Kapitel 2c

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Just in dem Moment, als die Kopfgeldjägerin eine Aufzählung aller bekannten Schimpfwörter aus dem Kronland beginnen wollte, ertönte ein hölzernes Knarren aus dem Eingangsbereich des Etablissements. Zuvor war ihr vor lauter Zorn auf den Söldner gar nicht so sehr ins Bewusstsein gelangt, dass es erneut still in den Räumlichkeiten des Schankbereichs geworden war, dass die Gäste und Händler nun nicht mehr in Richtung der tobenden Silhouette vor dem Fenster blickten ... sondern zu den beiden Gestalten mit den ineinander verkeilten Fäusten, die wohl eine handfeste Kneipenprügelei zwischen den Tischen versprachen. Nun nahm sie das Geräusch abseits der Tresen und Sitzrunden umso deutlicher wahr – vor allem, da sie den bedeutungsschwangeren Blick des Söldners in Richtung der Tür nicht vergessen hatte.

Diese Tür wurde geöffnet.

Schweres Holz, das schleifend über die Diele geschoben wurde.

Nicht, dass es in solch einem Wegehaus im Verlauf des Abends noch etwas Besonderes gewesen wäre. Neue Gäste wurden schließlich zu jeder Tages- und Nachtzeit von der Wirtin begrüßt. Aber der Zeitpunkt, zu dem sich die dicken Holzbretter nun ächzend und knarzend aus ihrer ursprünglichen Position bewegten ...

Flordelis konnte nicht verhindern, dass sich ihre Aufmerksamkeit schlagartig von dem Söldner aus dem Süden abwandte. Stattdessen flog sie zu den drei Gestalten, die sich soeben sehr eindrucksvoll in die leuchtende Atmosphäre des Wegehauses schoben.

Wie Vertreter des Sensenmannes traten die neuen Gäste über die Schwelle des Hauses und schluckten mit ihren todschwarzblauen Uniformen einen Teil der Fröhlichkeit, die vor ihrer Ankunft noch über den trunkenen Runden der Gewürzhändler schwebte. Einer nach dem anderen traten die hochgewachsenen Männer aus der Nacht in den Lichtkegel, federten mit schweren Soldatenschritten in den Raum hinein und platzierten sich dann mit abschätzenden Mienen am Rand der Schankfläche, als würden sie auf eine gesonderte Einladung durch die Wirtin warten. Der letzte der Männer sah die Lehma ganz unverwandt an, während er das Holz der Pforte hinter sich in die Angeln fallen ließ.

Dort standen sie dann.

Gevatters Boten. Höchst in Person.

Die tanzenden Lichter der Taverne spiegelten sich in einem lebendigen Tanz auf ihren Rüstungen, als wollten sie die Schwärze in den Seelen der Männer mit ihren Spielereien verhöhnen. Schwere Lederstiefel trugen den Vorgeschmack der Nacht mit dicken Sohlen in den Raum und versprachen Flordelis einen Morgen, den sie bei einer Begegnung mit den zugehörigen Füßen unter der Erde vor dem Wegehaus verbringen würde.

Eine knisternde Spannung umhüllte die Gestalten wie ein Mantel aus Gewitterwolken. Hätte die Kopfgeldjägerin den Männern ein Geräusch zuordnen müssen, so wäre ihre Wahl wohl auch auf das Donnergrollen vor einem unweigerlichen Sturm über den Bergen gefallen. Vorboten einer todbringenden Kraft. Männer, die mit dem Tod einen Pakt geschmiedet hatten.

Das kalte Lächeln auf ihren Lippen ließ die Temperaturen des Raumes nun tatsächlich um mehrere Gradstufen in den Keller sinken und wusch einigen Gästen das Grinsen aus dem Gesicht, als hätte sich die trunkene Stimmung mit einem Windstoß durch die Tür in den Wald verabschiedet. Die viel zu weißen Zähne in ihren Mündern erinnerten an die gefletschten Gebisse von Wölfen, die sich am liebsten an der Schafherde vor ihren Augen gütlich getan hätten.

Zur selben Zeit lag etwas Schmeichlerisches in ihren Gesichtern. Etwas Charmantes, das den Durst ihrer Seelen hinter schönen Worten verbarg.

Es war unverkennbar, dass die Männer auf ihrer weiten Reise keine Seelennahrung zu sich genommen hatten. Und im Fall der Zirkone, die sich von einem Spiel mit Furcht und Schatten ernährten ...

