Kapitel 2: Das kann jedem mal passieren...

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Maren und ich sind ganztags im Kindergarten. Meine Mutter arbeitet zwar nur an 3 Tagen in der Woche und da auch nur vormittags, aber um uns um 12 Uhr abzuholen wäre es zu knapp und unser Kindergarten ist echt toll.

In unserem Kindergarten gibt es zwei Gruppen für die ganz Kleinen. Eine davon ist die blaue Gruppe da ist Maren. Die zweite ist die Rote. Für die Großen gibt es die grüne, gelbe und braune Gruppe. Ich bin in der Grünen. Bei den Großen dürfen wir aber die meiste Zeit zwischen den Gruppen hin und her wechseln, weil es manche Sachen nicht in jeder Gruppe gibt. Zum Beispiel Malsachen und richtig viele Bauklötze, mit denen man Türme bauen kann, die höher sind als Steffi, meine Erzieherin. Bei uns im Kindergarten gibt es aber auch die ‚Wackelzähne' das sind die ganz großen, die dieses Jahr in die Schule kommen. Wir Wackelzähne treffen uns immer dienstagmorgens und machen spannende Sachen wie Zahlen und Buchstaben entdecken. Die Wackelzähne sind den Rest der Woche auf die drei großen Gruppen verteilt. Bei meinem Cousin im Kindergarten heißen die großen „Giraffen" das finde ich nicht so toll.

Heute ist wieder Dienstag und wir sitzen mit den Wackelzähnen im Kreis. Kathi, eine andere Erzieherin, liest eine spannende Geschichte vor. Plötzlich merke ich, wie ich ganz dringend Pipi muss. Ich springe auf und laufe zum Klo. Ich drücke meine Hand auf meine Hose, aber zu spät. Noch bevor ich die Tür zur Toilette von unserem Gruppenraum erreicht habe, fängt es an zu laufen. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Jetzt ist es sowieso zu spät. Ich fange an zu weinen.

Anne: „Kathi, ich habe in die Hose gemacht... kannst du Steffi rufen?"

Tom (anderer Wackelzahn): „Haha, Anne hat sich wieder in die Hose gemacht wie ein Baby."

Tom ist aus der gelben Gruppe und ich finde ihn ziemlich doof. Er versucht immer alle zu ärgern. Ich weine jetzt noch mehr.

Kathi (telefoniert mit dem schnurlosen Telefon): „Hallo Steffi, Anne braucht dich mal kurz... ja wir sind in der braunen Gruppe ."

Kathi: „Tom, das ist nichts zum Lachen, das kann jedem mal passieren und du willst auch nicht ausgelacht werden. Außerdem ist Anne kein Baby. Babys merken es nicht und gehen auch nicht zum Klo. Bei Anne war es halt einfach ein bisschen zu spät. Wenn sie wieder zurück ist, werden wir beide zusammen zu ihr gehen und du entschuldigst dich."

Steffi kommt angelaufen und hat schon Ersatzkleidung aus meinem Fach dabei. Auch wenn Kathi ihr gar nicht gesagt hat, was los ist, ist Steffi klar, warum ich sie brauche. Wir gehen zusammen ins Bad. Ich bin immer noch am Weinen.

Anne: „Ich hab gemerkt, dass ich Pipi muss und bin los gelaufen, aber bevor ich durch die Tür war, war es schon zu spät."

Steffi: „Ist nicht schlimm. Ich weiß, dass du das nicht mit Absicht machst und dir wirklich Mühe gibst. Da kannst du nichts dafür und dafür haben wir ja Wechselkleidung hier."

Anne: „Aber den anderen passiert das nie. Immer nur mir."

Steffi geht mit mir zum Wickeltisch, der steht in der hinteren Ecke des Bads. Vorne sind die Waschbecken und an der anderen Seite sind die Toilettenkabinen.

Die Toilettenkabinen kann man sogar abschließen, aber die Wände sind nicht so hoch wie wenn man im Restaurant aufs Klo geht: Hier können die Erzieherinnen oben drüber kucken, wenn sie nah dran gehen. So können sie nachschauen, ob alles in Ordnung ist.

Steffi: „Das stimmt nicht. Das passiert auch anderen. Das bekommst du meistens gar nicht mit. Aber ja, den meisten passiert das nur ganz, ganz selten und bei dir passiert das leider ein bisschen öfter."

Steffi hat mir inzwischen die Hausschuhe ausgezogen und mich auf den Wickeltisch gestellt. Mit nasser Hose fühlt sich jede Bewegung ekelig und komisch an. Steffi zieht sich Einmalhandschuhe an. Die stehen auf dem Wickeltisch und die Erzieher benutzen die auch immer beim Wickeln von den kleinen Kindern. Ich bin froh, dass Steffi mich da vorsichtig auszieht. Sie packt die Hose und die Socken und die Unterhose in eine Plastiktüte und nimmt einen Einmalwaschlappen und wäscht mir damit alles, was nass geworden war. Dann nimmt sie ein Handtuchpapier vom Waschbecken und trocknet mich damit ab. Das ist ziemlich kratzig. Das mag ich nicht aber es geht ganz schnell. Anziehen kann ich mich schon alleine und der Wickeltisch hat eine Treppe. Als ich fertig bin, laufe ich die runter und es geht mir schon wieder ein bisschen besser. Steffi nimmt mich in den Arm und drückt mich ganz lieb.

Steffi: „Geh noch mal aufs Klo, und lass den Rest Pipi raus. – Soll ich noch auf dich warten oder ist alles wieder gut?"

Anne: „Nein, du brauchst nicht warten. Danke."

Auf dem Klo kommt tatsächlich noch eine ganze Menge Pipi. Danach wasche ich mir die Hände und gehe wieder zu den anderen. Mir ist das immer noch peinlich.

Kathi: „Anne, komm, setz dich zu mir."

Ich setze mich zu ihr. Kathi schaut Tom an.

Tom: „Anne, es tut mir leid, dass ich gelacht habe."

Kathi: „Ich habe eben mit den anderen darüber gesprochen, dass das jedem mal passieren kann und niemand so was mit Absicht macht und man niemand dafür auslachen darf. Es gibt auch viele andere Sachen, die mal passieren können, zum Beispiel, dass jemand hinfällt, da darf man auch nicht lachen. Ist das so okay für dich?"

Ich nicke und kuschele mich an Kathi. Mir ist das trotzdem immer noch peinlich. Ja, das kann jedem mal passieren, nur mir passiert das in letzter Zeit andauernd.

Am schlimmsten war es, als wir im Winter an einem Sonntag zum Schlittenfahren gegangen sind: Da habe ich mir bei der vierten Runde in die Hose gemacht und wir hatten zwar Ersatzklamotten im Auto, aber ich habe nur eine Schneehose. Deshalb haben meine Eltern dann überlegt, ob wir direkt heim fahren müssen. Ich durfte dann noch eine Runde ohne Schneehose rodeln und dann ist Mama mit mir in ein Restaurant gefahren. Dort haben wir eine Stunde gewartet, weil ohne Schneehose rodeln zu kalt ist. Dann sind wir Papa, Maren und Mark abholen gefahren.

Mama und Papa schimpfen nicht, wenn ich einen Unfall habe, aber wenn wir unterwegs sind, macht das natürlich immer Probleme und stört. Ich mach das wirklich nicht mit Absicht und war auch schon oft deshalb am Weinen. Zu Hause gehe ich mich normalerweise selbst umziehen, sodass meine Mama da nicht so viel tun muss. Es ist halt nur mehr Wäsche. Trotzdem finde ich das natürlich auch daheim ganz doof, wenn mir das passiert.

Anne trägt wieder WindelnWhere stories live. Discover now