Kapitel 5b

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Lysander Marell

Schwarze Flecken schoben sich wie Schleier des Todes vor seine Augen und verhüllten den Anblick der Juwelendiebin, die in einigen Metern Entfernung ihr Schwert in den Körper eines Mannes stieß. Sein eigener Brustkorb schien sich bei jedem seiner Atemzüge noch weiter verkrampfen zu wollen, fühlte sich mit einem Mal so furchtbar bleischwer an, dass er in den Armen seines Gegners auf dem Trockenen zu ertrinken glaubte. Muskulöse Arme hielten seinen Hals in einem Schraubstockgriff gefangen und drückten weiter zu, immer fester und fester, sodass er nur noch mit pfeifenden Lungen um Luft zu ringen versuchte.

Lysander schlug mit dem Ellenbogen nach dem Zirkon.

Er schlug zu. Wieder und wieder und wieder.

Doch der Mann hatte sich wie eine Klette an seinen Körper gehängt und ließ sich von den Hieben seines Opfers nicht beeindrucken.

Er hielt ihn fest, würgte ihn.

Das Kreischen des Falken drang nur noch dumpf durch die Watteschicht in die Ohren des Söldners, während die Welt hinter einem Schleier aus rauschenden Tönen verschwand. Die letzten Fliederfarben des Abends versackten hinter den ersten Farben der Ohnmacht und zogen ihn in eine Nacht, aus der er bei Morgengrauen nicht mehr erwachen würde.

Er wusste, der Falke hatte alles gegeben.

Aber das Glück hatte den Söldner verlassen.

Das Tier war am Ende seiner Kräfte. Und der Angreifer machte keine Anstalten, seinem Bann zu erliegen.

Er lehnte sich mit seinem gesamten Körpergewicht auf Lysanders Nacken, zog ihn immer stärker dem sicheren Tod in den Schlammpfützen zu seinen Füßen entgegen und ließ nur eine Hand los, um die Krallen seines Angreifers mit wütenden Schlägen von sich zu stoßen. Blut rann wie ein nicht enden wollender Strom aus den Klauenspuren in seinem Gesicht und tropfte staubend in den Raum zwischen den beiden Körpern, sodass der Söldner die Ausmaße der Verletzungen auf seiner Zunge schmecken konnte. Die erdig würzigen Noten des Zirkonblutes vernebelten ihm nun auch noch die letzten Atemzüge, die er sich in der Umklammerung zu stehlen vermochte.

Tränen stiegen ihm in die Augen. Er konnte sie spüren, das Salz darin schmecken. Die Haut schien ihm unerträglich heiß zu werden.

Wie ein Ertrinkender krallte er sich mit den Fingernägeln an den Armen des Mannes fest und hätte sich wohl selbst mit den Zähnen an sein Leben geklammert, wenn es ihm in seiner unglücklichen Position möglich gewesen wäre. Eine Mischung aus Wut und Panik flutete seine Adersysteme. Adrenalin. Angst. Feuer. Verderben.

Mit dem nächsten Atemzug stieß er ein zorniges Grollen über die Lippen, versuchte, mit seinen Stiefeln nach den Füßen des Zirkonsoldaten zu treten. Doch es schien, als hätte sich sein Gegner nach den zahlreichen Attacken des Falken entschlossen, die Schmerzimpulse einfach nicht mehr wahrzunehmen.

Er würgte ihn weiter, grollte wütend zurück.

Und er machte keine Anstalten, den Vogel anzusehen. Kein Gespür für das Andersartige. Wie so manche Bewohner des Kronlands, die begonnen hatten, die Magerey zu verteufeln. Wie so viele, die selbst kein magysches Blut in sich trugen.

Lysander kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen gegen die Schwärze in seinem Sichtfeld, klammerte sich an die letzten Sinnesempfindungen seines Körpers und suchte nach Gerüchen, nach Geräuschen, nach irgendetwas, das ihn nur einen Herzschlag länger vor der alles verschluckenden Ohnmacht bewahrte. Seine Fingernägel kratzten sich die oberste Schicht der Armschoner des Soldaten und pulten ganze Lederstücke aus dem Schutz, während er sich an das letzte bisschen Leben festklammerte.

Aber sein Gegner wankte nicht.

Wie ein verschissener Fels in der Brandung!

Die Erkenntnis zog seine Eingeweide in der Körpermitte zu einem Knoten zusammen, als das kribbelnde Gefühl aus seinen Extremitäten immer schneller, immer lauter durch seinen Kopf zu rauschen begann. Sein eigener Herzschlag übertönte die Welt jenseits der Schleier und raste ihm davon, entglitt jeder Kontrolle, sodass er das Trommeln bis in seinen Hals hinaufschlagen fühlte.

Ein Schwert aus Rabenblut: Der Durst einer SeeleWhere stories live. Discover now