Kapitel 7: Ausnahme oder Regel?

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Als ich wieder vom Wasserspender zurück komme, kommt mir Mama mit Maren an der Hand entgegen. In der Anderen Hand hat sie eine Packung Windeln. Als sie bei mir ist, sehe ich, dass da eine sechs drauf steht.

Anne: „Warum kaufst du jetzt doch große Windeln? Du hast doch gesagt, du musst das mit Papa besprechen."

Beate: „Ja, aber eben war es ja eigentlich ganz gut, dass du welche an hattest und ich will nicht noch mal losfahren müssen wenn ich mit Papa gesprochen habe. Wenn wir sie für dich nicht brauchen, kann ich sie auch für Maren aufheben, wenn die etwas größer ist. Ich weiß zwar nicht, was Papa sagt, aber ich denke, zumindest in der Nacht sollten wir es auf jeden Fall probieren, wenn das für dich in Ordnung ist. Da kriegt es ja eigentlich keiner mit. Dagegen hat Papa bestimmt nichts, Mark hat ja nachts auch etwas länger Windeln gebraucht."

Anne: „Mark hat nachts länger Windeln gebraucht? Daran kann ich mich gar nicht erinnern."

Beate: „Ja, davon hast du auch nicht so viel mit bekommen, da warst du ja auch gerade erst drei. Mark hat bis kurz vor den fünften Geburtstag fast jede Nacht eine nasse Windel gehabt. Dann ging es aber ganz schnell und er hatte danach nie ein nasses Bett."

Anne: „An der Kasse werde ich bestimmt komisch angeschaut."

Beate: „Nein, glaube ich nicht. Wahrscheinlich merkt die Kassiererin gar nicht, dass die nicht für Maren sind und wenn doch, die könnten auch nur für nachts sein. Da gibt es noch öfter Kinder, die so groß sind wie du und die noch brauchen."

An der Kasse ist keine Schlange.

Kassiererin: „Ihr wart doch vorhin schon da."

Beate: „Ja, wir hatten noch was vergessen."

Kassiererin: „Ja, man braucht so einiges für die Kleinen. Dann wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende!"

Auf dem Weg zum Auto fällt mir noch was auf: Auf der Packung steht neben der Zahl ein Plus.

Anne: „Mama, warum ist da ein Plus auf der Packung? Sind die größer?"

Beate: „Das bedeutet, dass sie mehr aufsaugen können. Größer sind die eigentlich nicht."

Wir laden die Windeln ein und steigen ein. Mama gibt Maren ihren Kuschelaffen und ein Bilderbuch und fährt dann los.

Beate: „Lass mich daheim erst mal mit Papa reden. Dann besprechen wir das zusammen. Ich denke von dem Stinker brauchen wir erst mal nichts zu erzählen. Ob wir Mark was erzählen entscheiden wir, wenn wir wissen, was Papa dazu sagt. Wenn du vorher aufs Klo musst, musst du mich halt rufen. Wenn du nass bist, macht das erst mal nichts, da kannst du mir dann auch Bescheid sagen, aber das ist nicht eilig. Als erstes muss ich sowieso die Einkäufe wegräumen."



Als wir daheim ankommen, steht Papas Auto schon im Hof. Er hat freitags zwar nicht früher Feierabend, aber wir waren ja schon eine Weile einkaufen.

Mama holt einen Wäschekorb um die Sachen aus dem Kofferraum die nicht in die Tüten gepasst haben schneller rein tragen zu können. Ich sehe wie sie die sechs plus Windeln unten rein legt und andere Sachen drauf, dass man die erst mal nicht sieht.

Ich helfe beim Ausladen der Einkäufe und bringe meine Tüte mit nassen Sachen ins Bad. Dort steht die Waschmaschine.

Papa war wohl gerade auf dem Klo, er ist am Händewaschen. Er sieht mich mit der Tüte rein kommen.

Gert: „Hallo mein Schatz, wie war es im Kindergarten?"

Anne: „Toll, aber ich hatte leider wieder eine nasse Hose."

Gert: „Na ja, Hosen kann man Waschen und zum Waschen sind sie da." Den Spruch sagt er oft, und er schimpft auch nicht wegen der Pipi-Unfälle. Aber ich weiß trotzdem, dass er es doof findet, dass ich immer wieder nasse Hosen habe.



