F O R T Y F O U R

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Leises Klopfen an meiner Türe ließ mich die Augen aufschlagen. Als ich mich umdrehte sah ich meinen Vater, der seinen Kopf durch die Türe streckte um nach mir zu schauen. „Habe ich dich geweckt?" Er kam einige Schritte auf mich zu und setzte sich dann auf meine Bettkante. Kopfschüttelnd richtete ich mich auf, doch die Müdigkeit hing mir in den Knochen. Ich hatte zwar nicht geschlafen, aber ich war kurz davor gewesen, und das konnte man mir wahrscheinlich auch ansehen. „Hör zu, Liv. Wegen vorhin, ich mache mir wirklich Sorgen um dich..." Fing der Ältere an, ich seufzte. Eigentlich hatte ich gerade wirklich keine Nerven, mir die immer gleich bleibende Leier anzuhören. Eigentlich wollte ich mich einfach nur hinlegen und mich ausruhen. Mehr verlangte ich doch gar nicht...

„Papa, bitte..." Ich rieb mir durchs Gesicht, warum konnte er nicht einfach aufhören? „Es geht mir gut, wirklich. Du musst dir keine Sorgen machen." Er seufzte, seine Augenbrauen zuckten nach oben. Er glaubte mir nicht, kein Wort. „Liv, ich bin dein Vater und ich sehe, wenn es dir nicht gut geht. Mit solchen Anfällen ist nicht zu spaßen, du weißt genau wie-" Ich unterbrach ihn. „Hör auf, Papa." Verzweifelt kniff ich die Augen zusammen. „Ich weiß, wie es bei Mama war, das musst du mir nicht sagen. Aber es geht mir gut, solche Dinge passieren eben..." Ein humorloses Lachen entwich ihm und er schüttelte den Kopf. „Solche Dinge passieren nicht einfach so, hast du das verstanden? Der Arzt soll sich morgen anschauen was das Problem ist, und dann schauen wir weiter." Er stand auf. „Papa!" Entfloh es meiner Kehle, der angesprochene blieb stehen und schaute mir ins Gesicht. Plötzlich wusste ich nichts mehr zu sagen. Ich war wütend. Wütend auf ihn, dass er schon wieder irgendwelche Dinge beschloss, ohne mit mir darüber zu reden und wütend auf mich, weil ich so eine beschissene Tochter war. Aber ich konnte nichts sagen, brachte keinen Ton heraus. „Es ist nur zu deinem besten, und jetzt schlaf gut, mein Schatz." Er lächelte warm und verließ dann mein Zimmer.

Mein Rücken sank zurück, ich wollte schreien, weinen, doch da war nichts. Entweder war ich zu müde um in Selbstmitleid zu versinken, oder ich war mir bereits im Klaren darüber, dass es nichts brachte. Meine Hoffnung, die Mauer zwischen meinem Dad und mir würde jemals brechen, wurde mit jedem Streit, jeder Diskussion kleiner. Und ich konnte nichts dagegen tun. Dabei wollte ich das eigentlich gar nicht. Ich wollte meinem Vater glauben, dass er es für mich tat, nur warum konnte ich es nicht? Warum war da diese Stimme, die mir das Gegenteil sagte?

*

Ein unangenehmes Gefühl ummantelte mich,als ich die Praxis betrat. Und es wurde immer schlimmer. Es erdrückte mich förmlich, als ich auf dem Stuhl saß und ins leere starrte. Anfangs trafen mich diese Arztbesuche wie schallende Ohrfeigen, mittlerweile war es nur noch das überdauern, was mir zusetzte. Der Grund dafür war aber nicht, dass es erträglicher wurde, ganz im Gegenteil sogar. Jeder Besuch hier wurde schwerer. Mit jedem Mal, kapselte sich mein Gehirn weiter ab und ließ nichts mehr zu. Ich hörte die Stimmen nicht mehr, ich spürte den Schmerz nicht mehr. Da war einfach nichts, außer die Enge in meiner Brust, wenn ich hier saß.
Leere war an die Stelle getreten, an der einmal Gefühle waren.

Zurück zuhause versuchte ich meinem Vater aus dem Weg zu gehen, doch der hatte offensichtlich andere Pläne. „Hier geblieben, Madame." Ich rollte mit den Augen und trabte die Treppe zurück nach unten, wo ich dem älteren ins Wohnzimmer folgte. „Was ist?" Fragte ich extra desinteressiert und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich möchte, dass du mit mir redest." Ich rollte nochmalig mit den Augen. „Ich möchte dich nicht ärgern, ich will nur das beste für dich, verstehst du?" Redete er weiter, ein flehender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. „Du bist meine Tochter und ich will, dass es dir gut geht, okay?" Ich lachte humorlos auf, wie konnte er diese Worte wirklich in den Mund nehmen. „Du hast wirklich nichts kapiert, oder?" Fragte ich und blickte ihn fassungslos an. „Würde es dich wirklich interessieren wie es mir geht, würdest du merken, was du mir mit diesen ganzen Sachen antust. Diese neue Schule, die beschissene Formel eins, deine Übervorsicht, du zerstörst mein Leben damit! Aber das hast du nicht gemerkt, weil du geblendet von der Vorstellung bist, dass alles irgendwie gut wird."
Tränen schossen mir in die Augen. „Du weißt genau, dass das nicht stimmt!" Jegliche Gefühle wichen seiner Mimik, sein Blick wurde monoton. „Natürlich!" schrie ich, mein Brustkorb zog sich schwer zusammen. „Natürlich stimmt das!" Mein Puls stieg und ich spürte das Blut in meinen Adern hochkochen. „Du merkst es einfach nur nicht, vor lauter andern Dingen, die dir wohl wichtiger zu sein scheinen, als das Wohlergehen deiner eigenen Tochter. Du siehst nicht, was direkt vor deiner Nase ist, und das ist wirklich erbärmlich." Ich ging, nachdem ich ihm diese Worte an den Kopf geknallt hatte.

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now