Abschiede Part 1

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Joshs Sicht:

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Joshs Sicht:

Das Verhältnis zwischen mir und Selina war nach unserem Streit in sich zusammengebrochen. Und daran war vor allem ich schuld. Ich hielt ihre Nähe nicht mehr aus, da ich immer an die Worte erinnert wurde, die sie zu mir gesagt hatte.

Ich hatte mich eindeutig getäuscht, als ich geglaubt hatte, dass ich einfach nur mit ihr befreundet sein konnte. Zumindest momentan konnte ich das nicht.

Mit Selina sprach ich nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war zum Beispiel der Fall, wenn wir zusammen am Frühstück saßen oder wenn sie mir am Nachmittag Nachhilfe in Chemie gab.

Die Konversationen zwischen uns sahen folgendermaßen aus:

,,Ja, das passt schon.''

,,Okay.''

,,Ich versuch's mir zu merken.''

Es war nicht mehr so wie zuvor. Ich blieb am Abend auf meiner Seite in ihrem Zimmer und fragte sie nicht mehr, wie ihr Tag war und ob es etwas bestimmtes gäbe, das sie gerade beschäftigte.

Meine Freizeit verbrachte ich nur noch mit Luke und Ally und konzentrierte mich ansonsten aufs Training.

Die ersten Tage fühlte es sich sehr ungewohnt an, dass meine Gedanken nicht mehr so stark mit Selina fokussiert, doch es war genau das, was ich gerade brauchte. Es war meine Art, all das zu verarbeiten, was passiert war.

Die Tage und Wochen vergingen unheimlich schnell und damit rückte auch das Ende des Austauschjahres immer mehr in Sicht.

Auf der einen Seite war ich froh darüber, weil ich so hoffentlich vergessen konnte, dass es ein Mädchen namens Selina Lauren Maynard gab, das ich mehr als mochte.

Doch ich wusste zu gut, dass ich sie niemals aus meinem Gedächtnis vertreiben konnte. Sie würde nicht verschwinden und all die Erinnerungen, die wir gemeinsam gemacht hatten, erst recht nicht.

Mit jedem weitern Tag, an dem wir aus dem Weg zu gingen, wurde mir das umso deutlicher bewusst. Verdrängung war nicht die Lösung und das musste ich geschlagen einsehen.

Als es nur noch zwei Wochen vor der Heimkehr nach Birmingham waren, stellte ich mich dir Frage, ob ich ihr nicht einfach sagen sollte, dass ich etwas für sie empfunden hatte.

Was hatte ich schon zu verlieren?

Ich wollte kein Feigling mehr sein und sie wollte wissen, dass sie niemals nur ein Zeitvertreib für mich gewesen war. Und wenn ich es ihr schon nicht ins Gesicht sagen konnte, dann wollte ich wenigstens die Wahrheit mit meinem Worten aufschreiben.

Es war die Chance, endlich Antworten auf die Fragen zu bekommen, die schon so lange mit einem großen Fragezeichen im Raum gestanden hatten.

Als ich am Abend nicht schlafen konnte, setzte ich mich mit einem Papier auf die Gartenterrasse und schrieb das nieder, was ich loswerden wollte, bevor ich wieder in England war.

Es wehte eine leichte Brise und ich sah nach oben in dem Himmel, wo die Sterne und der Mond hell schienen. Ich hörte die Grillen zirpen und ich ließ meinen Empfindungen freien Lauf.

Josh Harrison war niemals so ehrlich gewesen mit sich und seinen Gefühlen, als in diesem Augenblick und ich war selbst von mir erstaunt, was für Dinge ich da auf diesem Stück Papier ansprach.

Das passte absolut nicht zu mir und im ersten Moment wollte ich am liebsten alles durchstreichen. Ich tat es nicht, weil ich für allemal genug davon hatte, davonrennen.

Am Tag darauf entschied ich, dass ich den Brief, den ich für Selina geschrieben hatte, vorerst für mich behalten würde. Ich würde ihn mir später nochmals durchlesen und gucken, ob ich gegebenenfalls etwas verbessern musste.

Ich würde ihn ihr am Tag meiner Abreise auf das Kopfkissen legen und sie würde damit machen können, was sie wollte. Und wenn sie ihn las, dann würde sie die volle Wahrheit kennen.

So wie ich Selina einschätzte, würde sie ihn öffnen und vielleicht aus Neugier sogar überfliegen. Es war natürlich möglich, dass sie ihn, nachdem sie meine Worte gelesen hatte, ihn in den Müll schmeißen würde und damit wäre die ganze Sache gegessen.

Wenn sie mich nicht auf diese Weise mochte, dann war es so. Daran konnte ich nichts ändern und musste weitermachen.

Aber eventuell ging es ihr ja genauso wie mir und sie hatte einfach nur Angst gehabt, mir zu sagen, dass mehr als nur etwas Unverbindliches wollte und sie hatte es deshalb so plötzlich beendet.

Ally meinte dazu, dass das nach der seltsamen Frauenlogik sehr plausibel klingen würde. Ich ließ das unkommentiert, wünschte mir aber, dass sie recht hatte.

***

An dem Tag meiner Abreise, spürte ich eine Schwermüdigkeit, mit der ich nicht gerechnet hatte. Meine Koffer waren gepackt und ich blickte fast schon traurig in das Zimmer, in dem ich ein Jahr lang gewohnt hatte.

Ich sah ein letztes Mal auf den Schreibtisch, an dem Selina und ich so viel Zeit miteinander verbracht hatten.

Meine Matratze war bereits weggeräumt worden und es stand nur noch das Bett da, wo ich mit ihr einige Male geschlafen und begriffen hatte, dass man sich einem anderen Menschen nicht nur körperlich nahe fühlen konnte.

In dem großen Kleiderschrank von ihr herrschte gähnende Leere und das war echt kein schöner Einblick.

Ich war dieses Zimmer schon mit den hellen Tapeten so sehr gewohnt, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, in meinem eigenen zu sein.

Ein letztes Mal lief ich die Treppen nach unten und wurde bei ihrem Anblick daran erinnert, wie ich Selina genau dort geküsst und auch getröstet hatte, als sie vor mir zusammengebrochen war.

Im Wohnzimmer konnte ich an die vielen Morgen, Mittage und Abende denken, wo wir zusammengesessen und viel Spaß zusammen gehabt hatten. Mir kam das Kennenlernen mit ihrer Familie in den Sinn, das Abendessen mit Pascal und ich das ließ mich kurz schmunzeln.

Im Garten konnte ich noch den Käfig sehen, denn wir extra hingestellt hatten, um die Schildkröteneier vor einem hungrigen Waschbären zu schützen.

Wir hatten sie zum Strand gebracht und die offenen Schalen hatten verraten, dass die Schildkrötenbabys geschlüpft und bei den Sanddünnen ein Zuhause gefunden hatten.

Selbst als wir uns in Selinas Auto auf dem Weg zum Flughafen befanden, waren auch da Momente, die sich vor meinem inneren Auge abspielten. Wir hatten uns hier nicht nur einmal gestritten, doch nach einer hitzigen Diskussion vertagen und eingesehen, dass wir am Ende des Tages im selben Team waren. Und genau das würde ich sehr vermissen.

Wenn ich etwas hasste, dann waren das Abschiede. Die Erkenntnis zu wissen, dass man eine Person, die einem wichtig war, sehr lange nicht mehr sehen würde, war schwer zu ertragen.

Das hatte ich schon gemerkt, als ich am Flughafen gestanden und Ellie in den Arm genommen hatte und versichert hatte, dass unsere Tante gut auf sie aufpassen würde.

Das Einzige, was man da machen konnte, war auf ein Wiedersehen zu hoffen. Ich wusste, dass ich meine Schwester in ein paar Stunden in die Arme schließen würde und darauf freute ich mich unheimlich.

Und genau im Kontrast dazu, wusste ich nicht, ob ich Selina jemals sehen würde. Im schlimmsten Fall gar nicht mehr.

Wie konnte man also unter solchen Umständen einfach gehen, ohne zu wissen, wie man zueinander stand?

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt