Abschiede

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Joshs Sicht:

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Joshs Sicht:

Am nächsten Tag holten wir Selinas Dad mit seinem Rollstuhl vom Zimmer ab und gingen mit ihm nah draußen. Ich beobachtete Grayson dabei, wie er verträumt auf die Bäume und den Himmel sah.

Wie er sein Gesicht extra zur Sonne hob und tief Luft holte, weil er nur zu gut wusste, dass jeder Tag sein Letzter sein konnte. Dass er vielleicht nie wieder die Natur sehen und sich an ihr erfreuen konnte.

Das Traurigste für ihn überhaupt war vermutlich, dass er eventuell nie so einen Spaziergang mit seiner Tochter machen konnte. Er würde sie nie mehr in seinen Arm nehmen und ihr sagen können, wie unendlich lieb er sie hatte.

Und es gab nicht, was irgendwer von uns dagegen tun konnte. Es war sein Schicksal und er musste es annehmen, auch wenn er nicht wollte. Es konnten Tage, Monate oder sogar Jahre sein. Doch eines Tages würde er gehen müssen.

Ich hatte keine Ahnung, wie man einem Trauernden wirklich helfen konnte, aber ich würde Selina beistehen, wenn es soweit wäre und versuchen, ihr mit dem verbundenen Verlust zu helfen.

Natürlich würde ich ihn niemals nehmen können, aber sie sollte in mir jemandem zum Reden haben, wenn sie es brauchte. Ich würde sie trösten und ihre Tränen trocknen. Ich würde ihr erklären, dass sie sich keine Vorwürfe machen sollte, weil sie nichts dafür konnte, dass ihr Dad an Krebs erkannt war.

Sie sollte die guten Erinnerungen in ihrem Herzen bewahren und sich diese ins Gedächtnis rufen, wenn sie ihn zu sehr vermissen würde.

Und da wir diesen Augenblick wertschätzen und voll und ganz genießen sollte, versuchte ich diese Zukunftsgedanken für einen kurzen Moment auszublenden. Grayson war noch da. Sein Herz schlug und er atmete noch.

Wie er mit einem strahlenden Blick zu seiner Tochter sah, verriet, wie unglaublich stolz er auf sie war. Währenddessen schob ihn Selina den Weg entlang und erzählte ihn von all den Ereignissen, die er verpasst hatte, weil zwischen ihnen Funkstille gewesen war.

Und man musste kein Gedankenleser sein, um zu begreifen, dass ihr genau das so gefehlt hatte. Es berührte mich selbst, wie die beiden nun miteinander umgingen und jede Sekunde nutzten, bevor ich und Selina wieder auf dem Weg zurück nach Kalifornien im Flugzeug saßen.

Als wir Grayson nach dem Spaziergang erneut in sein Zimmer brachten, hatte es diesen wahnsinnig zufriedenen Gesichtsausdruck, von dem ich hoffe, dass er ihn für immer behalten konnte.

Er und seine Tochter umarmten sich sehr lange und mir tat es unglaublich leid, dass sie sich wohl oder übel nun voneinander verabschieden mussten. Grayson flüsterte ihr etwas ins Ohr und Selina lächelte für eine Millisekunde, obwohl ihr bereits Tränen an ihren Wangen herunterliefen.

Nachdem die beiden sich voneinander verabschiedet hatten, trat ich an Graysons Bett und wir umarmten uns ebenfalls.

Ich wollte gerade die Tür seines Zimmers schließen, als er mir nachrief, dass ich kurz bei ihm allein bleiben sollte. Ich deutete Selina an, dass sie auf mich im Flur warten sollte und setzte mich zu Grayson ans Bett.

,,Melinda hat gemeint, dass du angeblich Selinas Freund wärst. Meine Tochter hat vorhin aber etwas ganz anderes gesagt. Was davon ist denn nun wahr?''

Selinas Dad schien diese Situation sichtlich zu genießen, denn er sah mich mit diesem strengen Blick an, den Eltern nun mal aufsetzten, wenn sie erfuhren, dass man etwas mit deren alles geliebten Tochter gehabt hatte.

,,Wir sind nicht zusammen, aber da ist irgendwie mehr als nur Freundschaft. Es ist schwierig zu erklären, was Selina und ich sind'', versuchte ich es wage zu beschreiben.

,,Liegt es daran, weil du nicht weißt, was du willst oder hat sie dich abgewiesen?'', wurde ich von ihm mit weiteren Fragen durchlöchert.

,,Ich befürchte, dass sie meine Gefühle nicht erwidern wird, wenn ich ihr ehrlich beichten würde, was ich für sie empfinde'', verriet ich ihm ehrlich und spürte dabei die Enttäuschung darüber, dass Selina nicht so wie ich fühlte.

,,Ich könnte dir jetzt sagen, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass meine Tochter dich auch mag. Aber du musst es aus ihrem eigenen Mund hören. Das Ding ist, ich möchte dich einfach nur darum bitten, für sie da zu sein, wenn ich sehr bald nicht mehr da sein sollte. Sei es als ein guter Freund oder mehr. Kannst du mir das versprechen?''

,,Ja, natürlich'', versicherte ich ihm sofort.

,,Ich hoffe, dass ich noch lange genug lebe, um mitzuerleben, wie es mit euch weitergehen wird. Wenn nicht, dann hoffe ich, dass ich auch im Himmel mitbekommen kann, was in Selinas Leben so passiert. Du bist ein guter Kerl, Josh. Ich danke dir, dass du meine Tochter nach Chicago begleitet hast. Pass auf sie auf.''

,,Das werde ich. Es war nett, dich kennengelernt zu haben, Grayson'', waren meine letzten Worte die ich zu ihm sagte.

Ich sah ihn noch ein letztes Mal an und damit endete unsere Zeit in Chicago.

***

Als Selina und ich im Flugzeug saßen, war mein Kopf unendlich voll mit Gedanken. Es war so viel passiert und ich musste alles irgendwie vernünftig verarbeiten.

Ich war dankbar, dass Selina ihren Kopf auf meine Schulter gelegt hatte und tief und fest schlief. Es wunderte mich absolut nicht, dass sie Schlaf gerade mehr als dringend nötig hatte. Ihr Körper musste erschöpft sein von allem, was sie erlebt hatte und brauchte etwas Ruhe.

Ich beschloss, dass ich mit Selinas Freunden reden musste, falls sie noch nichts von der Sache mit Grayson mitbekommen hatten.

Selina würde sie mehr als brauchen, wenn der Zeitpunkt gekommen war, an dem sie sich bei ihrem Dad für immer verabschieden musste.

Ich hatte erwartet, dass einiges passieren würde, wenn ich mich dazu entschied, ein Jahr in den USA zu verbringen. Aber ich hätte niemals damit gerechnet, dass ausgerechnet meine Austauschpartnerin der Mensch sein, der mir mein Herz stehlen würde.

Schon gar nicht hätte ich damit gerechnet, dass ich ihr in der schwierigsten Zeit beistehen musste.

Selina war Teil meines Lebens geworden und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie es wieder verlassen würde.

Ich nahm mir vor, mit ihr in Kontakt zu bleiben, selbst wenn das Austauschjahr vorbei war. Sie hatte mich im positiven Sinne verändert und das könnte nie wieder rückgängig gemacht werden.

Band 2 der Living Reihe - Living for the lectures you gave me ✔️Where stories live. Discover now