#27 Der sechste Fehler

872 81 8
                                    

Oh No, We're not strangers anymore
Oh No, I'll keep coming back for more
Nobody told me love would'a started a war
I'm gonna fight this time around
Don't try to tell me we've never been here before
We're not strangers anymore

- "Strangers"; Runaground

_______________________________________

In Stille packt Kazumi am nächsten Morgen ihre wenigen Sachen zusammen, tastet prüfend über den Stoff der Kleidungsstücke, die sie noch am Vorabend gewaschen hat, bevor sie ein paar von ihnen ebenfalls gleich in ihren Rucksack steckt.

Auch Sasori schweigt, sieht teilnahmslos aus dem Fenster nach draußen auf die Straße, auf der vereinzelt ein paar Leute zu sehen sind. Es ist relativ früh, weshalb noch nicht all zu viel los ist, doch das ist dem Rotschopf mehr als recht.
Es ist klüger dieses Dorf schnell wieder zu verlassen, bevor doch noch irgendetwas Unvorhergesehenes passiert. Allgemein ist es für seine Situation besser, wenn er so wenig Kontakt mit Menschen hat wie möglich und das liegt nicht zuletzt an seiner großen Abneigung ihnen gegenüber.
Schweigend lässt er seinen Blick über die dunklen Seitengassen schweifen während er darauf wartet, dass Kazumi fertig ist. Tief atmet er durch, um die wachsende Ungeduld zu verdrängen, die bereits nach kürzester Zeit schon wieder in ihm aufsteigt.

Er hasst es warten zu müssen.
Egal auf wen und egal weswegen.

Auch jetzt drängt ihn diese innere Unruhe zum Weiterziehen und dennoch...

Sasori will hier weg und doch irgendwie nicht.
Es ist verwirrend, unlogisch und absolut nicht nachzuvollziehen. Sein Verstand rät ihm, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, das Mädchen abzusetzen und zu Akatsuki zurück zu kehren. Doch da ist noch etwas anderes, das er nicht benennen kann. Ein leises Flüstern, das tief aus seinem Inneren zu kommen scheint. Ein merkwürdiges Verlangen danach, einfach hier zu bleiben, noch mehr Zeit mit Kazumi zu verbringen und zu genießen, was nur sie in ihm auslösen kann. Am liebsten auf ewig diese Wärme zu spüren, ihre Lippen zu kosten und sich dem Gefühl ihrer Nähe hinzugeben.

Ein Fehler, das ist ihm klar, und vor kaum einer Woche noch hätte er keinen einzigen Gedanken darüber verschwendet, was zu tun ist.
Jetzt jedoch ist dieses Verlangen unfassbar stark, der Fehler so unglaublich verführerisch, dass er an seinem Vorsatz zweifelt und versucht ist, seine ganzen Regeln zu ignorieren.

"Sasori? Die Sachen, die ich gewaschen habe, sind noch nicht alle trocken. Tut mir leid aber vielleicht können wir noch ein wenig... Zeit totschlagen?"
Vorsichtig wählt Kazumi ihre Worte, entscheidet sich bewusst gegen den Ausdruck "warten", da sie weiß, wie sehr der Rotschopf es hasst, warten zu müssen. Genauso gut ist ihr aber auch bewusst, dass ein anderes Wort wohl kaum die Tatsache verändert. Kazumi's Blick liegt auf seinem Rücken, während er weiterhin stur nach draußen sieht. Erneut atmet Sasori tief durch bevor er antwortet.

"Und wenn wir heute noch hier bleiben?"

Seine Stimme ist leise, klingt fast schon unsicher, während er den Weg für etwas bereitet von dem er genau weiß, dass es ein Fehler ist. Langsam dreht er sich zu dem Mädchen um, welches ihn mit großen, blauen Augen ansieht. Verwundert blinzelt Kazumi ein paar Mal schnell bevor sich ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen legt.
Ihr ist es nur recht, wenn sie noch ein wenig bleiben.
Vor allem, da sie die Gesellschaft von Sasori wirklich genießt und gerne die ihnen verbleibende gemeinsame Zeit noch ein wenig strecken würde.
"Das wäre schön.", antwortet sie genauso leise.
Stumm nickt Sasori bevor er erneut aus dem Fenster sieht.
"Dann solltest du wohl hier etwas frühstücken. Lass uns gehen ich habe schon genug gewartet."

Kurz darauf laufen Sasori und Kazumi Seite an Seite durch die Straßen des kleinen Dorfes, welches langsam aber sicher zu Leben erwacht. Geschäfte öffnen und immer mehr Leute sind unterwegs, um ihre Erledigungen hinter sich zu bringen. Kinder spielen lachend hier und da, rennen durch die Gassen oder singen Lieder.
Begeistert sieht sich Kazumi um, die blauen Augen glänzen fröhlich, während Sasori ruhig und gleichgültig versucht, möglichst mit niemandem direkten Blickkontakt zu haben.
"Sasori, sieh doch!", erklingt die Stimme des Mädchens plötzlich neben ihm.
Kurzerhand greift sie nach dem Ärmel seines Mantels, um daran zu ziehen, und hält ihn so vom Weitergehen ab.
Nur widerwillig bleibt der Rotschopf stehen und sieht in die Richtung, in die die Blonde aufgeregt deutet. Etwas von ihnen entfernt steht ein Mann mit kurzen, schwarzen Haaren, der mit ein paar Messern hantiert. Seine Kleidung ist schlicht und hat garantiert schon bessere Tage erlebt.
Ein Straßenkünstler.
Sasori hasst diesen Ausdruck.

Wahre Kunst praktiziert schließlich keiner dieser Banausen.

"Wow, wie cool! Sehen wir uns das genauer an? Bitte?"
Ein breites Lächeln liegt auf Kazumi's Gesicht während sie freudestrahlend Sasori's Blick sucht. Seufzend nickt der Rotschopf knapp und keine Sekunde später schließen sich schon warme Finger um die seinen bevor er hinter dem Mädchen hergezogen wird, das eilig auf die andere Straßenseite zu dem Schausteller läuft.
Sasori lässt es einfach zu und während Kazumi absolut fasziniert von dem Mann mit den Messern ist liegt sein Blick nur auf ihr.

Wie kann man nur so begeistert von so einer Kleinigkeit sein? Das ist dem Mann ein Rätsel.
Mit Messern kann auch er hantieren. Damit und mit vielem anderen, doch diese Tatsache ist dem Mädchen nicht bekannt.

Für sie ist er ein Fremder und das obwohl sie sich auf merkwürdige Weise doch kennen.

Dennoch...
Sie hat noch immer keine Ahnung, womit er seinen Lebensunterhalt verdient und seine Kunst finanziert geschweige denn, was genau für ihn eigentlich diese Kunst ist.
Auf keinen Fall wird er ihr erzählen, dass er die Körper einst lebendiger Menschen zu Marionetten umbaut. Sie würde schockiert sein, verängstigt, angeekelt.

Sasori ist sich sicher, dass er diese Emotionen nicht sehen will.

Nicht auch noch bei Kazumi.

Viel zu vertraut sind ihm diese Blicke, ist ihm das Getuschel und sind ihm die Reaktionen auf seine Arbeit. Er hat genug davon. Inzwischen ist ihm das alles egal, doch früher hätte er auf diese Ausgrenzung verzichten können.
Wenn es doch nur einen einzigen Menschen gegeben hätte, der ihn damals ohne Einschränkung akzeptiert hätte.
Vielleicht wäre ihm so einiges an Schmerz erspart geblieben.
Vielleicht wäre er heute ein anderer.
Vielleicht könnte er noch vertrauen.

Vielleicht.

Völlig in Gedanken versunken bekommt Sasori nicht mit was auch Kazumi durch ihre Faszination für den Straßenkünstler entgeht.

Drei Männer, die in einer der Seitengassen stehen und auf das ungleiche Paar deuten bevor sie zufrieden grinsend wissende Blicke tauschen.

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now