Kapitel 8b

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Die Augen der Kopfgeldjägerin fixierten den tanzenden Feuerschimmer mit der Präzision eines Raubvogels, während sie jeden verbleibenden Funken ihrer Energiereserven zu mobilisieren versuchte. Die Fasern ihrer Muskeln wehrten sich mit allen Mitteln gegen die bleiernen Fesseln der Müdigkeit, kämpften gegen die Schwingungen ihrer Gefühlswogen an und strafften ihre Haltung, die Arme, die Beine. Der pure Überlebensinstinkt einer Frau, die über Jahre sowohl Jägerin als auch Gejagte gewesen war – ganz gleich, wie viele Schlachten sie in der jüngeren Vergangenheit geschlagen hatte und wie sehr die Kämpfe an ihren körperlichen Kräften zehrten. Es war der reine Trotz, zu überleben.

Wo ein Teil ihrer Seele zu diesem erbärmlichen Häufchen Asche zusammensinken und aufgeben wollte, wo er resignierte, weil der Wille des Unerklärlichen ein weiteres Mal so viel größer erschien als sie selbst ... Da brannte der andere Teil ihrer Seele bis auf den Kern, der sie über die Jahrhunderte hatte überleben lassen, weil sie sich in den ausweglosesten Umständen wie eine Zecke in ihrem Leben verbiss.

Nach dem Kampf mit den Zirkonen war mehr nötig als Kampfgeist. In ebendieser Situation, der Rücken erneut an die Wand gedrängt und der schlimmste Feind im eigenen Herzen; mit der Furcht im Nacken und der kronländischen Rebellion in greifbarer Nähe ... war die Kraft der jungen Flordelis nötig, die sich vor drei Jahrhunderten dagegen gewehrt hatte, elendig auf der Straße zu verrecken.

Sie rollte die Schultern zurück, als sie die Gestalten anvisierte. Ihre Augen zogen sich beim Anblick der näherrückenden Schatten zu Schlitzen zusammen, als könnte sie die Mehrheit der Rebellen allein durch die Kraft ihrer Blicke in Flammen aufgehen lassen. Wie ein Bienenschwarm stoben die Empfindungen durch ihren Körper, erfüllten ihre Brust mit einem unruhigen Summen, das sie kaum mehr als den Takt ihres eigenen Herzschlages zu identifizieren vermochte.

Dampfwölkchen stiegen in die Nacht, wo sie sich einen tiefen Atemzug stahl.

Ruhig Blut, mahnte sie sich. Ruhig Blut.

Sie versuchte, nicht daran zu denken, was sie bei ihren Aufträgen zur Bekämpfung ebenjener Rebellen in den Lagern gesehen hatte. Verdrängte die Bilder der Folterbehandlungen, die man chrysoberyllstämmigen Reisenden in den Kellern der Rebellenfraktion zukommen ließ. Oder die Erinnerungen an die Magyr, die in den Lagern der selbsternannten Gerechtigkeitskämpfer ebenfalls zu Tode kamen, weil das Zauberhandwerk als Auslöser für den gesamten Krieg betrachtet wurde.

Flordelis blinzelte.

Nein. Denk nicht daran, flehte sie sich selbst an.

Denk nicht daran, denk nicht daran, denk nicht daran ...

Ihre Beine zitterten. Ihre Seele hielt dagegen. Nicht etwa, weil sie das Verdrängen in ihrer langen Berufserfahrung perfektionierte, sondern weil es keine andere Möglichkeit mehr zum Überleben gab.

Vielleicht würde ihr im Verlauf des Abends ja doch ein einziges Mal das Glück zuteil, dass die Rebellen die Züge ihrer Herkunft nicht an ihr zu lesen vermochten. Möglicherweise entspann sich nach einem kurzen Aufeinandertreffen die wahnwitzig geringe Chance, dass sie Lysander für einen der Ihren hielten – gerade dabei, eine Gefangene von einem Rebellenlager ins nächste zu eskortieren. Oder aber die Gelegenheit, dass sie von einer anderen Sache abgelenkt wurden.

Ein brennender Schuh wäre Flordelis plötzlich sehr lieb gewesen.

Sie zwang sich, zu Lysander hinüberzusehen.

Sein Gesicht sprach Bände.

Zunächst Anspannung. Dann ein Moment der Erkenntnis. Dann vollkommene Starre, als er verstand, was die Begegnung in Begleitung einer Chrysoberyll heraufbeschwören könnte.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz