T H I R T Y F O U R

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Ich schreckte auf, als mich plötzlich jemand packte und über seine Schultern warf. Panisch zappelnd und rufend, versuchte ich mich aus Daniels Fängen zu befreien. „Nein, Daniel. Bitte nicht!" Schrie ich immer wieder, doch er ließ mich nicht los. Und dann war es zu spät. Er warf mich mitsamt meinen Klamotten ins eiskalte Wasser.
Nach Luft jauchzend tauchte ich auf. „Daniel!" brüllte ich, während ich mir die triefenden Haare aus dem Gesicht wischte. „Sorry!" Der Australier zuckte nur unschuldig mit den Schultern, was mich zur Weißglut brachte. „Das bekommst du noch zurück..." Schnaubte ich leise, während ich an dem dunklen Lockenkopf vorbei ging, der bis zu den Oberschenkeln im Wasser stand. Zurück bei unseren Sachen zog ich mir den nassen Stoff meines Kleides über den Kopf und warf es anschließend auf den Boden. Im Anschluss daran checkte ich noch kurz mein Handy. Ich wollte einfach sicher gehen, dass mir niemand geschrieben hatte und ich irgendwas extrem wichtiges verpasse.

„Na los Liv. Komm ins Wasser!" Rief einer der Jungs, woraufhin ich mein Handy zurück in die Tasche meines Jäckchens steckte. „Ich komme!" So schnell ich konnte rannte ich zurück in Richtung Wasser. Meine Füße hinterließen feuchte Fußabdrücke im Sand und je näher ich dem Wasser kam, desto mehr wurden sie von der nächsten Welle verwischt.

Wir hatten Spaß. Sehr viel Spaß sogar. Die Jungs tollten im Wasser und selbst ich konnte für einen Moment meine Gedanken loslassen. All meine Sorgen, alles über was ich mir Gedanken machte, war weg. Einfach weg, für einen Augenblick aus meinem Leben verbannt. Wie schön dieses Gefühl, alles einfach loszulassen, war, hatte ich schon längst vergessen. Das letzte mal als ich mich einfach nur sorglos und frei fühlte, ist schon zu lange her, als dass ich mich wirklich daran erinnern konnte. Wahrscheinlich war es der Moment, bevor mein Leben den Bach runter ging. Bevor meinem Mum starb und mein Vater komisch wurde.
Aber genauso sehr wie ich wusste, dass dieser Moment hier für immer in meiner Erinnerung bleiben wird, wusste ich auch, wie tief der Fall ist, wenn man realisiert, dass dieser Moment zur Erinnerung wird. Am liebsten würde ich ihn einfrieren, erzwingen, dass das hier nie der Vergangenheit angehört, doch so einfach war das eben nicht. So schön etwas auch ist, man muss eben akzeptieren, dass es nicht für die Ewigkeit ist. Denn nichts ist für die Ewigkeit...

Eingekuschelt in mein trockenes Jäckchen, ließ ich den Tag Revue passieren. Die anderen saßen ebenfalls hier und so ließen wir den Abend gemeinsam ausklingen. Das Lagerfeuer wurde immer kleiner und die Luft immer kälter. Die Sonne war natürlich längst weg, stattdessen konnte Monacos Nachtleben in seinem vollen Glanz erstrahlen.

„Bis wann bist du nochmal hier, Liv?" Fragte mich plötzlich einer der Jungs, woraufhin ich kurz überlegte. „Ich flieg am Samstag." Erklärte ich dem Monegassen und zog mir die Kapuze über den Kopf. Meine Haare waren immer noch feucht, durch das salzige Wasser hatten sie sich in schöne Locken geformt. „Ein Freund von mir feiert am Mittwoch seinen Geburtstag. Du kannst auch kommen, wenn du magst..." Meine Augen wurden groß. „Wirklich?" Der junge Mann nickte und ich konnte mein Glück kaum fassen. Was gibt es schon besseres, als eine Geburtstagsparty in Monaco? „Na klar würde ich kommen, wenn es für ihn kein Problem ist..." Dies konnte Charles nur abwinken. „Der wird sich freuen wenn du kommst... Die Idioten hier" Er warf einen vielsagenden Blick in die Runde „kommen im übrigen auch, wird also sehr lustig." Ich lachte und bedankte mich noch für die Einladung, bevor das Thema des Gesprächs wechselte.

Während sich die Jungs über Dinge wie Fußball oder auch ihre Pläne für die Sommerpause unterhielten, saß ich nur still daneben. Aber das war vollkommen okay. Ich lauschte ihnen und verlor mich dabei völlig in meinen Gedanken. Dass ich dabei aber stets beobachtet wurde, blieb mir natürlich nicht unbemerkt. Max, der links gegenüber von mir saß, hielt den Blickkontakt zu meinen Augen, doch ich ging dem aus dem Weg. Falls sich meine Vermutungen, dass er Gefühle für mich entwickelt hat, jemals bewahrheiten, wie sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Dass er ein Mittel zum Zweck war. Dass ich ihn unglaublich gerne mag, aber nicht in dieser Weise. Wie sollte ich ihm das sagen, ohne ihn zu verletzten?

Na ja, kann man das überhaupt? Jemandem eine Abfuhr erteilen, ohne Gefühle zu verletzten. Das geht doch gar nicht, oder? Es werden zwangsläufig Gefühle verletzt, und das ist leider unumgänglich, schätze ich...

„Danke, dass du mich fährst..." Brach ich irgendwann die Stille zwischen Charles und mir, während wir zu seinem Auto liefen. Zugegeben war ich wirklich froh, dass er vorgeschlagen hatte mich nachhause zu bringen. Auch wenn man es von Monaco nicht unbedingt denkt, ist es doch gruselig, als Frau alleine unterwegs zu sein. Das ganze dann auch noch nachts war nichts von den Dingen, die ich gerne tat. „Kein Problem, liegt auf dem Weg." Er lächelte und gab mir das Gefühl, es wäre tatsächlich okay.

Sein Auto war nicht zu übersehen, als wir die Straße erreichten. Es war unweit des Strandes geparkt, weshalb der Weg nicht wirklich weit war. Man erkannte den Ferrari mit der grauen Lackierung von weitem. Der roteweiße Streifen, machte ihn unverkennbar. Das hier ist Charles Leclerc's Auto!

Wir stiegen ein, sofort wurde mir wieder warm. Der gebürtige Monegasse stellte das Radio an und fuhr los. Eine Weile redete keiner von uns beiden. Wir lauschten einfach nur der Musik und ich beobachtete wie wir durch die engen Straßen kurvten, doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste einfach wissen, was Max von mir möchte und als ein guter Freund, hat er Charles bestimmt davon erzählt... „Du Charles..." Fing ich an und richtete meinen Blick zu dem Formel eins Fahrer. Der angesprochene gab ein leises Gemurmel von sich, was wohl ein Zeichen dafür war, dass er mir zuhörte. „Es gibt da so ne Sache die mich einfach nicht mehr los lässt, vielleicht kannst du mir ja helfen?" Ich legte eine kleine Pause ein, auch wenn ich wusste, dass sie eigentlich unnötig war. Solange ich Charles nicht sage, bei was ich seine Hilfe brauche, wird er mir wohl nichts sagen können...

„Na klar. Um was geht's denn?" Ich schluckte schwer, wenn ich es nur so einfach in Worte fassen könnte... „Ein Junge?" Ich nickte ohne etwas zu sagen, das schmunzeln auf seinen Lippen entging mir trotzdem nicht. „Es geht um gestern." Fing ich schließlich an, was mich dann doch mehr Überwindung kostete, als erwartet. „Als ich mit dir telefoniert habe und dir Daniel das Handy weggerissen hat, hat er sowas gesagt wie 'na, wie ist es gelaufen, was hat sie gesagt?' Wahrscheinlich dachte er, dass Max am Handy war, aber-" Ich unterbrach mich selber. Mein Wortschatz schien innerhalb weniger Minuten auf wenige Wörter geschrumpft zu sein und jetzt wusste ich die wenigen die ich hatte, nicht mal mehr mehr zu verwenden.

„-aber du warst am Handy und jetzt denkst du, dass Du damit gemeint warst..." Lächelte Charles und sah mich kurz an. Verwundert nickte ich. „Woher weißt du-" er unterbrach mich. „Liv, ich weiß es, weil er's mir gesagt hat... Er hat gesagt, dass er zu dir geht." Stumm folgte ich dem, was Charles sagte, doch verstehen tat ich nichts von dem. Er wusste es? Max hatte tatsächlich mit seinen Freunden darüber geredet? Irgendwie war ja genau das das, worauf ich gehofft hatte, dass Charles mir helfen kann, eine Antwort auf meine Fragen zu bekommen. Aber jetzt wo er das so sagte, hatte ich Angst. Nur noch Angst. Angst davor, bestätigt zu bekommen, dass ich richtig war.

„Weißt du auch, warum genau er zu mir wollte?" Krächzte ich leise. Meine Stimme war weg, mein Hals war trocken. Der Ferrari Pilot hielt den Wagen vor der Tür des Hauses in dem sich meine Wohnung befand. Schulterzuckend wendete er sich von seinem Lenkrad ab. „Selbst wenn ich es so genau wüsste, lege es nicht bei mir, es dir zu sagen." Ein entschuldigendes Lächeln zuckte über seine Lippen. „Sorry..." Ich schüttelte den Kopf und schloss kurz die Augen. „Nicht dafür, Charles. Danke trotzdem. Und danke fürs fahren!" Fast schon fluchtartig verließ ich den Wagen, verabschiedete mich noch auf Mittwoch und ging dann ins Haus.

Jetzt wusste ich es, dass da etwas ist. Irgendwas, doch das machte es nicht einfacher. Ganz im Gegenteil sogar. Es versetzte mich in Panik, nicht zu wissen, was ich tun soll. Natürlich wusste ich noch nicht warum Max zu mir wollte, aber irgendwie war es doch klar. Ich meine, ich bin kein naives Kleinkind und wenn man eins und eins zusammen zählt, kann man sich doch schon denken, was er wollte. Er wollte mich sehen, mit mir sprechen. Dieser Augenkontakt heute, es war, als würde er etwas realisieren. So wie mir bewusst wurde, dass da etwas ist, wenn ich an Lewis denke, so wurde ihm vielleicht auch bewusst, dass es eine Person gibt, die bei ihm die gleichen Gefühle auslöst. Und vielleicht bin ich diese Person...

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt