#7 Ohne Alternativen

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Wenn du eine Entscheinung getroffen hast, vergiss die Alternativen.

- Peter Schumacher

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Kazumi' s Finger zittern noch immer als sie die Scherben auf dem Küchenboden aufsammelt. Leise klirrend lässt sie die einzelnen Stücke der Flasche in eine Schüssel fallen.
In ihrem Kopf spukt nur eine einzige Frage immer und immer wieder herum.
Hat ihr Vater sie mit der Flasche treffen wollen?
In seinem Zustand zu zielen ist unmöglich. Hat er sie deshalb verfehlt? Oder wollte er sie gar nicht treffen?
Es kann sehr gut einfach sein, dass er sie einfach nur wegwerfen wollte. 
Dennoch...
Er hat in Kauf genommen, dass sie verletzt werden könnte, und diese Erkenntnis schmerzt mehr als alles andere es könnte.
Was ist nur aus ihm geworden?
Wo ist der Vater hin, der sie einst in seinen Armen in den Schlaf gewiegt oder ihr leise vorgesungen hat?
Wo ist der Vater hin, dessen Lachen das ganze Haus erfüllt hat?
Wo ist ihr Vater?
Ein stechender Schmerz reißt Kazumi aus ihren Gedanken, als eine Scherbe sich tief in ihre Finger schneidet. Einen Moment lang betrachtet sie nur das Blut, welches über ihre Hand nach unten auf den Boden tropft, bevor auch vereinzelte Tränen auf den Fliesen landen.
Der physische Schmerz wird voll und ganz verdrängt von einer drückenden Pein in ihrer Brust, die ihr die Möglichkeit nimmt frei zu Atmen.
Es tut so weh...
Das Wissen, dass ihr Vater sich dermaßen verändert hat.
Die Erkenntnis, dass er nie wieder so sein wird wie früher.
Ihr Vater ist tot und diese Tatsache zerreißt Kazumi das Herz.
Schluchzend legt sie sich einen Arm über die Augen, ertrinkt in der Wahrheit, die sie so sehr versucht hat zu verleugnen, während immer mehr Tränen über ihre Wangen laufen.

"Wir suchen also... ein Mädchen, un? Und das nur, weil sie dich als Mensch bezeichnet hat?"
Ungläubig betrachtet Deidara den Puppenspieler von der Seite, nachdem dieser ihm nach wiederholtem Nachfragen endlich erklärt hat, wieso sie beide schon seit einer gefühlten Ewigkeit ziellos durch die Straßen dieses verarmten Dorfes laufen. Inzwischen ist es bereits dunkel, doch das scheint den Rotschopf nicht zu irritieren. Kurz überlegt der Kleinere, bevor er seinem Teampartner knapp antwortet.
"Exakt."
"Wieso, Sasori no danna?"
Der Blonde versteht den Suna-nin wirklich kein bisschen. Noch nie konnte er sich in ihn hineinversetzen, egal ob es um Kunst ging oder auch einfach nur Entscheidungen, Vorgehensweisen. Für Deidara ist Sasori ein Buch mit sieben Siegeln. Das einzige, was der Explosionsliebhaber sicher weiß, ist, dass der Ältere es hasst zu warten und auch andere normalerweise wirklich ungern warten lässt.
Nichts verachtet der Rotschopf mehr.
Und dennoch laufen sie nun zu zweit durch dieses Dorf, verschwenden kostbare Zeit, lassen den Boss warten.
Und wieder zweifelt Deidara an Sasori' s Prioritäten, ja inzwischen sogar an seinem Verstand.
Zu gern wüsste der Blonde nur ein einziges Mal, was in seinem Kopf vor sich geht.
Nur ein einziges Mal hätte er gerne, dass Sasori ihm auf wenigstens eine seiner Fragen antwortet, denn das ist wirklich mehr als selten.
Deshalb ist er auch wirklich ernsthaft überrascht, als er jetzt tatsächlich eine Antwort auf seine Frage bekommt.

"Dieses Mädchen... Ich muss ihr erklären, dass ihre naive Annahme falsch war und dass sie diejenige ist, die nur ein Mensch ist."

Blinzelnd starrt Deidara weiterhin seinen Teampartner an, versucht schlau aus dieser Aussage zu werden, die ihn allerdings nur noch mehr verwirrt und weitere Fragen aufbringt.
"Und das ist jetzt wirklich wichtig, un? Bist du tatsächlich so stolz?"

Stolz.

Überheblichkeit.

Hochmut.

Alles menschliche Eigenschaften, die Sasori genauso zuwider sind wie alle anderen Emotionen.
Sofort bleibt der Rotschopf stehen, wirft dem Jüngeren einen kalten Blick zu, woraufhin dieser kaum merklich zurückzuckt.
"Du irrst dich."
Nein, sein Vorhaben hat rein gar nichts mit einem übertriebenen Selbstwertgefühl zu tun.
Er muss diese Mutmaßung richtigstellen, nicht, weil es seine Ehre verlangt, sondern weil er sich geschworen hat Perfektion zu erreichen.
Und für den Puppenspieler gibt es kein Versagen, keine Alternativen.

Es gibt keinen Raum für Fehler.

Doch wie soll er sein Ziel erreichen, wenn eine Fremde ihn sofort als Mensch brandmarkt?
Wie soll er es erreichen, wenn auch nur ein einzelnes Mädchen sofort merkt, dass es ihm noch an Vollkommenheit mangelt?
Dass er noch immer Fehler macht?

Nein. Nicht er macht die Fehler. Dieses Mädchen tut es.
Sie hat voreilige Schlüsse gezogen.
Er ist der Perfektion so nah wie noch nie zuvor.
Sie hat sich geirrt.

So wie Deidara.

Weil sie nur ein Mensch ist und es für sie keine Alternativen gibt, als Fehler zu machen.

Und er wird ihr deutlich machen, dass sie zu schnell geurteilt hat.
Er wird ihr beweisen, dass er nicht ist wie die Dorfbewohner, nicht wie alle Menschen.
Weil er kein Mensch mehr ist.
Sie soll es einsehen.

"Okay. Das schaffst du sicher auch alleine nehme ich an, un. Ich bin hundemüde und werde schauen, dass ich einen Ort zum Schlafen finde."
Knapp nickt Sasori und Deidara seufzt tief, bevor er sich abwendet und kopfschüttelnd davon geht.
Einen Moment lang bleibt der Rotschopf einfach nur stehen.
Schlaf.
Solch ein niederes Bedürfnis hat er schon lang nicht mehr. Deshalb hat er auch nicht bemerkt, dass es bereits stockdunkel und sehr spät ist. Das einzige Licht auf den Straßen kommt vom Mond, der groß und klar am finsteren Himmel thront, umringt von einer Schar Sterne.
Wenn Deidara jetzt schlafen muss wird es das Mädchen auch tun und das sicher nicht hier auf den Straßen, sondern in einem der Häuser.

Mit dem Rücken auf dem Bett liegend starrt Kazumi an die dunkle Zimmerdecke. Der Raum ist komplett dunkel, absolut still und nur der Mond, dessen Licht ein wenig durch das Fenster dringt, vertreibt dieses Schwarz wenigstens ein Stück weit. Seufzend setzt sie sich auf, massiert sich kurz ihre Schläfen, versucht den aufkommenden Kopfschmerzen entgegen zu wirken.
Obwohl es schon sehr spät ist, ist das Mädchen kein bisschen müde. Noch immer quälen sie dieselben Gedanken, die gleichen Fragen. Kurz hebt der brave Kater, der am Fuß der Matratze liegt, seinen Kopf, als Kazumi das Bett verlässt und barfuß auf das Fenster zu geht. Leise quitschen die Scharniere als sie es öffnet und kühle Nachtluft weht in das Zimmer. Mit ihr kommt auch der Duft von Blumen und Gräsern der umliegenden Felder hinein und Kazumi schließt für einen Moment die Augen.
Tief atmet sie durch, genießt die angenehm kühle Luft, die ihr eine leichte Gänsehaut bereitet, und den beruhigenden, vertrauten Duft.

Dieser Moment wäre perfekt, würden nicht die Erinnerungen an vorhin ihre Laune trüben.

Seufzend öffnet die Blonde ihre Augen wieder, lässt ihren Blick über die dunklen Straßen schweifen.
Eine Silhouette neben dem Nachbarhaus zieht sofort ihre Aufmerksamkeit auf sich und als sie dem Blick des spät umherwandernden Mannes begegnet bleibt Kazumi' s Herz kurz stehen.
Sasori.
Das Mondlicht lässt seine ohnehin schon porzellangleiche Haut erstrahlen, während seine braunen Augen im Kontrast dazu kalt und dunkel wirken.

Augenblicklich weicht Kazumi vom Fenster zurück und schließt es schnell, bevor sie einige weitere Schritte nach hinten geht.

Was will er hier?

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now