Flordelis schauerte ein weiteres Mal. Nun allerdings mit einem wahrhaftigen Grund.

Sie musste nicht viele Überlegungen anstellen, um die neu eingetroffenen Gäste mit den Soldaten der Fürstin aus dem Süden übereinzubringen.

Ach du kantiger Kiesel! Verfluchte Scheiße noch eins!, hätte die Kopfgeldjägerin am liebsten laut geflucht. Doch nicht ausgerechnet jetzt! Nicht jetzt, verflucht!

Doch sie waren dort.

Jetzt.

Die Gestalten ließen ihre Augen nur flüchtig durch den Schankraum schweifen, ehe zwei von ihnen einen unmissverständlichen Blickwechsel mit der Kopfgeldjägerin wagten. Die bläulichen Einschlüsse der Iriden trugen den Winter aus den Bergen in ihrem Kern und ließen einen Teil ihrer Seele auf den Gefrierpunkt auskühlen, als die Zirkone die aufkeimenden Gefühle aus der Atmosphärenglocke zu ziehen begannen. Zwar würde sich Flordelis bei allen Schöpfern unter den Donnerbergen weigern, den Knoten in ihrer Magengegend als echte Angst vor den Männern zu bezeichnen ... doch schien den beiden auch der Respekt vor den Schwertern an ihren Waffengürteln zu genügen.

Respekt, den hatte sie wahrlich. Nicht auf dieselbe Weise wie vor dem Fremden Nummer eins, der noch immer ihre Faust in der Luft umschlossen hielt. Aber sie hegte Respekt.

Vielleicht ein kleines bisschen mehr als das.

Die beiden Männer schienen sie mit ihren Augen wie mit Speeren durchbohren zu wollen und nagelten sie in dem seltsamen Standbild vor dem Söldner fest. Tod Nummer drei versuchte sich derweil vergeblich an einer Kontaktaufnahme mit der Wirtin des Hauses, die ihrerseits so gar keine Augen für die wohlgerüsteten Soldaten zeigte. Statt die gut zahlenden Gäste aus dem Fürstentum der Zirkone mit einem Lächeln in der Rast zu Rabenwalde zu begrüßen oder ihnen gar einen der freien Tische in der Nähe der Grillstelle anzubieten, hatte sie ihrerseits nur Augen für den höhergestellten Söldner und die Kopfgeldjägerin.

Die Wirtin starrte Flordelis an.

Noch bevor einer der Anwesenden zu einer Aktion in der Lage gewesen wäre, stellte die Lehma die Weinkrüge in ihren Händen polternd auf den Tisch und stemmte mit einem Ausdruck der Empörung die Fäuste in die Hüften. Wo die Blicke der Zirkone zuvor noch an Winterkälte erinnert hatten, da erinnerte der Blick der Wirtin nun an eine flammenlodernde Explosion aus dem Reich unter den Bergen.

Noch niemals zuvor hatte Flordelis eine solche Wut in den Augen einer Lehma gelesen wie in dem Moment, da sie auf die zusammengeballten Hände ihrer Gäste blickte.

»Ihr da!«, fuhr sie schließlich den Söldner an. »Klärt eure persönlichen Angelegenheiten gefälligst vor der Tür. In meinem Wegehaus haben Feindseligkeiten nichts zu suchen. Und nehmt euer Waffenarsenal gleich mit euch. Der Krieg ist seit Jahren vorbei. Ich brauche ihn nicht.«

Persönliche Angelegenheiten.

Ja, so musste es für die Lehma aussehen, nachdem der Fremde doch in freundschaftlicher Umarmung an Flordelis herangetreten war. Nur, dass ihre Lage alles andere als friedlich oder freundschaftlich war. Und dass sie nun an der Seite eines Mannes aus den schützenden Wänden der Taverne geworfen wurde, der ihr vermutlich in einer unachtsamen Sekunde den Kopf von den Schultern säbeln wollte. Mit drei Verfolgern im Nacken, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nach einer kurzen Wartezeit folgen würden. Nicht zu vergessen der Umstand, dass sie dem ersten ihrer Besucher das Glück gestohlen hatte.

Scheiße! Verdammte Scheiße noch mal!

Wussten die Schöpfer, wohin das führen sollte.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWhere stories live. Discover now