Habe ich eigentlich schon erzählt, wie unser Haus aussieht? Mein Papa sagt immer, es ist schön auf dem Dorf zu wohnen, da hat man Platz. In der Stadt könnten wir uns vielleicht nicht mal ein Reihenhaus leisten und müssten in einer Wohnung wohnen. Hier haben wir aber ein Haus mit Garten. Der Garten geht Richtung Feld und weil beide Nachbarn hohe Zäune haben, kann man da eigentlich nicht rein schauen. Na ja, abgesehen von dem Bauer, wenn er mit dem Traktor kommt.

Im Erdgeschoss haben wir eine große Küche und ein Klo. Außerdem ein richtig großes Wohn- und Esszimmer. Also Couch und Esstisch stehen im selben Raum. Im Keller bin ich fast nie, da hat Papa eine kleine Werkstatt und wir haben einen Abstellraum, einen Partyraum und die Heizung. Oben gibt es vier Zimmer und ein großes Bad mit Badewanne und Dusche. Mama und Papa haben zusammen nur ein Zimmer. Das ist ziemlich praktisch, dadurch hat nämlich jedes Kind ein eigenes Zimmer. Ganz oben gibt es noch einen Dachboden. Der ist aber ziemlich klein und man muss eine Leiter aus der Decke klappen, wenn man da hoch will. Die Leiter ist ziemlich steil, ich finde es voll cool, da hoch zu klettern. Ich klettere nämlich super gerne. Leider darf ich da nur ganz selten hoch. Da stehen nur Sachen, die wir fast nie brachen. Zum Beispiel die Weihnachtsdekoration. Normalerweise ist die Luke also zu. Außerdem ist es da oben total staubig.



Ein paar Minuten später sitzen Mama und Papa im Wohnzimmer während ich dort angefangen habe mit Playmobil zu spielen. Mark und ich haben beide eine Menge Playmobil. Zusammen spielen macht aber mehr Spaß als alleine, deshalb haben wir durchgesetzt, dass das alles im Wohnzimmer sein darf. Das Wohnzimmer ist also eigentlich unser Playmobilzimmer. Mark spielt auch gerne Lego, das mag ich nicht ganz so gerne wie er. Deshalb ist Marks Zimmer also das Lego Zimmer. Ich muss ihn aber immer fragen, ob ich mitspielen darf. Bei Maren im Zimmer ist das Duplo und die Kinderküche. Da muss ich nicht fragen, die freut sich immer, wenn ich mit ihr kochen spiele. Bei mir im Zimmer sind dafür vor allem die Puppen. Mit denen spielen aber fast nur Maren und ich. Mark findet die nicht so toll. Wir müssen im Wohnzimmer aber immer, wenn Mama putzen will, das ganze Playmobil in eine Kiste räumen, das ist doof. Aber Papa hat gesagt, wenn wir das nicht machen, holt er die Schneeschaufel und machte es selbst und ihm ist egal, ob dabei was kaputt geht. Er hatte die Schaufel sogar schon mal in der Hand. Das fand ich ein bisschen gemein. Aber er hat gesagt, im Kindergarten müsst ihr ja auch aufräumen.

Beate: „Anne hat zur Zeit echt viele Pipi-Unfälle."

Gert: „Ja, ich habe sie eben getroffen als sie die Tüte hoch gebracht hat."

Beate: „Außerdem ist Steffi aufgefallen, dass sie oft zu wenig trinkt und sie denkt, dass das daran liegt, dass sie weniger Unfälle haben will. Das ist aber sicher der falsche Weg."

Gert: „Ja, das ist bestimmt nicht gut und das sollte sie sich nicht angewöhnen. Aber für die Pipi-Unfälle kann sie wohl nichts. Ich habe schon das Gefühl, dass sie sich echt bemüht."

Beate: „Ja, da hast du schon recht, aber Anne hatte vorhin beim Einkaufen eine spontane Idee. Ich fand die zuerst ziemlich doof, aber eigentlich ist sie das gar nicht. Vielleicht ist es eher komisch und ungewohnt."

Ich war in mein Spiel vertieft und habe nicht wirklich zugehört. Inzwischen melden sich die zwei Becher Wasser vom zweiten Besuch am Wasserspender. Ich bin aber total spannend am Spielen. Der Krankenwagen muss gerade ein Kind retten, das beim Klettern vom Felsen, na ja, eigentlich vom Schrank gefallen ist. Als ich merke, dass es jetzt wirklich dringend wird, lege ich die Figuren hin und will gerade aufspringen. Da fällt mir ein, dass ich ja eine Windel an habe und Mama fragen müsste. Die redet aber gerade mit Papa, da will ich lieber nicht stören. Das Thema ist mir ja auch ziemlich peinlich und ich will ja auch weiter spielen. Also lasse ich es einfach laufen. Ich bin zum Spielen sowieso in der Hocke, daher klappt es ganz leicht und mache zum ersten mal wirklich mit Absicht Pipi in die Hose, obwohl ich aufs Klo hätte gehen können. Also eigentlich war das jetzt kein Unfall. Gut vorhin mit dem Stinker war auch kein Unfall, aber das war keine Absicht, das war ein Notfall und das Pipi danach, da war die Pampers ja schon dreckig und Mama hat mich gebeten das zu machen, das war was anderes. So, das Pipi läuft also in die Hose. Nein eigentlich nicht. Es läuft in die Windel. Das fühlt sich ganz anders an. In der Hose läuft es an den Beinen runter und wird ganz schnell kalt. In der Windel wird es an meiner Vulva erst sehr warm und nass und dann recht schnell wieder trocken und die Wärme lässt langsam nach. Das Gefühl ist eigentlich ganz schön. Eine nasse Hose fühlt sich doof und ekelig an. Ich fühle vorne an meiner Hose. Meine Eltern können das nicht sehen, weil ich ihnen den Rücken zugedreht habe. Es fühlt sich irgendwie etwas dicker an als vorhin. Außerdem ein kleines bisschen wie Wackelpudding. Irgendwie ein bisschen komisch. Kurz darauf bin ich wieder am spielen und habe die Windel schon fast wieder vergessen.

Gert: „Das klingt jetzt irgendwie verwirrend, was hatte sie denn für eine Idee?"

Beate: „Sie hat gesagt, sie will die selbe Unterwäsche haben wie Maren."

Gert: „Hä? Kapier' ich nicht. – Was für Unterwäsche will sie? – Meinst du sie will auch Windeln haben? Dafür ist sie doch zu groß."

Beate: „Na ja, wie man's nimmt. Das habe ich im ersten Moment auch gedacht. Ich bin auch ziemlich sicher, dass sie da nicht drüber nachgedacht hat und selbst erschrocken war, als sie es gesagt hat. Ich wäre jedenfalls nie auf die Idee gekommen, das vorzuschlagen. Na ja, für nachts hatte ich vor ein paar Tagen schon mal darüber nachgedacht, ob das nicht besser wäre. Da sieht es ja keiner und Bett beziehen ist ja schon mehr Aufwand als eine Hose wechseln. Aber ich hätte erwartet, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt. Die Babywindeln sind schon eher für kleinere Kinder. Eine nasse Windel ist aber wesentlich weniger Aufwand als eine nasse Hose und es gibt ja nicht nur welche für Babys, deine Oma hatte ja auch welche an."

Gert: „Da hast du natürlich recht. Ich finde den Gedanken aber trotzdem irgendwie komisch, dass meine Sechsjährige, die diesen Sommer in die Schule kommt, wieder Windeln tragen könnte. Daran muss ich mich wohl erst mal gewöhnen."

Beate: „Ich denke, wir könnten es dieses Wochenende ja mal probieren. Sie muss die ja nicht anziehen, ich würde sie das für tagsüber gerne weitestgehend selbst entscheiden lassen. Nachts fände ich es aber besser als immer das Bett zu beziehen. Und nächste Woche fahren wir in Urlaub, da wäre es für die Fahrt schon beruhigend, wenn wir wissen, dass wir nicht auf dem Standstreifen halten müssen. Das mit der Nothaltebucht vor drei Wochen war wirklich nicht spaßig."

Anne trägt wieder WindelnWhere stories live. Discover now