Zurück im Leben (Modern)

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Inspiriert von 'Club der roten Bänder'.
Wer liebt diese Serie ebenfalls?❤

Licht und Farben erfüllten einst mein Leben. Doch hier im Krankenhaus vergeht jede Freude. Alles was man hatte, alles was einem einst wichtig war, interessierte einen nicht mehr. Alles was man hört, ist das Piepen auf den Intensivstationen, das Quietschen der Rollstühle und die bedrückende Stimmung, die trotz schönen Dingen, immer im Krankenhaus herrscht. Eineinhalb Jahre war das Krankenhaus meine neue Heimat. Zweieinhalb Jahre ist es her, das ich meine Diagnose bekam: Krebs. Zweieinhalb Jahre voller Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Depressionen.  
Eineinhalb Jahre war ich schon nicht mehr in der Schule. Doch heute war es soweit. Letztendlich hatte ich den Krebs besiegt. Es hatte mich ein Bein gekostet, doch ich lebte noch. Meine Familie hatte mir in der Zeit Kraft gegeben. Ohne sie hätte ich diese Zeit nicht überstanden. Freunde hatte ich im Krankenhaus kaum gefunden. Ich war mit meinen 16 Jahren damals der älteste auf der Kinderstation gewesen und die meisten Kinder waren noch im Grundschulalter gewesen. Ich hatte sie lieb gewonnen, doch es waren einfach keine richtigen Freunde. Natürlich hatte ich auch richtige Freunde. In meiner Schule. In den ersten 2 Monaten besuchten sie mich regelmäßig. Doch irgendwann wurden die Besuche weniger. Der einzige der noch das ein oder andere mal vorbeischaute, war Rotzbacke. Er konnte manchmal ein ziemliches Arschloch sein, doch er war loyal. Früher hatten wir uns oft gestritten. Doch wir haben immer zusammen gehalten. Und uns immer wieder vertragen. Unsere Freundschaft mochte speziell sein, aber sie war echt. Und jetzt stand ich vor den Toren meiner alten Schule. Wie merkwürdig es war, nach über zwei Jahren das erste mal wieder hier zu sein. Es hatte sich nichts verändert. Außer ich selbst. Damals war ich ein ziemlicher Draufgänger gewesen und hatte zusammen mit Rotzbacke und den Zwillingen Taffnuss und Raffnuss viel Scheiße gebaut. Jetzt wusste ich wie viel Zeit ich damals verschwendet hatte.
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Hicks atmete unwillkürlich einmal tief ein und aus. Wie dankbar er seit seiner überwundenen Krankheit doch für das Atmen geworden war. Das er Atmen; frei atmen konnte. Der braunhaarige Junge schloss einmal kurz die Augen. Er spürte den Wind, wie er durch seine Haare wehte. Vor mehreren Monaten hatte er noch einen kahlen Kopf gehabt. Er verscheuchte den Gedanken daran, hängte sich seinen Rucksack lässig über die Schulter und betrat das Schulgelände.
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Es war kurz vor dem ersten Klingeln. Ich überquerte den Schulhof. Viele Leute kamen auf mich zu, sprachen mich an, freudig überrascht mich endlich wiederzusehen. Auch wenn viele von ihnen mich in den letzten Jahren bestimmt nicht sonderlich vermisst hatten, so war es doch schön als sie mich freundlich begrüßten. Ich ging zu meiner Klasse. Doch anscheinend hatte sie den Klassenraum gewechselt, denn auf dem Schild stand jetzt 6 a. Ich drehte mich um und stieß versehentlich mit einem Mädchen zusammen.
,,Oh sry",murmelte ich und blickte sie an. Sie hatte schwarze Haare und helle Haut. Das Mädchen schaute mich einen Moment lang genau an und plötzlich bildete sich ein Lächeln auf ihren Lippen.
,,Hey du bist bestimmt Hicks nicht wahr?"
,,Ja aber woher...-"
,,Ich bin die Freundin von Fischbein und da er ja mit dir befreundet ist, hat er mir viel über dich erzählt."
,,Achso okay",sagte ich, etwas unsicher was ich darauf erwidern sollte.
,,Dann bist du bestimmt auch in einer Klasse mit ihm?",fragte ich nach einem kurzen Moment. Das Mädchen nickte.
,,Kannst du mich mitnehmen? Das letzte Mal als ich hier war, hatten wir unseren Klassenraum noch hier." Hicks zeigte auf die 6. Klasse.
,,Natürlich komm."
Die Beiden gingen los und die Schwarzhaarige fragte Hicks, wann er das letzte Mal hier gewesen war. Hicks erzählte es ihr.
