#18 Vergänglicher Genuss

995 85 14
                                    

Kein Genuß ist vorübergehend; denn der Eindruck, den er zurückläßt, ist bleibend.

~ Johann Wolfgang von Goethe

_______________________________________

"Wunderschön."
Anerkennend wandert Kazumi's Blick über das Bild vor ihren Augen, während sie beinahe schon gierig versucht alles in sich aufzunehmen. Kristallklares Wasser fließt plätschernd in einem Fluss am Ende des dichten Waldes, reflektiert die warmen Stahlen der Sonne und funkelt in zig Farben während es die weißen Steine in seinem Bett umspült. Der bemooste Untergrund zwischen den Bäumen ist einer saftig grünen Wiese gewichen, die sich bis weit in den Horizont erstreckt und irgendwo in der Ferne von Bergen begrenzt wird. Hier und da ragen Büsche und Bäume empor, Blumen in verschiedenen Farben zeigen ihre Pracht und strecken sich der Sonne entgegen, die unangefochten am blauen Himmel steht.
Begeistert tritt Kazumi auf den Fluss zu, kniet sich an dessen Ufer und streckt ihre Hand in das kühle Nass. Wohlig seufzt das Mädchen, blickt zurück zu Sasori, der noch immer in der Nähe des Waldrandes im Schatten der Bäume steht.
"Komm doch her, Sasori. Schau dir das an."
Mit vor Begeisterung funkelnden Augen und einem breiten Grinsen auf den Lippen sieht sie ihn auffordernd an, bedeutet ihm gleichzeitig mit einer Hand winkend, sich ihr zu nähern.
Für einen Moment fragt sich der Puppenspieler, wieso das Mädchen so enthusiastisch ist bevor er ihrer Aufforderung zögernd nachkommt.
Schließlich will er sie ja nicht warten lassen.
Neben ihr am Ufer des Flusses bleibt er stehen, lässt seinen Blick absolut gleichgültig über die Umgebung schweifen bevor er ihn auf Kazumi richtet, die neben ihm am Boden sitzt.
Ihre Freude ist beinahe greifbar während sie mit der Sonne um die Wette strahlt. Sasori ist sich nicht sicher, wer diesen Wettbewerb gewinnen würde. Kurzerhand greift sie nach seinem Mantel, zieht leicht daran und richtet zur gleichen Zeit wieder das Wort an ihn.
"Setz dich, na komm schon."
Tief atmet der Rotschopf durch, versucht dem inneren Drang zu entgehen die Augen zu verdrehen und lässt sich nach weiterem Ziehen an seinem Mantel letztendlich in das Gras sinken.
"Und jetzt?", will er wissen, mustert das Mädchen neben sich eingehend.
"Genieße.", antwortet sie schulterzuckend, streicht mit ihren Fingern durch das grüne Gras und betrachtet selig lächelnd die Wasseroberfläche des Flusses vor sich.
Irritiert zieht der Puppenspieler eine Augenbraue nach oben.
"Genießen. Und was bitteschön?"
Augenblicklich trifft ihn der Blick strahlend blauer Augen und Sasori kommt nicht umhin sie mit dem hellen,  wolkenlosen Himmel zu vergleichen.
"Du suchst doch Perfektion. Sag nicht, dass du blind gegenüber solcher Schönheit bist. Das hier..."
Kazumi macht eine ausschweifende Handbewegung ehe sie fort fährt.
"...ist näher an der Perfektion als alles, was ich je gesehen habe."
"Unsinn."
Nun ist es das Mädchen, das verwirrt ist. Mit zusammengezogenen Augenbrauen versucht sie in Sasori's Gesicht zu lesen, das genauso ruhig und ausdruckslos ist wie die letzten Stunden über, oder vielleicht in seinen braunen Augen, die über die Gegend streifen bevor sie wieder auf sie fallen, etwas von dem zu erkennen, was in seinem Kopf wohl vor sich geht.
Erfolglos, so wie immer, und das frustriert das Mädchen zunehmend. Sie kann einfach nicht begreifen, weshalb er so verschlossen ist.
Wieso er niemanden an sich heran lässt, die Mauer um sich herum aufrecht erhält und nicht zulässt, dass man die Türe öffnet, um hereinzukommen.
Warum man höchstens durch die wenigen kleinen Risse in seiner Festung durch eben jene Mauer blicken, ab und zu lediglich einen flüchtigen Blick hinter die Fassade erhaschen kann, bevor er sie systematisch Stück für Stück weiter abdichtet.
Für Kazumi ist das nicht nur frustrierend sondern auch sehr befremdlich. Sie kann verstehen, dass er Perfektion sucht und in seinen Augen fehlerlos sein möchte. Sie kann verstehen, dass seine Mauer reiner Selbstschutz ist, für ihn vielleicht notwendig, um sein Ziel zu erreichen. Sich von all dem abzugrenzen, was ihn an seinem Vorhaben hindern könnte.
Aber sieht Sasori denn nicht, dass es so viel mehr gibt?
Kann er nicht ein Mal über seine eigene Festung sehen, einen einzigen Blick nach draußen riskieren?

"Du kannst dich doch nicht vor dieser Schönheit verschließen, Sasori.", murmelt sie leise, schüttelt langsam den Kopf.

"Dieser Ort hat nichts mit Perfektion zu tun. Diese Szenerie, egal ob ästhetisch schön oder nicht, ist nichts weiter als ein Eindruck, der genauso vergänglich ist wie der Anblick selbst.", erklärt der Rotschopf sachlich, was das Mädchen kurz amüsiert Schnauben lässt.
Das ist also sein Problem...
Die Angst vor der Vergänglichkeit. Der Grund, weshalb er so sehr versucht keine Emotion zu zeigen, vielleicht sogar nichts zu fühlen.
"Vergänglich, huh?", wiederholt sie leise.
"Ja."
"Nein."
Der Widerspruch der jungen Frau verwundert Sasori und für einen Moment kann Kazumi dieses Erstaunen in den braunen Augen des anderen aufblitzen sehen, kann durch den entstehenden Riss in der Mauer blicken, bevor er diese Emotion wieder vor sich und der Welt versteckt.
Doch Kazumi gibt nicht auf. Es muss einen Weg geben in diese Festung zu kommen, wenigstens ein Fenster in den Stein zu schlagen, damit er hinausblicken kann, wenn er sie schon nicht hereinlassen will.
Deshalb redet sie weiter, versucht irgendwie zu ihm durch zu dringen. Und wenn er die Perfektion in der Ewigkeit sucht: Umso besser. Schließlich entspricht das auch ihrer Sicht der Vollkommenheit, unterscheidet sich nur in der Definition eben jener Ewigkeit von Sasori's.
"Ich für meinen Teil werde diesen Anblick und was er in mir ausgelöst hat niemals vergessen. Auch, wenn dieser Ort sehr wahrscheinlich sogar irgendwann so nicht mehr existiert, die Erinnerung werde ich auf ewig bewahren. Das macht diese Schönheit unvergänglich. Es macht sie perfekt."

Das ist es schon wieder.
Die Definition von Perfektion, die Sasori zu seiner gemacht hat.

Ewige Schönheit

Doch kann eine Erinnerung ewig wären?
Kann man ein Abbild in seinem Kopf ein Leben lang speichern?
Und ist diese Illusion dann überhaupt mit dem Original zu vergleichen?
Für ein paar Sekunden hält er den Blick des Mädchens, denkt über ihre Worte nach, bevor er auf den Fluss vor sich sieht.

Es ist ein schönes Bild, ästhetisch ansprechend, ohne jeden Zweifel.
Ein Kunstwerk der Natur, entstanden fern abseits von der Menschheit. Allein deshalb ist es definitiv etwas Besonderes.

Wieso denkt er überhaupt darüber nach? Das Verständnis des Mädchens ist subjektiv, ihre sogenannte Perfektion wird von Gefühlen beeinflusst.
Ein Gefühl, kann niemals ewig wären.

Außer Schmerz.

Schmerz

Es ist Jahre her, Jahrzehnte, doch noch immer spukt die Erinnerung an diese Empfindung durch das Innere des Rotschopfs, droht aus dem Gefängnis auszubrechen, das er für alle Gefühle geschaffen hat, und ihn in seiner Gnadenlosigkeit zu ertränken.

Sasori will das nicht noch einmal erleben.
Er will nicht noch einmal das Gefühl haben zu ersticken, weil Tränen ihm die Möglichkeit nehmen zu atmen und lautloses Schluchzen seine Kehle zu schnürt.
Er will nicht noch einmal das Gefühl haben, als hätte man etwas grob aus seiner Brust gerissen und als würde dieses Loch nun dafür sorgen, dass er in sich zusammen bricht.

Er will nicht noch einmal so leiden.

Nie wieder.

"Sasori?"
Kazumi's Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken und als er erneut zu ihr hinüber sieht, sind ihre blauen Augen von Sorge erfüllt.

"In gewisser Weise hast zu recht.", murmelt er ruhig, erhebt sich vom Boden und wendet sich zum Gehen.
"Komm. Wir haben noch einen langen Weg vor uns."

♡ Hey Leute :)

Wie findet ihr das neue Cover? Meine Schwester hat mal wieder alles gegeben und an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an LadyFrantiska.

Viel Spaß beim weiteren Lesen
Eure Kiikii ♡

完璧 Perfektion - Denn Puppen lieben nicht (Sasori FF)Where stories live. Discover now