Kapitel 11c

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Hätte ihm jemand in jenen Augenblicken weismachen wollen, dass die Füchsin zumindest bei diesem Aufeinandertreffen keine Hand an ihn oder seine Mitgefangene legen würde ... Er hätte wohl bei aller Heiligkeit der Geister in der Tempelanlage geschworen, dass er diesem jemanden kein einziges Wort davon zu glauben vermochte. Insbesondere nicht, als sich die Frau wie ein fleischgewordener Unheilsgott vor Flordelis positionierte.

„Der General hat entschieden, dass ihr nicht hingerichtet werdet", erklärte sie distanziert. „Vorerst jedenfalls."

Eine kurze Pause. Der Blick nun sehr intensiv auf die Juwelendiebin gerichtet.

„Deine Sprache ist sehr klar", ergänzte sie dann. „Derb, ja, aber gleichzeitig fein in den Nuancen. Unser General hat ein vortreffliches Ohr für solcherlei Angelegenheiten."

Moment ... bitte wie?

Lysander erstarrte.

Urplötzlich.

Nicht, weil ihn die Sprachmelodie der Dame mit ihren seltsamen Hebungen und Singsangereien so sehr verstören würde, sondern weil der Inhalt des Gesagten einen ganz anderen Groschen in seinem Innern fallen ließ. Er hätte sich nicht einmal darüber gewundert, wenn das metallene Sirren tatsächlich in den widerhallenden Tönen des Tempels zu hören gewesen wäre.

Beinahe hätte er laut geflucht.

Denn diese Frau ... Sie hatte recht.

Zwar kannte der Söldner aus dem Süden die Akzente der unteren Stadtviertel wie seine Westentasche und war durchaus in der Lage, die Dialekte des Kronlands den unterschiedlichen Regionen des Landes zuzuordnen ... Allerdings hatte er die klaren Noten in der Sprache der Juwelendiebin nicht bewusst in irgendeiner Region verortet, ja, gar nicht über die genaue Herkunft der Sprachmelodien ihrer Worte sinniert ... Weil er gar nicht dazu in der Lage gewesen wäre. Sein Unterbewusstsein hatte den Akzent gar nicht erst auf seiner gedanklichen Karte verortet, weil er diese feinen Nuancen nicht in Kombination mit derartig rauen Worten kannte. Die einzigen Adelsaussprachen, die ihm über den Weg gelaufen waren ... Rar und in seiner Vergangenheit nur am Hof der Zirkonfürstin zu finden; in der Wortwahl deutlich hochtrabender als Flordelis, die mit ihren derben Sprüchen wie eine Gossenkatze zu fluchen wusste. Die Bordellbetreiber, für die er zeitweise an den Türen wachte ... Vielleicht etwas wortgewandter als die Bewohner der unteren Stadtviertel, aber definitiv nicht derart fein in der Aussprache wie die Mitglieder des Hofs. Die Männer und Frauen der Universität ... Sicher gebildet, aber anders im Finden der Worte ...

Flordelis beherrschte die Sprache des Hofs, ohne die Worte des Hofs zu sprechen. Und das würde wohl nur jemandem möglich sein, der selbst mit der Sprache der Adligen aufgewachsen war. Jemand, der sich zwar an einem Punkt seines Lebens ausdrücklich dazu entschieden haben mochte, andere Worte als die der typischen Adelssprache an den Höfen zu nutzen, aber ... Geblieben war die Klarheit im Ton. Etwas, über das sie nicht hinwegzutäuschen vermochte.

Für den Bruchteil einer Sekunde klappte Lysanders Mund wie ein loses Türscharnier nach unten und blieb in der halbgeöffneten Stellung, während er sich das ganz neue Bild von seiner Juwelendiebin durch die Gedanken spielte. Dann ließ ein Reflex seine Lippen umgehend wieder zusammenschießen, als er sich gewahr wurde, wie viele Informationen über sein Innenleben er gerade vor der Füchsin aus dem Rebellenlager preisgab.

Glück im Unglück: Die Frau hatte nur Augen für Flis.

„Hast du Familie in höheren Kreisen?", fragte sie harsch.

Die Juwelendiebin schwieg.

„Wir könnten sie ausfindig machen. Dein ... Leibwächter und du ... Ihr hättet die Möglichkeit, zurückzukehren."

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleDonde viven las historias. Descúbrelo ahora