,,Wow das muss komisch für dich sein. Plötzlich nach so langer Zeit wieder ins normale Leben geschmissen zu werden."
,,Man gewöhnt sich daran der einzige zu sein, der sowas hat und dann immer wieder in eine neue Umgebung zu kommen."
,,Nun ich denke das stimmt nicht ganz",meinte das Mädchen.
,,Wie meinst du das?",fragte ich.
,,Wirst du noch sehen."
,, Ich hab dich noch gar nicht nach deinem Namen gefragt."
,,Heidrun."
Sie erreichten einen Klassenraum.
,,Hier hinein",meinte Heidrun und ließ mir den Vortritt. Als ich die Klasse betrat brach ein wahrer Sturm los. Alle stürmten auf mich zu, umarmten mich, klopften mir auf die Schultern oder schüttelten meine Hände. Und auch wenn ich in den letzten Monaten von kaum einem von ihnen besucht worden war, so konnte ich das in dem Moment nachvollziehen. Man merkte es ihnen allen an, das sie nicht wussten wie sie mit der Situation umgehen sollten oder wie sich damals mir gegenüber hatten verhalten sollten. Und ich verstand es. Und als mein bester Freund Rotzbacke, gefolgt von Fischbein und den Zwillingen auf mich zu kam und mich brüderlich umarmten, da fühlte ich mich so glücklich wie lange nicht mehr. Doch eine Person kam nicht um mich zu begrüßen. Ein blondes Mädchen, welches ich allerdings weder kannte noch je gesehen hatte, saß auf ihrem Stuhl und schaute dem ganzen Treiben nur still, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, zu.
'Wahrscheinlich ist sie neu in die Klasse gekommen',dachte ich mir. Doch ich wurde abgelenkt, da alle meine Prothese sehen wollten. Ich zeigte sie ihnen natürlich und ließ alle sie auch gutmütig berühren. Die Klasse plapperte aufgeregt durcheinander, bis ich irgendwann fragte: ,,Was haben wir jetzt eigentlich?"
,,Erdkunde bei Herrn Gude.",sagte Fischbein.
,,Hatten wir in Erdkunde nicht immer Frau Meißner?"
,,Hat ein Baby bekommen und ist im Mutterschutz",antwortete Thomas.
,,Achso."
Mir wurde mal wieder betroffen bewusst, wie viel ich doch verpasst hatte.
,,Mach dir nichts draus. Man gewöhnt sich an das Gefühl, dass man denkt man hätte alles verpasst. Das legt sich mir der Zeit."
Die Stimme ließ mich aufblicken. Es war das blonde Mädchen, welches gesprochen hatte. Sie war aufgestanden und stand nun vor mir.
,,Ich bin Astrid."
,,Hicks...und was soll das heißen, man gewöhnt sich an das Gefühl. Woher willst gerade du das wissen?"
,,Nun als ich in diese Klasse kam, hatte ich meine Chemo gerade hinter mir."
Damit zog sich Astrid an ihren Haaren, welche sich von ihrem Kopf lösten. Eine Perücke?! Darunter? Kurzes Haar. Mir klappte der Mund auf. Damit hatte ich nicht gerechnet. Astrid hielt die Perücke noch in der Hand und betrachtete sie.
,,Ich kann dieses Gefühl sehr gut nachvollziehen Hicks. Ich habe das gleiche durchgestanden."
Ich blickte sie an und fing an zu lächeln. Heidrun hatte recht gehabt, ich war wirklich nicht der einzige, der sowas durchstehen musste. Jetzt wusste ich, wen Heidrun vorhin gemeint hatte. Plötzlich ergriff Astrid meine Hand. Der Rest der Klasse hatte sich um uns versammelt.
,,Hicks ich weiß, du kennst mich nicht. Aber trotzdem. Als ich hier in diese Klasse kam, waren es deine Freunde die mich unterstützten, mir halfen und mich mit ihrer Freundschaft heilten. Heute bist du endlich wieder da und wir werden das Gleiche für dich machen. Ich werde für dich da sein. Wir alle werden für dich da sein."
,,Genau Hicks. Du bist ein Kämpfer. Wir sind doch Freunde und zusammen schaffen wir das",sagte Rotzbacke. Ich lächelte sie alle an und drückte Astrids Hand. Sie lächelte mir zu. Mein Blick wanderte durch den Raum. Als ich in die Gesichter meiner Klassenkameraden schaute, da dachte ich daran zurück, an meine einsamen Zeiten im Krankenhaus. Wo ich dachte ich hätte keine Freunde. Doch nun wurde mir bewusst, das sie immer hier waren und geduldig auf mich gewartet hatten. Ich schaute in Astrids strahlend blaue Augen und war mir nun sicher: Nun hatte ich wieder Hoffnung. Denn ich war wieder in meinem Leben angekommen.

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