T W E N T Y O N E

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Ein Monat später:

Mein Herz krampfte, bei dem Gedanken an die vergangenen Stunden.

Es wird immer schlechter, die Zeit rennt. Wir geben unser Bestes, aber die Umstände können wir leider nicht ändern.

Waren die Worte. Sie brannten sich in meine Seele. Ich konnte kaum eine Sekunde nicht daran denken. An den Mann mit dem weißen Kittel. An das Stethoskop, welches so leichtfertig um seinen Hals hing, mit dem er nach meinem Herz gehorcht hatte, als ich auf dieser liege saß. Nichts neues für mich. Und trotzdem war es anders. Heute war eben einer dieser Tage, an denen ich bedauerte wie es ist. Ein Tag an dem ich wünschte, die Zeit hier auf der Erde wäre unendlich. Denn do viel Zeit würde es brauchen, um alle Probleme zu lösen. Mich mit meinem Vater aussprechen, vertragen. Mir darüber klar werden, was ich für Lewis empfinde. Für solche Dinge reicht kein einziges Leben, es bräuchte mehrere.

Meine Finger waren längst taub. So merkte ich gar nicht, wie sehr ich das Mikrofon mit ihnen umklammerte. Ich versuchte mich irgendwo festzuhalten. Das Gefühl, meine Gedanken würden mich in einen freien Fall befördern, war zerreißend. Wobei, eigentlich haben sie es schon. Ich befand mich längst im freien Fall und niemand bemerkte es. Nicht einer der Jungs vom Grid, mit denen ich die letzten beiden Wochenenden verbracht habe. Auch nicht Lewis, mit dem ich mich in der letzten Zeit unverhältnismäßig wenig gestritten habe. Nein, nicht einmal mein Vater, der die ganze Zeit am arbeiten und trotzdem mit mir ist.

Der einzige Mensch, der immer gemerkt hat, wenn mich etwas beschäftigte, war meine Mutter. Nur die ist leider nicht mehr hier. Bestimmt sieht sie von oben auf mich herab und ist enttäuscht von mir. Enttäuscht darüber, was ich aus meinem Leben mache. Dass ich mich zurück ziehe, lieber alleine bin. Dass ich zulasse, dass der wütende Sturm meinen Vater und mich auseinander bringt. Enttäuscht über alles, was in den letzten Wochen passiert ist...

Eine leichte Berührung an meinem Unterarm genügte, um mich aus meinen Gedanken zu reißen. Meine winzigen und feinen Härchen, stellten sich auf, als die Fingerspitzen von meinem Nächsten darüber glitten. Ich glaubte kaum, dass Lewis die Gänsehaut entgangen war, die er bei mir verursachte, als seine Finger über meine nackte Haut strichen. Dennoch sagte er nichts, aber ich sah es in seinen Augen. Die schokobraunen Teddybär Augen strahlten mir entgegen, in dem Moment wo sich unsere Blicke trafen.

„Alles okay?" Fragte er, aber seine Worte gingen unter dem Rauschen in meinen Ohren unter. Schwindel trat hinter meine Stirn, doch ich zwang mich zu einem Nicken. Wahrscheinlich nicht besonders glaubhaft, aber auch dazu sagte er nichts weiter. Stattdessen richtete er seinen Blick wieder auf meinen Vater, der gerade sprach. Auch seine Worte drangen nicht zu mir vor. Für einen kurzen Moment ließ ich meinen Blick auf ihn gerichtet. Von seinen Augen, zu dem funkelnden Stein an seiner Nase, bis zu seinem Mund.

Dieser Mann machte es mir wirklich schwer und dafür hasste ich ihn. Dafür, dass er mich mit jedem Tag, an dem wir uns besser kennenlernen, noch magischer anzieht. Dafür, dass ich nach jedem noch so kleinen Streit, das verlangen habe, seine Lippen auf meinen zu spüren und natürlich dafür, dass er so beschissen gut aussieht. Die Art wie er redet. Die Art wie er wütend wird. Die Art wie er sich sorgen um mich macht, und wenn es noch so zu unecht ist. Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass es ihn eigentlich gar nicht interessiert, hat er das Talent dazu, wenigstens so zu tun. Und dieses Talent, steht ihm unglaublich gut.

Vielleicht ist es also doch möglich, dass ich anfange Gefühle für ihn zu entwickeln?

Ich zwang mich selber, mich von diesem Gedanken loszureißen, als mein Name fiel. „Heute mit einem special guest. Livia Wolff." Die Frau auf dem Sessel gegenüber von uns lächelte, insbesondere in meine Richtung. Anschließend setzte sie wieder zum Reden an, jedoch war es mir nicht möglich, auf sie zu achten. Meine ganze Aufmerksamkeit gebührte meinem Kopf. Ich hoffte man merkte es mir nicht an, wie sehr ich damit kämpfte, nicht gleich hier vom Stuhl zu kippen. Ehrlich gesagt wusste ich auch gar nicht, woher dieses plötzliche Unwohlsein kam.
War es die Aufregung?
Der Arztbesuch heute morgen?
Oder doch einfach nur ein blöder Zufall?
So genau konnte ich es nicht sagen. Alles was ich wusste, war, dass ich einfach nur dieses Interview durchstehen musste. Was danach passiert ist zweitrangig. Die Stimme der Moderation und die ganzen Lichtreize stürzten in ihrer ganzen Intensität wieder auf mich ein, als ich realisierte, dass sie ihre Augen zurück auf mich richtete. „Nun zu ihnen Livia. Bei den letzten Rennen wurde wild spekuliert, was mit ihrer Hand passiert ist, sie haben nie Stellung dazu genommen aber ihre mittlerweile immer weiter wachsende Fangemeinde interessiert sich brennend dafür. Wollen sie kurz erzählen was da passiert ist, damit diese Frage ein für alle mal geklärt ist?" Ich räusperte mich und schob mich an der Lehne zurück. Warum wusste ich, dass diese Frage kommen wird? Ich muss jetzt einfach ganz schnell, eine Notlüge erfinden, die nicht beinhaltet, dass ich auf einem Alkohol-Drogen-Trip war und von einem Zaun gefallen bin.

„Das mit der Hand ist beim Volleyball spielen passiert. Nichts wildes, nur ein kleiner Unfall." Gab ich lächelnd von mir. Mein Vater wusste zwar, dass ich log, aber das war mir egal. Es sollte auch in seinem Interesse liegen, diesen Vorfall geheim zu halten. „Na dann wäre das auch geklärt." Sie wendete sich an Lewis und Val. „Ihr beide habt zwei sehr turbulente Wochenenden hinter euch. Trotz der starken Konkurrenz der RedBulls, konntet ihr eure Plätze verteidigen, aber denkt ihr, es wäre an der Zeit, den Vorsprung weiter auszubauen?" Die beiden Rennfahrer sahen sich prüfend an, als würden sie ihre Worte aufeinander abstimmen wollen. Der Brite war dann der erste, der etwas dazu sagte. Er lehnte sich etwas zurück, ließ sein Gewicht in die Lehne des weichen Sessels sinken und legte den Knöchel seines angewinkelten Beins auf das Knie des anderen.

„Also ich denke, dass wir gute Chancen haben, unseren Vorsprung weiter auszubauen. Bisher habe ich noch nicht das Gefühl, dass sie uns in irgendeiner Weise gefährlich werden könnten..." Valtteri stimmte dem zu, allerdings hatte die Moderatorin nicht vor, es dabei zu belassen. „Und wie sieht es zwischen ihnen und Max Verstappen aus? Gibt es da einen persönlichen Zweikampf auf der Strecke?" Fragte die Blonde nur an Lewis gerichtet. Dessen Lächeln wich sogleich einem kühlen Ausdruck. Kein Spur mehr von Wärme und auch keine von Reue, als sie den Unfall aus Barcelona erwähnte. „Es ist mir egal was die Medien sagen. Es war meine Kurve, es ist nicht mein Problem, wenn er das anders sieht. Wer sich nicht an die Regeln hält, bekommt die Konsequenzen zu spüren. Dass er irgendwann im Kiesbett landet, war absehbar. Bei seinem aggressiven Fahrstil überrascht mich das nicht..."

„Was sagen sie als Teamchef dazu, Toto?" Reichte sie das Wort weiter an meinen Vater. So vergingen einige Minuten, die die vier damit verbrachten, sich über mögliche Strategien und so weiter zu unterhalten. Ich konnte dieses Gespräch aber nicht mehr lange mitverfolgen, stattdessen nutzte ich diese Zeit und beobachtete Lewis. Der Brite war so konzentriert, dass er das gar nicht bemerkte. Ich verfolgte seine Augen, die abwechselnd zwischen Val, meinem Vater und der blonden Moderatorin hin und her wanderten. Aber er lächelte nicht mehr. Überhaupt nicht. Er sah eher so aus, als würde er das Wochenende in Barcelona revue passieren lassen. Alles was geschehen ist und ihn irgendwie wütend gemacht hat, tobte hinter seiner Fassade.
Unser Streit.
Mein Kuss mit Max.
Das Rennen.
Man konnte es ihm ansehen, wenn man ihn nur lange genug anblickte. Das Thema Max, egal in welchem Zusammenhang, schien ihn nach wie vor zu triggern.

Irgendwann wurde die Aufmerksamkeit wieder auf mich gelenkt und die Frage, wie ich mich bisher eingelebt habe, wurde gestellt. „Dadurch, dass ich von allen herzlich aufgenommen wurde, habe ich mich sehr gut eingelebt und fühle mich sehr wohl..." Ein lächeln sollte meine Aussage unterstreichen. „Gibt es jemand mit dem sie sich besonders gut verstehen. Vielleicht schon auf einer anderen Ebene, als nur rein freundschaftlich?" Auf der Stelle schossen mir Erinnerungen durch den Kopf. Mein Körper füllte sich mit brennender Hitze. Max' Lippen auf meinen. Seine Hand an meiner Wange. Lewis' Körper, der sich perfekt an meinen schmiegte. Meine Antwort, war auf so vielen Ebenen gelogen, dass es mir fast leid tat. „Nur Freundschaften..." Antwortete ich und rang mir ein Lächeln ab.

Nur Freundschaften... Freundschaften mit gewissen Vorzügen würde wohl eher passen... Nachdem sie das Wort wieder an meinen Vater gegeben hat und sich mit ihm über das bevorstehende Rennen in Monaco unterhielt, driftete ich komplett ab. Mein Blick flog zu Lewis, was ein Fehler war, denn er hatte den selben Gedanken.

Unsere Blicke trafen aufeinander und verwuchsen auf der Stelle zu einem. Ich versank in dem Schokoladenbraun. Mein Atem stockte und mein Herz begann in rasender Geschwindigkeit an Fahrt aufzunehmen. Plötzlich verloren meine Gedanken an Bedeutung und alles andere schien zweitrangig zu sein. Er sah mich an und ich hatte das Gefühl, nichts hatte mehr ein Gewicht. Es gab nur uns. Für einen ganz kurzen Moment. Hätte ich ihn einfrieren können, hätte ich es getan, den Augenblick der Ruhe. Diese Leichtigkeit konserviert, um sie für immer zu behalten.

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFOnde as histórias ganham vida. Descobre agora