#44 Ein verlockendes Angebot

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Maybe I'm just too tired to keep lying
Maybe you're all I ever wanted

~ Alice Kristiansen; "Lost my mind"

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"Ich liebe dich."

Vier Silben, die für Sasori vor langer Zeit jegliche Bedeutung verloren haben.
Drei kleine Worte, die für den Rotschopf wohl so ziemlich komplett die Schwäche und größten Fehler der Menschheit zusammen fassen.
Zwei Menschen, die aus seinem Leben verschwanden und deren Verlust ihm ein Loch in die Brust gerissen hat.

Ein Mädchen, das ihm gezeigt hat, dass er dieses Loch bisher nur provisorisch geflickt und sich geweigert hat, diese Wunde verheilen zu lassen.

Ja, zu lieben ist ein Fehler.
Ein Verstoß gegen jede einzelne von Sasori's Regeln und ein Angriff auf die Art von Perfektion, die er erstrebt.
Aber jetzt, wo er erkannt hat was ihn zu all dem Unfug verleitet hat, den er in den letzten Tagen verzapft hat, hat er genug.
Genug davon sich selbst zu belügen.
Genug davon weiterhin davon zu laufen aus Angst, erneut verletzt zu werden.

Vielleicht ist er jetzt komplett durchgedreht, hat den Verstand vollständig verloren, doch einen klaren Gedanken kann er ohnehin schon lange nicht mehr fassen. Nicht ohne dabei das Geräusch eines leisen Kicherns oder das Bild strahlend blauer Augen in seinem Kopf zu haben.

Es wird Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken und das ist sie.
Vier Silben, drei Worte, ein Mädchen und das Gefühl, welches das alles verbindet. Und nichts davon will er verlieren.

"Ich liebe dich.", wiederholt er, dieses Mal ein wenig sicherer als zuvor, macht auf seinem Weg Halt und auch Kazumi kommt zum Stehen.
Mit großen Augen schaut sie ihn blinzelnd an, die Verwirrung und Überraschung ist ihr deutlich anzusehen.
Das Mädchen will etwas sagen, etwas erwidern, doch in ihrem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Kein einziges Wort bekommt sie heraus, während das Herz in ihrer Brust schneller als normal schlägt und eine freudige Wärme sie erfüllt. Zweifellos macht es sie glücklich diese Worte zu hören, geht es ihr doch nicht anders. Sie weiß nicht genau wann, doch irgendwann in den letzten Tagen hat sie definitiv ihr Herz an Sasori verloren. Zu wissen, dass auch er etwas für sie empfindet - nichts könnte Kazumi glücklicher machen in diesem Moment.

Und doch kann sie nichts sagen, bringt nicht über die Lippen, was in ihrem Kopf umher schwirrt. Doch sie will etwas sagen, muss es.

Irgendwas.

Vorsichtig öffnet sie den Mund, schließt ihn jedoch sofort wieder als der Rotschopf ihr gegenüber den Kopf schüttelt.

"Besser du sagst nichts. Hör mir einfach zu, ja?"
Leicht runzelt er die Stirn und atmet tief durch während das Mädchen stumm darauf wartet, dass er fort fährt. Aufgeregt zittern ihre Hände und sie greift in den Stoff des Umhangs, um ihren Fingern eine Beschäftigung zu geben, bevor sie mit der Zunge kurz ihre Lippen befeuchtet.

Diese Geste entgeht Sasori natürlich nicht. Ein Funken Sorge lodert in ihm auf, die leise Befürchtung, dass sie nicht so fühlt wie er.
Dass er sie verlieren wird, weil er mit allen Mitteln versucht sie zu halten.

Lächerlich. Wieso nur hat er solche Angst davor, Kazumi zu verlieren? Hat sie einen derart großen Einfluss auf ihn?
Ist sie tatsächlich der eine, einzige Mensch, der ihn so zum Umdenken bringt?

Er denkt schon wieder zu viel nach.
Beschäftigt sich erneut mit Fragen, die zum einen unbegründet und zum anderen fast schon ein wenig erschreckend sind.

Erschreckend menschlich.

Bisher hat er immer versucht solche Fragen, Gedanken und vor allem Gefühle von sich fern zu halten.

Damit ist jetzt Schluss. Und es kommt ihm nicht vor wie ein Fehler, was in seinem Kopf für ein Plan Gestalt annimmt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde. Kazumi, du weißt genau, dass das nichts ist, worauf ich für gewöhnlich stolz bin. Gefühle."

Bei dem letzten Wort vertieft sich Sasori's Stirnrunzeln bevor er erneut knapp den Kopf schüttelt und seine Mimik fast wieder genauso kontrolliert ist wie sonst.

Fast.

Was ihn verrät ist ein Funkeln in seinen braunen Augen. Dem Mädchen so fremd und doch vertraut, denn sie weiß schon länger, dass er nicht so kalt ist, wie er immer tut. Dass auch er Gefühle hat auch, wenn er sie versucht zu verstecken. Hinter seiner Mauer aus Stein, seiner Fassade aus Sinn und Verstand.

"Aber du bist nicht gewöhnlich. Du bist anders als die anderen und ich weiß nicht wieso."

Langsam macht er einen Schritt auf das Mädchen zu, streicht vorsichtig mit seinen Fingern über ihre Wange, die bei dieser zärtlichen Geste an Farbe gewinnen.

"S-Sasori...", flüstert sie zitternd und die Andeutung eines Lächeln legt sich auf die Lippen des Rotschopfes vor ihr.
"Ich liebe dich und ich schäme mich nicht für diesen Fehler, denn ich weiß, dass es keiner ist. Weil es um dich geht. Weil du besonders bist und eigentlich ist es auch egal, was genau dich von den anderen unterscheidet. Es lässt sich ohnehin nicht in Worte fassen."
Sanft platziert Sasori einen Kuss auf ihre Lippen, nichts weiter als eine flüchtige Berührung und dennoch zaubert das Kribbeln in seinem Körper nun ein deutliches Lächeln in sein Gesicht.

"Ich bin nicht gut und habe auch keine Erfahrung wie es ist, sich jemandem zu öffnen. Aber diese Erfahrung würde ich gerne mit dir nachholen und ich verspreche, dass ich alles tun werde, um dich in Sicherheit zu wissen. Kazumi... Komm mit mir. Bitte." 

Blinzelnd hält das Mädchen seinen Blick, öffnet den Mund und schließt ihn wieder bevor sie die Stirn runzelt.

Sie soll Sasori begleiten?
Sich mit ihm auf den Weg machen, in sein Leben?

So gern sie den Rotschopf auch bei sich hat...
So verlockend das Angebot scheint, bei ihm zu sein...

Dennoch stellt sich ihr die Frage, was das bedeutet. Wirklich bedeutet.

Für sie und für ihn.

Ob sie den jungen Mann begleiten kann, ohne ihren eigenen Weg zu verlassen und ihn dennoch auf den richtigen zu führen? Fort von dem Trugbild seiner Perfektion und in eine andere Richtung?

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt