Kapitel 7c

20 2 38
                                    

Lysander Marell

»Verfluchte Höllenkacke!«, stieß er hervor, als sich seine Augen auf den brennenden Pfeil in seinem rechten Lederstiefel richteten.

Die Spitze des Objekts bohrte sich mit peinlicher Genauigkeit in den Raum zwischen seinen Zehen und hinterließ einen stechenden Schmerz an der Stelle, wo die scharfen Seiten durch Socken und Haut in sein Fleisch hineinschnitten.

Ein kurzer Moment des Schocks.

Dann stieß Lysander einen knurrenden Laut aus, als er die volle Wirkung des Treffers zu spüren begann. Das Metall jagte einen heißkalten Schauer durch seine Nervenbahnen, ließ sein Bein unkontrolliert vor dem Schmerzpunkt an seinem Fuß zurückzucken, als könnte er tatsächlich vor den Schnittkanten unter dem Schuhleder zurückweichen. Für den Bruchteil einer Sekunde versuchte ein Reflex seines Körpers die Flammen von seinem Stiefel zu schütteln. Ein unbeholfender Hopser über den Waldweg, als könnte er den Pfeil mit einem Fuß in der Luft von sich schleudern.

Feuer.

Zwischen Reflex und Überlegung sahen seine Augen zunächst nur das Feuer.

Flammen, die sich funkenspringend um seinen Fuß schlängelten.

Funken, die sich durch die Bewegung gefährlich nah an den Stoff seiner Hose bewegten, die wie Flitterglut an der Matschkruste an seinen Beinen leckten und ...

Er fluchte.

Noch ehe er selbst einen klaren Gedanken zu fassen vermochte, um das Geschoss mit der Hand aus dem Leder zu ziehen, klemmte die Juwelendiebin seinen Oberschenkel mit einem Zangengriff an ihren Oberkörper. Nur Bruchteile eines Herzschlages später steckte sein Bein unter der Achsel seiner Begleiterin, wurde förmlich seiner Kontrolle entrissen, auf den Boden gestellt, fixiert, in ihrem Oberarm eingeklemmt, sodass sie mit der Hand nach dem Pfeil in seinem Schuh greifen konnte. Flordelis zog mit einem einzigen Ruck am hölzernen Schaft des Fluggeschosses und ...

... brach den brennenden Stiel mit ihrer Bewegung in zwei Hälften, wobei die brennende Spitze in Lysanders Schuhwerk verblieb.

»Verfickte Scheiße! «, fluchte nun auch Flordelis.

Doch die Juwelendiebin dachte nicht daran, seinen schwelenden Stiefel loszulassen.

»Zieh ihn aus!«, blaffte sie stattdessen in einem Befehlston, der auch einem General der Zirkonschule hätte zu eigen sein können.

Lysander wiederholte sein Knurren, als er die Hitze des Feuers durch das Leder zu spüren begann. Das Material heizte sich unter dem flammenspeienden Alkoholwickel des Pfeils auf wie das Kronland unter dem Sommerglühen der Sonne ... Doch er konnte plötzlich an nichts anderes denken, als an diese eine Tatsachenlage: Hätte ihn der Pfeil nur ein paar Zentimeter höher getroffen, so wäre ihm vermutlich ein ganz anderes Geräusch aus der Kehle gekommen. Wenn sich die Spitze mit ihrer vollen Flugwucht in seinen Fußrücken bohren würde und nicht gerade noch am großen Zeh vorbei in die Sohle seines Schuhwerks, dann ...

Grundgütige Schöpfer!

Ob er nun Glück darin sehen sollte, nicht in ein wandelndes Schaschlikhäppchen verwandelt worden zu sein? Oder Unglück, dass sich der Pfeil überhaupt erst durch seinen Stiefel bohren konnte? Womöglich eine Mischung aus beidem? Denn schließlich war er sich bereits bei seinem Duell mit dem Zirkonkrieger nicht sicher gewesen, wie es sich nun mit seinem Funken Restglück verhielt, den die Chrysoberyllfrau bei ihrer Berührung noch in seiner Seele belassen hatte. Vielleicht ...

»Zieh ihn aus! Zieh ihn aus!«

Flordelis' Stimme durchbrach seine Gedanken. Panisch nun. Gar nicht mehr so befehlshaberisch.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt