Kapitel 19: Muss ja nicht jeder sehen

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Beate: „Wir haben jetzt noch ein bisschen Zeit, weil du erst in den Kindergarten kannst, wenn die Kinder abgeholt werden, die daheim Mittagessen. Wir fahren jetzt noch hier in der Nähe in eine Klamottengeschäft."

Anne: „Muss ich jetzt im Kindergarten Windeln anziehen?"

Beate: „Nein, aber im Kindergarten können wir das nicht jeden Tag unterschiedlich machen. Vielleicht ist es da am besten, wenn du die zum Hochziehen anziehst. Dann kannst du ganz normal aufs Klo, aber wenn es mal schief geht, merkt es keiner. Wir schauen jetzt auf jeden Fall nach ein paar Kleidungsstücken, mit denen man die Windeln gut verstecken kann."

Anne: „Aber wenn ich im Kindergarten eine frische Windel brauche, weil es mit dem Klo nicht geklappt hat, sieht das jeder, der ins Bad kommt, um aufs Klo zu gehen. Das mag ich nicht."

Beate: „Wenn es ohne Windel nicht geklappt hat, sehen die das ja auch. Aber lass mich da später mal mit Steffi reden, vielleicht hat die eine gute Idee. Steffi muss es ja sowieso wissen und die weiß ja wirklich, dass du trotzdem groß bist. Vielleicht ist es auch eine Idee, dass du, wenn die Hochziehwindel nass ist, die einfach selbst auf dem Klo ausziehst und in den Mülleimer schmeißt, oder Steffi gibst. Das fällt vielleicht weniger auf. Danach könntest du dann einfach ohne Windel probieren. Da kann dann natürlich auch noch ein Pipi-Unfall passieren, aber dann wäre das wenigstens viel seltener und eher nachmittags, da sind ja weniger Kinder da."

Ich finde den Gedanken, mit Windel in den Kindergarten zu gehen, trotzdem komisch. Thema Windel, langsam muss ich mal Pipi.

Anne: „Mama, ich muss Pipi."

Beate: „Wir sind gleich am Klamottengeschäft. Sollen wir da nach einer Kundentoilette fragen? Du darfst aber auch die Windel benutzen, wenn du willst. Wir machen dann später frische Hose, bevor wir zum Kindergarten fahren."

Anne: „Ne, ich will liebe aufs Klo."

Beate: „Okay, aber wir brauchen jetzt nicht zu rennen, wie sonst, oder? Passieren kann ja nichts."

Als wir aus dem Auto steigen, merke ich, dass ich schon ziemlich dringend muss. Normalerweise rennen wir dann ganz schnell zum nächsten Klo, oder, wenn ich daheim oder im Kindergarten bin, renne ich alleine ganz schnell. Es fühlt sich total komisch an, einfach ganz langsam weiter zu gehen. Ich gebe Mama die Hand, so fühle ich mich nicht so unsicher und brauche nicht auf den Weg zu achten. Ich denke an den Luftballon und dass da kein Wasser raus laufen soll. Irgendwie klappt das ohne Rennen besser. Im Laden räumt eine Verkäuferin Klamotten in ein Regal.

Beate: „Entschuldigung, haben Sie eine Kundentoilette?"

Verkäuferin: „Nein, aber nebenan beim Tierbedarf gibt es eine, da können Sie hin."

Beate: „Danke, bis gleich."

Wir drehen um und gehen wieder aus dem Laden. Nebenan gibt es ein Geschäft für Tierfutter und so Sachen, die man für Haustiere braucht. Mama bekommt von der Kassiererin den Schlüssel für die Kundentoilette und wir kommen dort tatsächlich an, ohne dass die Windel nass ist. Mama legt mir Klopapier auf die Klobrille und ich ziehe meinen Rock, die Leggins und die Hochziehwindel runter. Mama hebt mich aufs Klo, das ist einfacher, sonst fällt das Klopapier so leicht runter.

Anne: „Mama, das hat sich total komisch angefühlt, ohne Rennen. Aber irgendwie hat das jetzt besser geklappt."

Beate: „Anne, das ist ja super. Das wäre ja toll, wenn du einfach weniger Pipi-Unfälle hast und trotzdem die Pampers trocken bleibt."

Ich denke wieder an den Luftballon und dass das ganze Wasser raus soll. Das hat die Ärztin zwar schön erklärt, aber ich weiß nicht so genau, wie ich das meinem Bauch sagen soll. Egal. Ich putze mich vorne mit Klopapier ab. Puh ist das kratzig. Dann rutsche ich vom Klo runter und ziehe meine Windel und die Klamotten wieder hoch. Ich wasche mir die Hände und wir gehen den Schlüssel abgeben.

Beate: „Vielen Dank."

Verkäuferin: „Gerne, kein Problem."

Wir gehen wieder in den Klamottenladen. Als erstes schauen wir bei den Hosen. Mama findet eine Latzhose und nimmt auch noch eine Jogginghose mit. Dann gehen wir zu den Röcken und Kleidern. Ich finde total das coole Jeanskleid und zeige es Mama.

Beate: „Das ist die falsche Größe, aber lass mich mal schauen... Ja, hier ist es auch in der richtigen Größe."

Verkäuferin: „Kann ich Ihnen helfen?"

Beate: „Ja, haben Sie irgendwo Bodys in Größe 122?"

Verkäuferin: „Ja, kommen Sie mit, ich zeige sie Ihnen."

Wir gehen zu einem anderen Regal. Hier liegen Bodys in einem Fach. Die sind aber in Plastik eingepackt und zugeklebt. Mama schaut sich das Bild an.

Beate: „Nein, ich meine solche mit Knöpfen im Schritt, keine Gymnastikanzüge."

Verkäuferin: „Ach so, nein, die haben wir nur in Babygrößen, so bis 92 oder vielleicht 98. Da müssen Sie in unserem Onlineshop schauen, da haben wir auch Kleidung für besondere Kinder."

Beate: „Die Vokabeln werden irgendwie immer spezieller, ich dachte das heißt zur Zeit ‚Menschen mit Einschränkungen', aber trotzdem danke."

Wir gehen Richtung Umkleide.

Anne: „Mama, was hat die Frau mit ‚besondere Kinder' gemeint?"

Beate: „Na ja, die meisten Kinder die so groß sind wie du und noch Windeln brauchen haben irgendeine Behinderung, aber natürlich nicht alle. So wie zum Beispiel Klara, bei dir im Kindergarten. Die ist doch ein bisschen anders und braucht bei vielem mehr Hilfe. Und ‚Behinderung' klingt nicht so schön, deshalb sagt man meistens ‚Einschränkungen' damit meint man, dass diese Menschen manche Sachen nicht so gut machen können wie andere. Und die Leute, denen der Laden hier gehört haben sich gedacht, dass das auch nicht so schön klingt und haben sich etwas anderes ausgedacht."

Anne: „Hat Klara auch noch Windeln an?"

Beate: „Das weiß ich gar nicht. Aber ich glaube schon. Vor ein paar Monaten hatte sie noch welche. Aber wenn du das noch nicht mitbekommen hast und sie wirklich noch welche an hat, dann hat Steffi ja gut aufgepasst, dass das keiner sieht."

Wir gehen in die Umkleide und ich ziehe meinen Rock und die Hose aus. Hier ist ein großer Spiegel und nur mit Windel Unterhose und T Shirt sieht schon etwas komisch aus.

Die Latzhose und das Kleid passen gut. Aber mit der Jogginghose sieht man schon, dass der Popo etwas dicker ist.

Anne: „Mama die Jogginghose mag ich nicht, da sieht man die Windel doch."

Beate: „Na ja, du kannst ja nicht immer mit Latzhose oder Rock rum laufen. Ich dachte, für daheim ist vielleicht auch mal die Jogginghose eine gute Idee. Da sieht man es schon weniger als mit einer Leggins. Ich denke wir sollten die trotzdem kaufen."

Anne: „Okay, aber in den Kindergarten gehe ich so nicht."

Beate: „Dann zieh dich mal wieder an."

Ich ziehe mir meine Sachen wieder an. Dann geht Mama noch mal mit mir zu den Ständern mit den Hosen.

Beate: „Schau mal, die selbe Latzhose gibt es noch in einer anderen Farbe, gefällt die dir auch?"

Anne: „Ja die ist auch schön."

Beate: „Dann nehmen wir zwei Blaue und eine in grün mit. Bei den Jogginghosen will ich auch noch eine. Welche Farbe willst du da?"

Ich schaue mir die Jogginghosen an.

Anne: „Die dunkel rote."

Beate: „Okay, dann können wir zur Kasse."

Mama bezahlt unsere Sachen an der Kasse und packt sie ins Auto. Am Kofferraum holt sie eine Stofftüte und macht die Kartons mit den Windeln auf.

Anne: „Mama, was machst du da?"

Beate: „Ich will eine Tüte für den Kindergarten vorbereiten. Welches Muster soll ich Steffi geben? Lieber die Weißen oder die mit den Einhörnern oder beides?"

Ich werde ein bisschen rot, als ich daran denke, mit Windeln in den Kindergarten zu gehen.

Anne: „Ich weiß nicht. Ich glaube lieber die mit den Einhörnern, die sehen am schönsten aus."

Mama packt ein paar von denen zum Kleben und ein paar von denen zum Hochziehen in eine Tüte und legt sie auf den Beifahrersitz.

Beate: „Musst du noch mal Pipi oder können wir los fahren? Das nächste Klo ist aber das im Kindergarten."

Anne: „Nein, ich glaube, ich muss nicht. Außerdem kann ja nichts passieren."

Wir steigen ins Auto, ich schnalle mich an und Mama fährt los.

Anne trägt wieder WindelnOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz