#10 ☆ Perfektion und Vollkommenheit ☆

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Perfektion ist unnahbar, Vollkommenheit ist fühlbar.

- Martina Matzka

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Bereits von Weitem kann Kazumi die leuchtend roten Haare von Sasori ausmachen, als sie sich nachmittags dem See nördlich des Dorfes nähert, den sie nur all zu gern aufsucht. Zögernd verlangsamt sie ihre Schritte, sieht sich nervös um.
Ihrem Vater würde es überhaupt nicht gefallen, wenn er wüsste, dass sie sich erneut rausgeschlichen hat und der Fremde nun ebenfalls hier ist.
Für einen Moment überlegt sie, einfach wieder um zu kehren.
Einfach zurück nach Hause zu gehen, sich stumm in ihr Zimmer zu setzen und eine gute Tochter zu sein.
Das zu tun, was ihr Vater von ihr erwartet, nicht draußen herum zu wandern und auch nicht mit Fremden zu reden.
Ihm einmal keinen Grund dafür zu geben, sie an zu schreien und mit Flaschen nach ihr zu werfen.

Für einen Moment.

"Was willst du?", erklingt Sasori' s Stimme kühl, der die Anwesenheit des Mädchens hinter sich relativ schnell bemerkt hat.
Auch, wenn er in Gedanken versunken und in seine Pläne vertieft war.
Tief atmet Kazumi durch bevor sie nähertritt und sich neben den Rotschopf stellt. Ihr Blick ist auf die klare Wasseroberfläche gerichtet, welche die Sonnenstrahlen reflektiert und glitzern lässt. Ein Anblick, der ihr so vertraut ist und sie dennoch immer wieder aufs Neue beeindruckt.
"Ich wollte nur das Wetter genießen. Heute ist es wieder schön warm...", antwortet Kazumi leise, vermeidet es Sasori direkt anzusehen.
Egal wie sehr sie versucht nicht daran zu denken so schwirrt noch immer das Bild seines Körpers in ihrem Kopf umher.
Das Gefühl, als sie mit ihren Fingern über seine Brust strich, die so viel härter und kälter war als ihre eigene Haut es ist...

Starr wie sein Gesicht.

Kalt wie der Ausdruck seiner braunen Augen.

Sasori antwortet nichts darauf, wirft dem Mädchen neben sich jedoch einen kurzen Seitenblick zu, als es eine Weile lang schweigt.
Menschen neigen dazu in unangenehmen Situationen viel zu reden oder ihnen schnell wieder entgehen zu wollen.

Flucht oder Angriff.

So wie Kazumi auf den See starrt, nebenbei nervös mit ihren Fingern spielt und an ihrer Unterlippe knabbert scheint ihr dieses Treffen tatsächlich unangenehm zu sein.
Doch sie ergreift nicht die Flucht, redet nicht auf ihn ein.
Sie schweigt und erträgt...

Anders, als andere Menschen.

"Dieser See scheint nicht sehr besonders zu sein. Dennoch kommst du immer wieder hier her.", stellt Sasori fest, um die Stille zu vertreiben, und fragt sich anschließend sofort wieso.
Wieso ist er es jetzt, der das Offensichtliche hervorhebt?
Wieso ist er es, der das Schweigen bricht?
Kurz befeuchtet Kazumi ihre Lippen mit ihrer Zunge bevor sie tief durchatmet und seinem Blick vorsichtig begegnet.
"Ich mag diesen Ort. Für mich ist es hier einfach... naja... perfekt.", antwortet sie ruhig.

Perfektion.

Kazumi kann beobachten wie sich Sasori' s Augenbrauen leicht zusammenziehen und diese kleine Reaktion auf ihre Bemerkung weckt in ihr die Annahme, dass er sich für ihre Worte wenigstens ein bisschen interessiert.
Es lässt sie weiterreden.
"Für mich gibt es keinen schöneren Ort als diesen. Ich verspüre tiefe Ruhe, wenn ich hier bin, fühle mich geborgen. Ich komme gern hier her, um nachzudenken."

Wahre Schönheit.

Sasori ist sich sicher, dass dieses Mädchen keine Ahnung hat wovon es eigentlich redet.
Perfektion ist ewige Schönheit, wahre Kunst. Unvergänglich und makellos. Kazumi's Einstellung ist so falsch, ihr Verständnis von Schönheit so subjektiv.
So getrübt von ihren Emotionen.

So menschlich.

