T H I R T Y E I G H T

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Nach unserer kleinen Kaffeerunde, musste sich Lewis verabschieden. Um nicht unhöflich zu sein, begleitete ich ihn noch zur Türe. „Freunde also..." Der Brite Schmunzelte und ich musste mit den Augen rollen. „Als was würdest du uns denn sonst bezeichnen?" Ich blickte ihn fragend an, während ich die Türe öffnete. Er überlegte kurz, nur um dann mit den Schultern zu zucken. „Ich mein ja nur..." Er trat über die Türschwelle und stand nun auf der Veranda, von wo aus er sich nochmal zu mir umdrehte. „Wenn irgendwas ist, oder du etwas brauchst, kannst du dich bei mir melden. Ich wohn ja nur einen Blog weiter..." Ich nickte lächelnd. „Mach ich." Wir verabschiedeten uns noch, ehe ich die Türe schloss und er zu seinem Auto lief.

Mein Opa war so nett und half mir meinen Koffer hochzutragen, wo er ihn in mein Zimmer stellte. Auch hier hatte sich nichts geändert. Es hingen immer noch die Poster von meinen früheren Idolen an den Wänden, das Bett war mit einer Pferdebettwäsche bezogen und in den Schränken befanden sich Malbücher und anderer Kram. Dieses Zimmer war praktisch meine Kindheit. Ein Ort, der nicht mit mir mit gealtert ist. Ein Raum, in dem die Zeit still stand.

Ich entschied mich meinen Koffer vorerst nicht anzurühren und legte mich dann aufs Bett. Kaum hatte ich mir wieder die Kopfhörer aufgezogen, versank ich in der Stille, meine Gedanken wurden dabei immer lauter. Freunde also... Wiederholte ich das was Lewis gesagt hat. Ich meine, er hatte diese Frage zurecht gestellt. Wir waren nicht 'nur Freunde', das war eine Lüge. Aber was waren wir dann? Irgendwas zwischen Freunden, Feinden und Menschen die sich gegenseitig anziehen. Nur was, wie heißt das, was wir sind? Ja, ich habe Gefühle für ihn, aber das heißt noch lange nicht, dass ich mir eine Beziehung mit Lewis vorstellen könnte. Es gibt viel zu viel, was dagegenspräche. Er ist weltberühmt, mehrmaliger Formel eins Weltmeister, ein Mädchen an seiner Seite würde für extrem viel Furore sorgen und ich möchte mich nicht in die Schusslinie für Hasskommentare und Hate von besessenen Fangirls stellen. Abgesehen davon ist er ein arrogantes Arschloch und mit so jemand möchte ich eigentlich nichts zu tun haben.

Das Problem ist nur, dass ich all diese Dinge, die gegen ihn sprechen, nicht mehr sehe, wenn er anwesend ist. Es ist, als würde er mit jedem Zentimeter den er mir näher kommt, ein Stück von vergiften. Den Teil in meinem Gehirn, der für das rationale Denken zuständig ist und verhindert, dass man Fehler begeht. Denn es wäre ein Fehler. Unser erster Kuss war ein Fehler. Unser zweiter Kuss war ein Fehler. Unser dritter Kuss war ein Fehler. Und unser vierter würde es auch sein. Vielleicht ist es also das Beste, das Verhältnis so distanziert wie möglich zu halten. Dass das schwer werden wird, war mir durchaus klar, doch mein stures Ich, war der festen Überzeugung, ich könnte es schaffen. Ihn irgendwie vergessen, zu ignorieren was da eigentlich ist und damit leben, dass da niemals mehr sein wird. Ich würde mir noch selber dafür danken, nicht die Kontrolle zu verlieren...

Wobei, hab ich das nicht eigentlich schon? Habe ich die Kontrolle verloren? Tief im inneren wusste ich, dass es so war, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass ich es nicht sehen wollte. Ich wollte daran glauben, dass ich es noch nicht habe, die Kontrolle verloren. Ich wollte es wirklich sehen... Vielleicht sogar so sehr, dass ich nicht mehr sehen konnte, wie es wirklich war...

*

Übermüdet und gedanklich völlig wo anders, setzte ich mich auf die Treppe, um mir meine Laufschuhe anzuziehen. Ich war nun schon seit drei Tagen hier und ich habe seit drei Tagen kaum ein Auge zugemacht. Ich brauchte das jetzt einfach, die frische Morgenluft in meinen Lungen. Ich hielt es nicht mehr aus, nur in meinem Zimmer zu hocken und der Stille zu lauschen. Es ging einfach nicht mehr.

Ich lief los, spürte den harten Teerboden unter meinen Schuhen, den leichten Wind in meinem Gesicht und die Energie, von der ich nicht mal mehr wusste, dass ich sie hatte, durch meinen Körper fließen. Ich hatte das hier vermisst, einfach rauszugehen und zu rennen. Aber ich wünschte, ich könnte sagen, dass es mir die Sorgen aus dem Kopf blaß, doch das tat es nicht. Ich lief schneller, in der Hoffnung meine Gedanken hinter mir lassen zu können. Und ich lief noch schneller, als es nicht funktionierte. Dann rannte ich. Ich rannte, irgendwohin, Hauptsache weg von hier. Ich wollte das alles nicht mehr sehen, nicht mehr daran denken, ich wollte einfach abschalten, doch es ging nicht.

Die Sorgen überrollten mich mit einem Mal und warfen einen dunklen Schatten über mich. Ich blieb stehen, schloss meine Augen, kniff sie zusammen und trotzdem änderte es nichts. Plötzlich war alles wieder da. Alles was ich in den letzten Tagen versucht habe zu verdrängen war wieder da. Ich war noch nie ein Freund davon, Problemen aus dem Weg zu gehen, ich wollte sie schon immer so schnell wie möglich lösen, doch diesmal war es anders. Lewis ist das eine, dass ich mich noch nicht mit Max ausgesprochen habe, ist das andere. Ich wollte es klären, natürlich tat ich das. Aber ich hatte Angst, unbeschreibliche Angst. Was würde er sagen, wenn ich ihm die Wahrheit über meine Gefühle gestehe? Wie wird er reagieren?

Zitternd hielt ich mich an einem Laternenpfahl fest. Ich musste damit aufhören, all diese Dinge so nah an mich herankommen zu lassen. Ich musste einfach damit aufhören, ansonsten wird mir früher oder später das Gehirn explodieren!

Zurück bei meinen Großeltern, gab es Frühstück. Mittags half ich meinem Opa sein Auto zu putzen und Abends meiner Oma das Abendessen vorzubereiten. Ich schnitt das Gemüse für den Salat, während sie Kartoffeln für ein Gratin schälte. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt redeten wir über belangloses Zeug, dann wechselte meine Oma das Thema und sprach nochmal die Beziehung zwischen Lewis und mir an. „Sag mal meine kleine, es will mir ja einfach nicht aus dem Kopf gehen, dass ihr nur Freunde seid. Ihr wäret so ein süßes Paar!" Ich musste auflachen. Sie wird wohl niemals locker lassen...

„Eure Blicke. Ich seh doch, dass da was ist. Wie er dich anschaut, so verliebt und-" Sie unterbrach sich und Seufzte laut. Ich sah sie fragend an. „Verliebt?" Mir entglitt ein Lachen. „Ganz bestimmt nicht. Bis sich Lewis in mich verliebt, werden ganz andere Dinge passieren..." Ich schüttelte den Kopf und schnitt dann weiter die Tomate in dünne Scheiben. „Ach Liv... Ich bin doch deine Oma, mir kannst du's erzählen." Ich spürte ihren eindringlichen Blick auf mir kleben, der es mir schwer machte, die Fassung zu behalten. Und sie wusste das. Sie wusste, dass sie recht hatte, sie war schließlich meine Oma. Sie kennt mich mein ganzes Leben, wahrscheinlich kennt sie mich besser als ich mich selber... „Sag mir, dass ich unrecht habe." Ich seufzte ergebend und legte das Messer ab. „Och man Oma, es ist so kompliziert..." Ein bemitleidendes Lächeln zuckte über ihre Lippen. „Ich mag ihn ja schon... Irgendwie." Fuhr ich mit gesenktem Blick fort. Ich wusste zwar, dass mich meine Oma für nichts verurteilen würde, aber ein wenig peinlich war es mir schon. Andererseits war sie die einzige, abgesehen von meinen Freunden, mit der ich über sowas reden würde. Sie versteht mich und hat immer einen guten Rat parat, was ich gerade echt gut brauchen könnte. „Livia..." Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände. „Schau dich doch mal an. Du bist wunderschön! Jeder Mann würde sich freuen dich an seiner Seite zu haben... Und Lewis ganz bestimmt auch." Sie beendete den Satz mit einem Zwinkern, was mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte. „Vielleicht solltest du einfach mit ihm reden?" Ich nickte stumm, vielleicht sollte ich das wirklich...

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWhere stories live. Discover now