#23 Es gibt keine Regel ohne eine Ausnahme

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A/N: Ich liebe dieses Kapitel ;)
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I've never opened up to anyone
So hard to hold back
When I'm holding you in my arms
We don't need to rush this
Let's just take it slow
Just a kiss on your lips [...]

It's never felt so real
No it's never felt so right

~ Lady Antebellum, "Just a Kiss"

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"Es muss schwer gewesen sein, gleich beide zu verlieren.", sagt Kazumi mit leiser Stimme.
Es ist eine Feststellung und dennoch - obwohl er auf so was normalerweise nicht reagiert - nickt Sasori leicht.
Er war nur ein Kind als seine Eltern starben und ist durch die Hölle gegangen. Es hat ihn zerstört, ihm Vertrauen und Hoffnung genommen sowie dafür gesorgt, dass er die Menschheit hasst.
Weil sie ihn allein gelassen hat, jeder sich nur um sich selbst kümmern musste. Niemand hat gesehen, wie sehr er gelitten hat.
Nicht einmal seine eigene Großmutter konnte hinter sein falsches Lächeln blicken.
Vorsichtig greift das Mädchen nach Sasori's braunem Mantel und bleibt stehen, was auch den Rotschopf zum Anhalten bewegt. Eingehend mustert sie sein Gesicht, während er ihren Blick stumm erwidert.
"Wie lang ist das her?", will sie von ihm wissen.
Ihre blauen Augen betrachten ihn mit einer Mischung aus Verständnis und Schmerz, die Sasori augenblicklich schwer schlucken lässt und verhindert, dass er den Blick abwenden oder sich aus dieser Situation herausreden kann. Als wäre er gefangen in diesem gefühlvollen Ausdruck, als würde er darin ertrinken. Er hat das Gefühl, als würde man ihm die Kehle zudrücken und es fällt ihm plötzlich schwer zu sprechen.
"Ewig. Ich war ein Kind.", antwortet er leise, seine Stimme ist kaum lauter als ein Flüstern, denn zu mehr ist er nicht in der Lage.
Kazumi's Finger lösen sich von dem Stoff seines Ärmels, nur um sich einen Augenblick später um seine Hand zu schließen. Die plötzliche Wärme sorgt dafür, dass Sasori kaum merklich zusammen zuckt und am liebsten würde er zurückweichen, wenn der Ausdruck ihrer Augen ihn nicht noch immer so fesseln würde.

Und wenn diese Wärme an seinen klammen Fingern, wenn auch ungewohnt, nicht so angenehm wäre.

Für einen Moment kommt ihm der Gedanke, dass es ein Fehler ist.

Diese Nähe.

Diese Wärme

Dass es menschlich ist.
Doch kaum hat sich dieses leise Flüstern in seinen Kopf geschlichen, da spricht das Mädchen vor ihm auch schon wieder und übertönt es ohne Probleme.
"Dein Verlust tut mir leid."
Ein Schnauben verlässt Sasori's Lippen, eine Mischung aus Unglaube und Amüsement. Kopfschüttelnd zieht er die Augenbrauen zusammen und presst die Lippen fest aufeinander. Nichts davon verunsichert das Mädchen. Sie weiß, was in ihm vorgeht, zumindest ein Stück weit, und will Sasori beweisen, dass er nicht allein ist.
Dass er nicht allein sein muss.
"Ehrlich. Es muss schwer für dich gewesen sein und ich kann mir nicht vorstellen, was du durchmachen musstest.", fährt Kazumi unbeirrt fort und kommt einen Schritt näher.
Ohne zu Zögern legt sie ihre andere Hand an seine Wange und das Stirnrunzeln auf Sasori's Gesicht verstärkt sich, während er versucht zu verstehen, was das alles bedeutet.
Wieso er die Wärme an seiner Haut genießt.

"Mitleid, huh? Erbärmlich."
Ein schwaches Grinsen zupft an den Lippen der Blonden und knapp schüttelt sie den Kopf.
"Mitgefühl, Sasori. Das ist etwas anders. Das ist es, was wirklich zählt."
Sie stehen inzwischen so dicht voreinander, dass sich ihre Körper beinahe berühren und Kazumi's Atem den Rotschopf streift, als sie ihm antwortet. Ihre eine Hand hält noch immer die seine während ihre andere an seiner Wange ruht.
In diesem Moment hat das Mädchen das Gefühl, als wäre etwas aus der unüberwindbaren Mauer um Sasori herausgebrochen und sie fühlt sich ihm näher als je zuvor - nicht nur körperlich.
Fast ist ihr, als könne sie ihn sehen - den wahren Sasori, hinter seiner Festung aus Stein.
Verunsichert, ängstlich...
"Gefühle... sind lästig.", murmelt der Rotschopf ruhig, versucht beinahe schon verzweifelt sich gegen das zu wehren, was in ihm aufsteigt.

Die Nähe.

Die Wärme.

Den Fehler.

Es ist falsch, verstößt gegen jede einzelne seiner Regeln.

Doch er genießt es.

"Sie sind notwendig, um zu erkennen, dass man lebt.", widerspricht Kazumi ruhig und streicht mit ihrem Daumen vorsichtig über seine Wange.
"Bitte...", flüstert sie bevor sie zitternd einatmet und sich ein wenig zu ihm nach vorne beugt.
"Lass mich dir das beweisen.", haucht das Mädchen nun beinahe lautlos bevor sie den letzten Abstand überwindet und ihre Lippen sanft auf seine legt.

Es ist ein vorsichtiger Kuss, leicht und fast schon zaghaft.
Sasori kann spüren, wie ihre Lippen leicht zitternd genau wie die Finger an seiner Wange.
Diese Berührung, mag sie für Menschen ein noch so wichtiges Symbol sein und ein normales Herz zum Rasen bringen, löst in dem Rotschopf nichts aus.
Er ist leer...
Und trotzdem fragt er sich, wieso er nicht von ihren Lippen zurück weicht. Wieso er es hinnimmt.

Die Nähe.

Die Wärme.

Den Fehler.

Es ist Kazumi, die diese sanfte Berührung unterbricht, doch weiterhin dicht vor ihm stehen bleibt. Ihre Hand liegt noch immer an seiner Wange, das leichte Zittern ihrer warmen Finger ist unverändert. Für einen Moment ist es still und auch die Zeit scheint sich zu dehnen, die wenigen Sekunden fühlen sich an wie Minuten, dann weicht das Mädchen zurück, unterbricht auch den Körperkontakt und tritt noch weiter nach hinten.
Der Blick ihrer blauen Augen hält ihn noch immer fest, Verlegenheit lässt ihre Wangen rosig schimmern.
Sofort beginnt Sasori die Wärme ihrer Haut, ihrer weichen Lippen, zu vermissen und diese Reaktion lässt ihn verwirrt die Augenbrauen zusammenziehen.

Er will nichts fühlen - definitiv nicht - und zeitgleich will er diese Wärme noch ein wenig länger spüren.

Ohne zu zögern und weiter über dieses Paradoxon nachzudenken überwindet er den kurzen Abstand zu Kazumi, den sie zwischen sich und ihn gebracht hat, und greift wieder nach ihrer Hand, um sie erneut an seine Wange zu legen. Er spürt angenehme Wärme, genießt schon fast das leichte Kribbeln, das sie an seiner Haut auslöst. Wie der wärmende Schein eines Feuers und doch kaum mit ihm zu vergleichen.

Aber es ist nicht genug.

Kazumi weicht nicht zurück als er erneut etwas näher kommt, sein Körper nun so dicht an ihrem wie vorhin, sodass sie sich beinahe berühren. Sie sieht lediglich fragend zu ihm auf, versucht wie so oft in seinem Gesicht zu lesen.
"S-sasori? Was-"
"Mach das nochmal.", unterbricht er ihre zitternde Stimme leise und kann sehen, wie sich ihre Augen erstaunt weiten und sich eine deutlichere Röte auf ihrem Gesicht ausbreitet.
"W-was?", haucht sie atemlos und der Puppenspieler zieht die Augenbrauen etwas stärker zusammen, während sein Blick zu ihren Lippen wandert.

Er will diese Nähe...
Er will diese Wärme...
Jetzt.
"Ich hasse es zu warten...", lässt er sie ruhig wissen, seine Stimme lediglich ein leises Raunen, und langsam nickt Kazumi.
Vorsichtig beugt sie sich etwas nach vorne, überwindet den kurzen Abstand und legt ihre Lippen erneut auf die seinen.

Warm, weich...

Sasori schließt die Augen, erwidert den leichten Druck, genießt das Gefühl dieses Kusses.
Genießt die Nähe, die Wärme. Mit der einen Hand hält er noch immer ihre Finger an seine Wange, doch die andere lässt er nun an die Taille des Mädchens wandern. Bestimmt zieht er sie an sich, spürt die Hitze ihres Körpers, die auch seinen kalten Puppenkörper zu wärmen scheint. Fest drückt er sie an sich, verstärkt auch den Druck seiner Lippen, was Kazumi kurz erschrocken aufkeuchen lässt bevor sie sich ihm hingibt. 

Es ist ein Fehler.

Aber Sasori kann nicht anders, als es zu genießen.

Die Nähe.
Die Wärme.

Die eine Ausnahme.

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now