Kapitel 7b

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Flordelis Vanyeridis

»Mich würde interessieren, wie du die Eignungsprüfungen in den Übungslagern der Zirkone bestehen konntest«, hörte sie sich selbst sagen.

Um ein Haar hätte sie sich an ihrer eigenen Stimme verschluckt. Sie war sich noch nicht einmal sicher, wann ihr die Worte über die Lippen gepurzelt sein sollten. Sicherlich hegte sie kein besonderes Interesse an einer längeren Konversation mit dem Söldner und sie wollte ihr eigenes Glück auch nicht derart dringend auf die Probe stellen, ihm vielleicht noch mehr Informationen über ihr Leben oder gar ihre Identität zu vermitteln. Vor allem, da ihr die Informationsbröckchen über ihr Dasein auf Irden so viel schneller über die Zunge gekommen waren, als es ihr in Anbetracht ihrer Vorgeschichte hätte passieren dürfen. Nein, eigentlich hätte sie sich gar nicht erst in eine Unterhaltung mit ihm verwickeln lassen dürfen. Unnötiges Risiko. Unnötige Worte.

Dennoch fand sie sich plötzlich in einer Situation wieder, in der ausgerechnet sie selbst ein Pläuschchen mit dem Mann startete. Und das, obwohl er ihren Namen nur wenige Minuten zuvor derart verunglimpft hatte, dass sie ...!

Ja, was eigentlich?

Mittlerweile schien es ihr sogar an Verstümmelungsfantasien zu mangeln. Und sie ...!

Sie betrieb Konversation! Mit diesem Mann. Nachdem er endlich einmal für einige Sekunden seine Klappe gehalten hatte.

Warum, bei all den Schöpfern über den Himmeln und unter den Bergen, hatte sie bloß das Bedürfnis verspürt, die angespannte Stille wieder mit einer überflüssigen Menge an Worten zu füllen? Sollte sie tatsächlich nicht in der Lage sein, den Spitznamen ohne weiteren Kommentar in der Dunkelheit verschwinden zu lassen? Ob sie denn unbedingt noch weitere Sätze hinter die Unterhaltung setzen musste?

Verschissene Schöpferkacke noch eins!

Oder sollte sie denn zugeben, dass sie sich über einen viel zu langen Zeitraum nicht mehr mit einer Person unterhalten hatte, dass sie schlicht die Gesellschaft eines anderen über die Jahre vermisste?

»Was?«

Lysanders Frage unterbrach ihre Gedanken.

Der Söldner schien ihr nicht weniger irritiert als sie selbst. Zumindest ließ die Betonung des Wortes nicht gerade darauf schließen, dass er mit seinen Gedanken noch auf dem Waldweg gewesen war. Oder bei der Aussage, die Flordelis über die Lippen kam.

Aus dem Augenwinkel erkannte die Kopfgeldjägerin gerade noch eine verräterische Bewegung, die andeutete, dass er seine Aufmerksamkeit wohl auf die Wipfel über ihren Köpfen gerichtet hatte.

Millisekunden später ...

Ein hektisches Blinzeln in ihre Richtung und ein Ausdruck, den sie in der Mischung aus Mondlicht und Schattenspiel nicht so recht zu identifizieren wusste. Sternenleuchten schillerte in seinen Augen wie der Himmel auf den Spiegelseen des Kronlands – beinahe als hätte sich ein Teil seiner Seele noch nicht von den Weiten über den Bäumen gelöst.

Sie hätte es dabei bewenden lassen können.

Es gelang ihr nicht.

Obwohl es töricht war, obwohl es sich wie die Hand im verbotenen Honigtopf anfühlen mochte ...

»Ich meinte, dass ich dich als wandelnde Sicherheitslücke in hohem Bogen über die Palastmauer gestoßen hätte. Die Fürstin ... Wieso hat sie es nicht getan?«

Denn so viel musste sie zugeben: Die Neugier schlich sich dann doch auf leisen Sohlen in ihren Verstsand. Flordelis wäre gar nicht erst ins Zögern geraten, wenn sie sich an Stelle der Zirkonfürstin an der Spitze eines Heeres aus Attentätern wiedergefunden hätte. Sie würde Lysander Marell nicht einen einzigen Tag in ihren Reihen dulden ... oder ertragen. Da wären so viele Männer, die weniger Worte auf ihrer Zunge trugen. Auch Männer, die nach dem Abschluss der Zirkonschule ein Schweigegelübde abgelegt hatten. Und Lysander ... ausgerechnet Lysander ...

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt