absolut anstrengend sein werden und ich somit kaum Zeit haben werde, über die Vergangenheit nachzudenken. Das hoffte ich zumindest.

Seitdem mich Lewis auf dem Operndach besucht hat, habe ich einen Entschluss gefasst: Leben, egal wie. Einfach leben, nicht zurückschauen, nur den Moment genießen. Mehr möchte ich nicht mehr, mehr kann ich auch nicht mehr. Mir ist klar geworden, dass es zwecklos ist sich sorgen um Dinge zu machen, die nicht in der eigenen Hand liegen. Und ich habe eben nur dieses eine verfluchte Leben. Und das will ich nicht dafür verschwenden, Sachen gerade zu biegen, für die ein Leben zeitlich nicht reichen würde. Denn am Ende, ist es sowieso egal...

Ich zwang mich selber dazu, für einen Moment diese ganzen Gedanken ins dunkle meines Gehirns zu verbannen und endlich meinen Koffer zu packen. Also fing ich an zu überlegen, was man alles für einen zweiwöchigen Aufenthalt in Monaco braucht.

Ich fing damit an, erstmal meinen Koffer aus meinem Kleiderschrank zu kramen. Natürlich musste er im obersten Fach liegen, wo ich gerade so dran komme, wenn ich auf Zehenspitzen stehe... Vorsichtig manövrierte ich ihn zu mir auf den Boden, nur um ihn dann ratlos anzusehen. Ich war noch nie gut im packen und das werde ich wahrscheinlich auch nie werden... Letztendlich begann ich damit, sommertaugliche Klamotten einzupacken, darunter ca. 10 verschiedene Bikinis und zichtausend andere Outfits. An die Seiten stopfte ich noch Schuhe rein und oben drauf kamen Bücher. Einmal natürlich Toxic, was ich schon lange nicht mehr weiter gelesen habe, aber auch ein neues, was ich mir gerade erst gekauft habe, kam dazu. After Truth. Die Geschichte einer zerstörter Beziehung von zwei jungen Menschen. Ich habe die Filme zwar schon mehrere Male gesehen, und trotzdem bin ich mehr als nur gespannt darauf es endlich schwarz auf weiß zu lesen.

Zugegeben haben mich die beiden Charaktere schon immer fasziniert. Tessa, betrogen und gebrochen. Hardin, leidenschaftlich und impulsiv. Sie will ihn vergessen, aber er lässt sie nicht los. Und so geht es immer weiter, sie können nicht miteinander, weil sie von Grund auf verschieden sind. Aber sie können auch nicht ohne einander. Sie braucht ihn und er braucht sie, ganz einfach. Es ist ein bisschen wie bei Toxic. Eigentlich sogar ziemlich ähnlich, der einzige Unterschied, ist wohl, dass Lily weiß, wie falsch ihre Beziehung ist. Aber wäre es nur so einfach... Man kann den Menschen, den man von ganzen Herzen liebt, nicht vom einen auf den anderen Tag aus dem Leben schmeißen, das funktioniert einfach nicht.

Andererseits war es genauso einfach, vom einen auf den anderen Tag ins Leben zu platzen, warum sollte es so nicht auch andersherum gehen? So war es zumindest bei Lewis und mir. Er war plötzlich da. Er ist ohne Vorwarnung in mein Leben getreten und ich habe angefangen Gefühle für ihn zu entwickeln. Eigentlich sollte ich ihn hassen, versuchen, ihn so schnell wie irgend möglich wieder aus meinem Leben zu verbannen, aber es ist wirklich nicht so einfach. Man kann eine Person, egal wie plötzlich sie gekommen ist, nicht einfach wieder wegbiemen. Das geht einfach nicht. Vielleicht ist es deshalb auch so schwer, von jemandem Abschied zu nehmen, der nie wieder kommt? Weil es unvorstellbar ist, einen Menschen von der einen auf die andere Minute zu verlieren. Nie wieder im Leben zu sehen. Das macht es so schwer. Das Wissen, nichts mehr zu bewirken. Nichts mehr ändern zu können.

In meiner Brust breitete sich ein hohler Schmerz aus, bei diesen Gedanken. Eigentlich waren sie auch nicht neu, ich bin schließlich alt genug, um zu verstehen, dass ein Toter nie wieder zurückkehrt. Das ist es nicht. Es ist nur der Schmerz, wenn einem klar wird, dass man es wohl doch noch nicht verarbeitet hat, dass es einfach so ist. Dass die Wunschvorstellungen von früher, man würde wieder auf die Welt zurückkommen wenn man stirbt, nicht wahr ist. Alles erfunden und erlogen. Vielleicht weil es dann erträglicher ist? Zu glauben, diese Person wäre immer noch da, irgendwo. Vielleicht macht es das einfacher? Aber das ändert trotzdem nichts daran, dass sie nie wieder vor einem stehen wird. Ich werde meiner Mutter nie wieder in die Augen schauen können. In die ozeanblauen Augen, in denen ich immerzu ein funkeln sah. Die strahlten, wenn ich sie stolz machte. Aber auch das werde ich nie wieder, sie stolz machen. Und ich werde ihr auch nie wieder sagen können, wie stolz ich auf sie bin. Deshalb ein letztes Mal:

Ich bin so stolz auf dich. Papa und ich vermissen dich ganz arg. Bis ganz bald, und vergiss nicht, ich hab dich lieb, Mama.

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now