Du bist nervös

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Joshs Sicht:

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Joshs Sicht:

,,Guten Morgen'', begrüßte ich Selina, die bereits in der Küche stand, als ich sie betrat.

Müde rieb ich mir über die Augen. Ich hatte in dieser Nacht nicht gut geschlafen, weil ich mir immer noch Sorgen machte, dass Bianca mich auf die Nacht ihres Geburtstages ansprechen würde.

Mir fiel einfach keine plausible Erklärung ein, die ich ihr auftischen konnte. Ich wollte sie nicht anlügen, doch ich sah keine andere Möglichkeit. Ich wollte weiterhin die Beziehung mit ihr fortführen.

,,Morgen'', antworte mir Selina, die mich nun ansah.

Sie trug eine Joggingshose und ein weites T-Shirt. Um ihre Augen machten sich leichte Augenringe bemerkbar. Sie hatte diese Nacht scheinbar auch nicht wirklich gut geschlafen.

Ihre Arme hatte sie vor ihrer Brust verschränkt, als würde sie mir damit sagen wollen: ,,Komm mir ja nicht zu nahe.'' Ihre Lippen waren leicht geöffnet, als ob ihr etwas auf der Zunge lag, was sie sich aber nicht aussprechen traute.

,,Ist etwas? Du siehst mich so entgeistert an.''

Ich verfolgte mit, wie ihr Blick auf meinem Oberkörper haften blieb. Keine Ahnung wieso, aber in mir machte sich stets eine Gänsehaut breit, wenn sie mich so eingehend musterte. Das war bis jetzt bei noch keinem einzigen Mädchen passiert.

Ich konnte mich noch sehr gut daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte, als sie mit ihren Lippen meine Haut berührt und sich bis hinunter zum Ansatz meiner Hose geküsst hatte. Mein ganzes Blut war in meine unterste Region geflossen und ich hätte fast die Kontrolle verloren.

Wenn ich sie an diesem Abend geküsst hätte, wäre es mit meiner eigenen Selbstbeherrschung vollkommen vorbei gewesen. Und das sie mich jetzt so anschaute, als würde sie mich körperlich begehren, machte es mir gerade in dieser Situation nicht einfacher.

,,Bianca hat mir gestern etwas erzählt, das ... ''

Fuck!

Bianca hatte also nicht mit mir, sondern mit Selina gesprochen. Das konnte nicht Gutes bedeuten.

Was genau hatte sie Selina erzählt?

Mich machte es innerlich umso unruhiger, als Selina keine Anstalten machte, ihren Satz zu beenden.

Ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen, wie unruhig ich gerade in diesem Moment war. Zum Glück drehte sie sich nicht zu mir um, als sie ein Toastbrot in den Toaster schob.

,,Kann es sein, dass du gerade deine Zunge verschluckt hast?'', fragte ich sie, als ich diese Stille irgendwann nicht mehr aushielt.

Egal, was sie mir jetzt erzählen würde. Da musste ich wohl oder übel durch. Diese Suppe hatte ich mir selbst eingelöffelt. 

,,Sie hat gesagt, dass der Sex gestern nicht so gut war und ihr euch irgendwann entschieden habt, es miteinander mit geschlossenen Augen zu treiben. Mittendrin sei dir mein Name herausgesucht und das hat sie total verunsichert und mich übrigens auch und ich weiß auch nicht, wieso ich dir das eigentlich erzähle, weil es total peinlich ist und sie sich bestimmt nur verhört haben muss'', rückte Selina dann doch mit der Sprache heraus.

Bianca war also mein Patzer aufgefallen. Ganz große Klasse ...

In diesem Augenblick hätte es mich eigentlich interessieren sollen, wie es meiner Freundin mit meinem ihr gegenüber nicht gerechten Verhalten ging. Stattdessen interessierte es mich viel mehr, wie Selina diesbezüglich dachte.

Glaubte sie Bianca?

Hatte sie das verstört oder machte genau das sie nervös, weil auch etwas für mich empfand, was sie aber niemanden gegenüber zugeben würde?

,,Vorsicht. Vergiss bloß Punkt und Komma nicht'', unterbrach ich sie.

Und dann machte Selina etwas, das mich mehr als amüsierte. Sie lief in der Küche unruhig hin und her und holte sich einen Becher und Teller aus dem Schrank.

Dann ging sie zurück zum Toaster, um ihren Toast herauszuholen. Ich wollte sie nicht absichtlich ärgern oder über ihr Verhalten mir gegenüber lachen, aber das war einfach zu putzig.

,,Was gibt es da zu grinsen?!'', beschwerte sie sich bissig bei mir.

,,Du verhältst dich gerade mir gegenüber wie ein aufgescheuchtes Huhn. Das finde ich irgendwie lustig'', meinte ich zu ihr gewandt

Die Situation war so schon unangenehm für uns beide. Dann konnte man wenigstens darüber ein bisschen lächeln. Ich fand es süß, dass sie auf einmal in meiner Gegenwart so nervös war.

,,Na vielen Dank auch. Ich habe dir gerade etwas gesagt, was mir total schwer über die Lippen kam. Und dir fällt nichts Besseres ein, als mich zu beleidigen?''

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass es nicht leicht für sie war, dies anzusprechen. Mir wäre das auch schwergefallen. Und genau deshalb bewunderte ich sie für ihren Mut.

Für jemanden, der vor einigen Monaten nicht über Sex reden konnte, hatte sie das gerade ziemlich gut gemacht.

,,Und was, wenn es so wäre?'', rutschte es plötzlich aus mir heraus.

Wie würde sie reagieren, wenn ich ihr beichten würde, dass Bianca es sich nicht eingebildet hatte?

,,Hä?'', fragte Selina mich stutzig.

Ich musste es ihr also deutlich erläutern, was ich meinte.

,,Wenn ich beim Sex mit deiner besten Freundin an dich gedacht habe?'', sprach ich es aus.

Bei meinen Worten ließ Selina aus Versehen den Käse fallen.

,,Dann würde ich dich fragen, wieso du ausgerechnet an mich gedacht hast'', erwiderte sie und schaute kurz zu mir auf.

Unsere Blicke trafen sich und ich fühlte mich in dieser Sekunde komplett nackt. Und das meinte ich nicht in dem Sinne, dass ich keine Kleidung trug. Eher in dem Sinne, dass ich vor ihr nicht verbergen konnte, dass ich sie wollte.

Ich wollte mehr als es in einer Freundschaft üblich war. Ich wollte sie küssen und berühren. Ich wollte, dass ihr Herz wegen mir schneller schlug. Ich wollte, dass sie mir gehörte.

,,Was würdest du gerne von mir hören?'', wollte ich von ihr wissen.

,,Ich weiß nicht. Etwas, das Bianca nicht verletzten würde.''

Ich verstand es. Selina waren ihre besten Freundinnen sehr wichtig. Eine von ihnen zu verletzten, war sie nicht bereit, zu riskieren. Ich kam einen Schritt näher auf sie zu. Wir standen uns erneut viel zu nah gegenüber. Ich konnte ihren Atem an meinem spüren. Da ich einen Kopf größer als sie war, musste ich auf sie hinunterblicken.

Allein wegen ihrer großen braunen Augen hatte ich Selina ihren geliebten Spitznamen ,,Püppchen'' gegeben.

Meine Kehle war staubtrocken, als ich ihren rosigen Mund betrachtete. Ich durfte den gleichen Fehler nicht noch einmal machen.

,,Dann schätze ich, würde dir meine Antwort nicht gefallen, wenn ich dir deine Frage ehrlich beantworten würde.'' Das war keine eindeutige Bestätigung, aber vielleicht wusste sie ja, wie genau sie meine Worte zu deuten hatte. Selina versuchte ein Stück vor mir zurückzuweichen, doch sie stoppte sofort, als sie hinter sich die Arbeitsplatte spürte. Augenblicklich schossen mir Bilder in den Kopf, wie sie ihre Beine um mich geschlungen hatte und mir durch die Haare gegangen war, während unsere Zungen miteinander gespielt hatten. Ich musste diesen leidenschaftlichen Kuss dringend vergessen. Er hatte rein gar nichts bedeutet. Weil mich dieses Fast-Déjà-vu etwas aus dem Konzept brachte, beobachtete ich sie. Selina konnte sich wohl nicht entscheiden, ob sie lieber auf meine Brust oder mir in die Augen gucken sollte. Das Ganze ließ sie also nicht so kalt, wie sie vorgab. ,,Du bist nervös'', mutmaßte ich, griff nach ihrem Toast und biss rein.

,,Nein, ich bin höchstens sauer, weil ich mir jetzt wegen dir einen neuen Toast machen muss'', entgegnete sie sauer und wendete sich von mir ab, indem sie wieder zum Toaster blickte.

Selina Lauren Maynard war nicht durchschaubar. Sie behielt das, was sie dachte für sich und ließ niemanden an ihren eigentlichen Gefühlen teilhaben. Und ich musste sie mir so schnell wie möglich aus dem Kopf schlagen.

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Where stories live. Discover now