#5 Perfekt ist nur die Lüge

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Einen Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.

~ Aristoteles

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Deidara hätte schwören können, seinen Teampartner am Ende der Häuser gesehen zu haben.
Merkwürdig, denn wenn er richtig gesehen hat, war dieser nicht allein. Vielleicht hat der Blonde es sich eingebildet, denn der Puppenspieler war beim zweiten Blick bereits wieder verschwunden und mit ihm auch das, was ihn hatte innehalten und sich verwundert die Augen reiben lassen.
Ein Mädchen.
Ein Mädchen...bei Sasori!
Etwa in dessen Alter mit schulterlangen, blonden Locken.
Nun ja... oder wohl eher nicht so alt wie der Suna-nin selbst. In einem seiner überaus seltenen Momente, in denen der Rotschopf mit Deidara spricht, hat dieser ihm einmal verraten, dass er 36 Jahre alt ist.
Der Blonde ist sich ziemlich sicher, sich dieses Bild also nur eingebildet zu haben. Sasori würde niemals mit jemandem aus diesem Kaff herumspazieren, geschweige denn mit einem Kind.
Dieses Mädchen war jünger als Deidara selbst, den sein Teampartner immer als unreifes Balg bezeichnet. Wieso sollte er also mit einem noch schlimmeren Kind Zeit verbringen? Es ergibt keinen Sinn.
Kurzerhand beschließt der Akatsuki, dass es nur Einbildung war und macht sich weiter auf die Suche nach jemandem in diesem Dorf, der seine Fragen beantworten kann.
Oder zumindest überhaupt mit ihm redet...

Der Griff um Kazumi' s Arm ist fest, als Sasori sie bestimmt mit sich zieht, und doch scheint er darauf bedacht zu sein, sie nicht zu verletzen. Erst hinter einem der Häuser und weit entfernt von dem blonden Fremden hält der Rotschopf inne und gibt sie wieder frei.
Kazumi ist verwirrt.
Ist denn der Blonde kein Freund des anderen? Kann es wirklich sein, dass ein weiterer Unbekannter hier durch das Dorf zieht?
Unwahrscheinlich.
Nein...
Das Mädchen ist sich inzwischen sicher, dass der Rotschopf den anderen Mann kennt.
Und sie ist sich sicher, dass sie keine Freunde sind.
Dass er sie angelogen hat.
Diese Feststellung verletzt das Mädchen irgendwie. Zwar kennt sie den jungen Mann nicht, doch sie hatte sofort das Gefühl, dass er anders ist.
Anders als der Rest der Menschen, die immer nur ihr eigenes Wohl im Sinn haben.
Anders als die anderen Dorfbewohner, die sie allein ließen, als ihre Familie zerbrach.
Zumindest hatte sie irgendwie gehofft, er wäre anders.
"Wieso lügst du mich an?"
Diese Frage ist draußen bevor sie sie hätte zurückhalten können und in ihrer Stimme schwingt ein beleidigter und vorwurfsvoller Ton mit.
Ungewollt, da sie eigentlich nicht Preis geben wollte, dass sie das Verhalten des Fremden verletzt.
Zu lächerlich kommt ihr diese Reaktion vor.

Blinzelnd begegnet Sasori dem strengen Blick des Mädchens. Die hellen, blauen Augen scheinen vor Zorn zu funkeln.
Sie hat ihn also ertappt. Und das obwohl sich der Suna-nin so viel Mühe gegeben hatte, glaubwürdig zu erscheinen.
In Kazumi' s Gesicht kann er lesen wie in einem Buch. Sie ist zu leicht zu durchschauen.
Das Mädchen ist wütend...
Sie ist verletzt...
Verletzt, weil sie ihm geglaubt hat...
Weil sie leichtgläubig ist...
Weil sie ein Mensch ist...

Voller Fehler.

Sie ist nicht anders wie die anderen, kein bisschen besser als der Rest der Menschen.
Als alle Menschen.
"Wieso sollte ich ehrlich sein?", stellt er die Gegenfrage.
Der Zorn in den hellen blauen Augen der Fremden erlischt, zurück bleibt etwas, das Sasori nur allzu bekannt ist.

Schmerz.
Enttäuschung.

Zu lang hat er es ertragen - musste das alles ertragen - bevor er die Entscheidung fällte, all diesen Fehlern und dem Menschsein abzuschwören und nur noch ein Ziel zu haben.
Eines, das sich lohnen würde zu verfolgen.

Perfektion.

Kazumi atmet tief durch, schüttelt langsam den Kopf und tritt kaum merklich einen Schritt zurück.
Die Enttäuschung in ihren Augen nun so intensiv, dass der Suna-nin beinahe über diese lächerlich eindeutige, extreme Emotion gelacht hätte.
Doch bevor seine Lippen sich auch nur zu einem spöttischen Grinsen verziehen könnten beginnt die Blonde bereits wieder zu sprechen.
Und ihre Worte sind scharf wie eine Schwertschneide.
"Du bist genau wie alle anderen.", spuckt sie schon fast heraus bevor sie erneut einen Schritt zurückgeht.
"Ich dachte erst gespürt zu haben, dass du anders bist. Lieber schweigst als etwas Falsches zu sagen, als zu lügen. Aber ich habe mich geirrt. Schon wieder. Du bist auch nur ein Mensch."
Mit diesen Worten wendet sie sich von ihm ab und verschwindet eilig zwischen den Häusern.

Waren das wirklich Tränen, die in den Augen der Fremden geglitzert haben?
Sasori ist das egal. Was ihn mehr beschäftigt ist die dreiste Mutmaßung des Mädchens - ihr beleidigender Vorwurf ein Mensch zu sein.

Voller Fehler.

Nein.
Sein Blick wandert überlegend zur Seite.
Er hat allen Fehlern abgeschworen. Jedem einzigen. Sasori hat gelogen, doch bedeutet zu lügen um es sich selbst leichter zu machen, menschlich zu sein?
Bedeutet Lügen etwa nur, einen Fehler zu kaschieren?
Oder ist allein der Versuch einen Fehler verstecken zu wollen selbst einer?
Ist das etwas, was Menschen tun?
Was seine Großmutter getan hat?

"Wir müssen geduldig sein, Sasori. Sie kommen sicher bald zurück."

All diese Lügen von damals...
Zeichen des Menschsein...
Für den Rotschopf ergibt es irgendwie einen Sinn, dass Sterbliche unehrlich und hinterhältig sind. Dass sie lügen und betrügen, um Erklärungen oder unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen.
Noch nie aber hat sich Sasori gefragt, ob das wohl eine typische Eigenschaft der Menschheit ist.
Noch nie hat er sich Gedanken darüber gemacht, ob er irgendjemanden anlügt oder nicht.
Das entschied bisher immer die Situation.

"Du bist genau wie alle andern."

Nein.
Missmutig verzieht Sasori das Gesicht während er sich wieder in Bewegung setzt.
Nein, er ist nicht wie alle anderen.

"Du bist auch nur ein Mensch."

Nein.
Er ist kein Mensch, schon lange nicht mehr.
Er ist eine Marionette, Kunst für die Ewigkeit.
Er ist der Perfektion so nah wie noch nie jemand zuvor.
Suchend wandert sein Blick über das verarmte Dorf.
Er muss sie finden. Dieses Mädchen, Kazumi. Weit kann sie nicht sein.
Er muss sie finden und ihr beweisen, dass sie Unrecht hat. Dass sie falsch liegt, weil sie nur ein Mensch ist.
Sie, nicht er.

Weil er fehlerlos ist, es nicht nötig hat zu lügen.
Weil er nicht sein will wie seine Großmutter es damals war.
Weil er die Perfektion anstrebt und damit ewige Schönheit.

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now