"Du lässt dich von Gefühlen beeinflussen. Dein Verständnis für Perfektion und wahrer Schönheit wird von Empfindungen vernebelt."
"Nein.", widerspricht sie fest und schüttelt den Kopf, was Sasori mit hochgezogener Augenbraue quittiert.
"Es gibt einen großen Unterschied zwischen Vollkommenheit und Perfektion. Das eine ist offensichtlich makellos, das andere tatsächlich ohne Fehler. Dieser Ort ist nicht nur vollkommen, er ist meiner Meinung nach perfekt. Dazu gehört mehr als ein schöner Anblick. Es ist gerade das Gefühl, was diesen Ort besonders macht, was ihn anders macht. Etwas, das man nicht greifen oder erklären kann. Etwas Einzigartiges."
"Hm."
"Letzte Nacht hast du gesagt, dass du der Perfektion so nah bist wie noch nie... Wie hast du das gemeint? Was ist Perfektion für dich?"

Kurz überlegt Sasori, richtet seinen Blick auf die glitzernde Oberfläche des kristallklaren Wassers.
"Perfektion...", murmelt er leise, sieht zurück zu dem Mädchen neben sich.
Eine Antwort auf ihre Frage zu finden ist für den Rotschopf nicht schwer. Schon lange verfolgt er nur diese eine Ideologie.
"...ist ewige Schönheit, wahre Kunst.", beendet er seinen Satz beinahe ohne zu zögern.

"Kunst?", wiederholt Kazumi leise.
Ihre Stimme klingt fragend, fast schon skeptisch, und Sasori widersteht dem inneren Drang die Augen zu verdrehen.

Banause...

"Ich würde dir ja die Bedeutung von wahrer Kunst erläutern, doch das würde nichts bringen. Jemand wie du könnte das nie verstehen."
Ungläubig zieht Kazumi eine Augenbraue nach oben, begegnet Sasori' s kaltem Blick verwirrt.
"Jemand wie ich?"
"Ein Mensch."
"Findest du das nicht ein bisschen... diskriminierend?"
"Doch, aber das ist mir egal."
"Ah... Du denkst also, weil ich ein Mensch bin kann ich deine Sicht der Dinge nicht verstehen?"
"Exakt."
Schnaubend wendet Kazumi den Blick von ihm ab, schüttelt ungläubig den Kopf, bevor sie sich erneut an ihn wendet.
Diese Gleichgültigkeit und Selbstverständlichkeit dieser Aussage...
Dieser Kerl macht sie fertig.
Mehr als das.
Er macht sie wütend.
"Und du denkst wirklich mit dieser Einstellung bist du auch nur im Geringsten besser als ich oder jeder andere Mensch? Mit deiner engstirnigen Sicht? Deiner grenzenlosen Arroganz?"
Sasori zieht nun eher verstimmt die Augenbrauen zusammen, in seinen sonst leeren braunen Augen scheint ein Funkeln zu liegen und dieser Anblick lässt Kazumi sofort weiterreden.
"Du denkst nur an dein perfektes System, deine perfekte Ideologie, den für dich perfekten Körper und kannst nicht wirklich wahrnehmen, was außerhalb dieses Systems liegt. Du denkst du bist etwas Besseres, versuchst anders zu sein. Dennoch hatte ich Recht. Du bist kein bisschen besser als die anderen. Du-"
"Wage es nicht mich erneut mit euch Menschen gleich zu setzen.", unterbricht er sie scharf.
In seinen Augen lodert nun nur allzu deutlich heiße Wut, während sein Gesicht noch mehr einer Statue gleicht als zuvor.
Hart, kalt...
Eine Maske...
Aber er kann das Mädchen nicht täuschen. Nicht mit diesen Emotionen in seinem Blick, die sie in ihrer Annahme bestätigen, dass er nicht so rational ist wie er tut.
Zumindest nicht immer.

"Perfektion mag vieles sein... Aber du bist bestenfalls vollkommen, keineswegs perfekt.", stellt Kazumi klar, hält dem Blick des Rotschopfs stand.
Auch, wenn ihr Herz vor Aufregung rast und ihr Verstand ihr dazu rät ihn lieber nicht zu provozieren, so will sie ihm diese Scheuklappen abnehmen, mit denen er durch die Welt läuft.
"Und du bist bestenfalls durchschnittlich.", zischt er beherrscht.
"Ich weiß und genau das ist der Unterschied zwischen dir und mir. Ich weiß, dass ich Perfektion nie erreichen werde. Nicht solange ich hier am Ende der Welt in diesem zerfallenen Dorf lebe und die einzig wahre Perfektion für mich der Anblick dieses Sees ist. Nicht solange ich nicht die Möglichkeit bekomme, meine eigenen Fehler auszubessern und an mir zu arbeiten, um anders zu sein. Anders als die anderen Menschen, etwas Besonderes. Ich weiß das alles aber was ist mit dir, Sasori? Um nichts Falsches zu sagen sprichst du nicht und um nichts Falsches zu tun lässt du es einfach. Das nennst du perfekt? Weißt du überhaupt wo genau du stehst? Weißt du wie weit die Perfektion tatsächlich noch entfernt ist?"

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Место, где живут истории. Откройте их для себя