T W E N T Y F O U R

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Mit jeder Minute die verstrich, wurde es kälter und windiger. Ein typischer Maiabend eben. Dunkle Wolken ersetzten die letzten Sonnenstrahlen. Sie zogen sich über den ganzen Horizont, nicht einmal mehr Sterne waren zu sehen. Ich umklammerte meine Beine mit meinen Armen, während mir die Decke etwas Wärme spendete.

Es wunderte mich zugegeben etwas, warum Lewis nichts weiter zu dem Gras gesagt hat, aber vielleicht tut er das ja doch, irgendwie? Im Augenwinkel beobachtete ich wie er mich musterte, seine Augen nicht von mir nehmen konnte. Als würde er versuchen mir abzulesen was ich in diesem Moment dachte. Dass das allerdings rein gar nichts mit Kiffen zu tun hatte, sollte ihm möglichst verborgen bleiben. Genauso wie der Fakt, dass mir seine Nähe eine Gänsehaut einjagte. Eine die mich vergessen lässt, dass ich ihn eigentlich hasse. Dass ich ihn verabscheue, weil er ein arrogantes Arschloch ist. Doch es war so verflucht schwer das alles im Kopf zu behalten, während er mich so ansah. So eindringlich, niederschmetternd. Wie wenn ich jeden Moment unter seinem Blick zu Grunde gehen würde, schmelzen wie Eiswürfel in der Sonne.

Ein Windstoß wehte mir meine Haare ins Gesicht. Ich musste leicht kichern, da sich dort wo gerade noch Lewis zu sehen war, nicht mehr als ein brauner Schleier befand. Plötzlich spürte ich seine Hand an meiner Schläfe, wie er mir ein paar Haare hinter die Ohren strich. Mir wurde heiß und gleichzeitig eiskalt. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen, dass er überhaupt solche Wirkungen auf mich hat? Ich erkannte mich selbst nicht mehr, in diesem und dem darauffolgenden Moment. Für einen kurzen Augenblick hielt er inne. Sah von meinen Augen zu meinen Lippen, und dann zurück zu meinen Augen. Das funkeln in seinen, es war so verflucht schön. Viel zu schön.

Meine Lieder fielen zu, als er sich zu mir lehnte und mich küsste. Er machte ein seufzendes Geräusch und ich bekam Gänsehaut, als seine Finger in meinen Nacken glitten. Was stellte er bloß mit mir an? Er bringt mich dazu, meine Prinzipien zu vergessen. Er ganz alleine. Der Kuss wurde verlangender, hektischer. Ich zog meine Hand aus der Decke und umgriff ebenfalls seinen Nacken. Ich spürte wie mein Herz stolperte. Von langsamen Schlägen, auf ganz Schnelle wechselte. Er war so verflucht ungesund für mich, in so vielen Hinsichten. Und trotzdem tat ich nichts dagegen. Unterbrach den Kuss nicht. Unterbrach nicht, dass er mich weiter in mein eigenes Elend stürzt. Denn das ist es. Elendig, das zwischen uns ist pures Elend. Wir beide, das funktioniert einfach nicht!

Plötzlich unterbrach er den Kuss und sah mich an. „Ich wusste es..." Ein breites Schmunzeln zierte seine Lippen, als er sich zurück lehnte. „Du kannst mir einfach nicht widerstehen." Ich schluckte schwer. Warum musste er das jetzt sagen? Diese Worte hatten etwas tiefes in mir berührt. Ja, ja verdammt, ich konnte ihm nicht widerstehen! Er hat so verflucht recht und doch, antwortete ich mit einem ruhigen „das stimmt nicht" und es war gelogen. Mehr als alles andere. Und das wusste ich jetzt. Er wusste es auch. „Ach ja?" Er funkelte mich an. „Ich wette du hoffst insgeheim nur auf solche Momente wie diesen hier..."

Ich wollte ihn gerade fragen woher er dieses Selbstbewusstsein nimmt, dass er denkt alle Menschen auf dieser Welt schmachten ihn an, stattdessen streckte ich ihm meine Hand hin. Neben diesem Kuss, der größte Fehler in den letzten Wochen. „Die Wette gilt. Wer es länger aushält..." Er nahm sie entgegen und schüttelte sie fest. „Du wirst so gnadenlos verlieren." Ein Lächeln huschte auf meine Lippen, während in mir alles danach schrie, die Zeit zurück zu drehen. Rückgängig machen, was ich gerade getan habe. Nämlich meine Niederlage zu schreiben. „Das werden wir ja noch sehen." Ich funkelte ihn siegessicher an, doch ich wusste, wie schlecht meine Chancen standen. Jeder verfluchte Zentimeter seines Körpers schreit danach ihn zu berühren. Und es ist wirklich schwer, das nicht zu tun. Andererseits ist mein Name Livia Wolff. Ich bin nicht der Typ Mensch, der direkt aufgibt, nur weil die Chancen schlecht stehen. Würde ich das tun, säße ich jetzt sicher nicht hier. Ich würde alles dafür tun, diese blöde Wette zu gewinnen, diesen Sieg gönnte ich ihm einfach nicht. Nicht nachdem er sich unbemerkt in mein Herz geschlichen hat und dort nun wütet. Außerdem ist er ein Mann. Männer sind so einfach gestrickt und wenn man sie nur im richtigen Moment erwischt, ist es ganz einfach ihre Dämme zu brechen. Ich meine, bisher konnte noch kein männliches Wesen meinem Scham widerstehen. Also wird Lewis das auch nicht und falls doch, habe ich ja noch ein Ass im Ärmel...

„Was machst du?" Traf mich seine Frage, als ich mich aus der Decke schälte und aufstand. „Nicht riskieren die Wette heute schon zu verlieren." Gab ich knapp zurück, ehe ich auf die Kante des Gebäudes zulief. Es war dieses Empfinden von Unbedeuten, was mich überkam, als ich auf die Welt hinuntersah. Alles war so klein. Klein und unbedeutend. So klein und unbedeutend, dass mir all meine Probleme fast lächerlich vor kamen. Ich meine, was in dieser gottverdammten Welt ist es wert, sich sorgen zu machen? Sorgen und Gedanken, die sich in kleinen Fältchen auf die Stirn zeichneten. Egal über was. Am Ende, spielt es doch eh keine Rolle mehr, denn das Ende ist für jeden gleich. Egal ob Arm oder reich. Erfolgreich oder erfolglos. Glücklich oder unglücklich. Es ist völlig Sinn frei, denn wir sterben alle. Und dann ist es egal, was zu Lebzeiten passiert ist.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Es formte mir eine Kugel in den Magen, die dicker wurde, mit jedem weiteren Gedanken, der in diese Richtung ging. Sie bestand aus so vielen unterschiedlichen Gefühlen, dass es fast schwer war sie zu unterscheiden. Zum einen waren da Schuldgefühle. Dafür, dass ich nicht die Tochter für meinen Vater sein kann die er verdient hätte und natürlich auch für jede Enttäuschung, die ich je für irgendjemanden dargestellt habe. Andererseits mischte auch Wehmut mit. Ich tat mir selber leid, wie abgefuckt mein Leben ist. Dass ich eigentlich das glücklichste Mädchen auf der Welt sein müsste und es trotzdem nicht bin. Dass ich hier oben mit Lewis Hamilton stehe, der Mann, mit dem ich gerade gewettet habe, wer es länger ohne die Berührungen des anderen aushält und auf die Welt hinunter blicke. Absurder geht es doch irgendwie nicht?
Und ich spürte Hass, gemischt mit Wut. Wut auf mich selber und Hass auf Lewis. Wie konnte ich es nur so weit kommen lassen, dass ich ihm am liebsten um den Hals fallen würde, nur um seine Wärme an meinem Körper zu spüren? Wie um Himmelswillen?

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFDove le storie prendono vita. Scoprilo ora